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Hilfe annehmen: Eine Stärke, keine Schwäche

Kennst du das Gefühl? Eigentlich weißt du, dass du Hilfe bei etwas brauchst - aber traust dich nicht, jemanden zu fragen. Ich habe das schon während meiner Schwangerschaft auf die harte Tour lernen müssen. Mir ging es so richtig schlecht mit Hyperemesis Gravidarum. An guten Tagen musste ich mich nur ein bis zwei Mal übergeben, an schlechten bis zu zehn Mal. In der Zeit sind mein Mann und ich zusammengezogen, was nur dank vieler lieber Freunde ging. Während ich also auf dem Sofa saß, verpackten sie um mich herum meine Wohnung und mein Leben. Das war extrem schwierig für mich mitanzusehen, aber sie ließen mich ganz bewusst nicht mithelfen - und das war genau richtig so..

Auch direkt nach der Geburt musste ich Hilfe annehmen, da ich die ersten drei Wochen so gut wie gar nicht aufstehen durfte. Mittlerweile ist das winzige Wesen ein Teenager, und ich habe seitdem gelernt, um Hilfe zu fragen und sie auch anzunehmen.

Meine Geschichte ist ein Beispiel dafür, wie sehr wir von unserer leistungsorientierten Gesellschaft geprägt sind, in der die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit oft als Tugend gepriesen wird. Besonders für uns mit chronischen Erkrankungen kann das zu einem komplexen Verhältnis führen: Einerseits wollen wir unsere Unabhängigkeit bewahren, andererseits benötigen wir manchmal Hilfe, um unseren Alltag zu meistern.

🌟 Die Kunst, Hilfe anzunehmen

Hilfe anzunehmen ist keine Schwäche, sondern eine Stärke, denn es zeigt emotionale Intelligenz und Selbstfürsorge. Trotzdem fällt es vielen von uns schwer, „Ja“ zu sagen, wenn uns Unterstützung angeboten wird.

Warum ist es so schwierig, Hilfe anzunehmen?

  • Angst vor Abhängigkeit: Die Befürchtung, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren

  • Identitätsfragen: „Wenn ich Hilfe brauche, was sagt das über mich aus?“

  • Schuldgefühle: Das Gefühl, anderen zur Last zu fallen

  • Perfektionismus: Die Überzeugung, alles selbst und perfekt machen zu müssen

Als ich vor einigen Jahren die Diagnose ME/CFS erhielt, war mein erster Instinkt, weiterzumachen wie bisher - nur eben mit mehr Anstrengung. Denn das ging ja nach der Geburt auch irgendwann wieder. So wollte ich beweisen, dass ich trotz der Erkrankung alles schaffen kann. Das Ergebnis? Ein massiver Rückfall, der mich wochenlang ins Bett zwang.

Diese harte Lektion lehrte mich einmal wieder: Hilfe annehmen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein wichtiger Teil meiner Selbstfürsorge geworden.

💡 Hilfe annehmen – ein Geschenk für beide Seiten

Wenn wir Hilfe annehmen, schenken wir anderen die Möglichkeit, für uns da zu sein. Denk einmal darüber nach: Wie fühlst du dich, wenn du einem geliebten Menschen helfen kannst? Vermutlich gut, oder? Doch genau dieses Gefühl verwehrst du anderen, wenn du ständig ihre Hilfe ablehnst.

Studien zur positiven Psychologie zeigen sogar, dass das Helfen positive Effekte für die helfende Person hat:

  • Ausschüttung von Glückshormonen

  • Stärkung sozialer Bindungen

  • Steigerung des Selbstwertgefühls

Wenn wir Hilfe annehmen, erlauben wir anderen also, von diesen positiven Effekten zu profitieren. Es ist wie ein Geschenk, das wir machen, indem wir eines annehmen.

🌈 Verschiedene Formen der Hilfe

Hilfe kann viele Gesichter haben:

  • Praktische Unterstützung: Einkäufe erledigen, bei Hausarbeiten helfen

  • Emotionale Unterstützung: Zuhören, Mut zusprechen, einfach da sein

  • Professionelle Hilfe: Therapie, Haushaltshilfe, medizinische Unterstützung

  • Digitale Hilfe: Apps, Online-Dienste, Lieferservices

Als chronisch Kranke neigen wir manchmal dazu, nur die großen Hilfsangebote zu sehen und zu vergessen, dass auch gerade diese kleinen Unterstützungen einen enormen Unterschied machen können.

💭 Meine persönliche Erfahrung

Lange Zeit war es für mich schwierig, Hilfe anzunehmen. Ich wollte nicht als „krank“ oder „hilflos“ gesehen werden. Besonders bei alltäglichen Dingen wie dem Einkaufen oder Putzen bestand ich darauf, alles selbst zu machen - oft mit dem Ergebnis, dass ich danach tagelang erschöpft war.

Ein Wendepunkt kam, als meine beste Freundin zu mir sagte: „Wenn du mir nicht erlaubst, dir zu helfen, nimmst du mir die Möglichkeit, dir eine gute Freundin zu sein“. Diese Perspektive veränderte alles für mich. Ich begann zu verstehen, dass meine Weigerung, Hilfe anzunehmen, nicht nur mir selbst schadete, sondern auch meine Beziehungen belastete.

Heute sehe ich das Annehmen von Hilfe als einen Akt der Stärke, nicht der Schwäche. Es zeigt, dass ich meine Grenzen kenne und respektiere – und dass ich anderen vertraue.

☕️ Die kleine Auszeit

Nimm dir 5 Minuten Zeit und denke über folgende Fragen nach:

  • In welchen Bereichen fällt es dir besonders schwer, Hilfe anzunehmen?

  • Wann hast du zuletzt Hilfe abgelehnt, obwohl du sie eigentlich gebraucht hättest?

  • Wie könntest du das nächste Mal anders reagieren?

💝 Praktische Umsetzung

So kannst du lernen, besser Hilfe anzunehmen:

  • Übe klare Kommunikation: Erkläre, welche Art von Hilfe du brauchst und und wie sie konkret aussehen könnte

  • Starte klein: Beginne mit kleinen Hilfsangeboten, um dich an das Gefühl zu gewöhnen

  • Führe ein „Hilfe-Tagebuch“: Notiere, wann du Hilfe angenommen hast und wie es sich anfühlte

  • Formuliere Bitten positiv: Statt „Es tut mir leid, dass ich dich belästigen muss…“ sage „Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir helfen könntest…“

  • Bereite Antworten vor: Habe eine freundliche Antwort parat, wenn dir spontan Hilfe angeboten wird

Ein wichtiger Schritt für mich war, eine Liste mit Aufgaben zu erstellen, bei denen ich regelmäßig Hilfe benötige. Diese Liste teile ich mit meinen engsten Vertrauten, damit sie wissen, wo und wie sie unterstützen können.

Denk daran: Hilfe anzunehmen ist nicht nur ein Akt der Selbstfürsorge, sondern auch eine Möglichkeit, deine Beziehungen zu stärken und zu vertiefen.

Bis in zwei Wochen!

Liebe Grüße
Julia

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Wer schreibt dir hier?
Ich bin Julia Stüber, Autorin, Bloggerin und chronisch optimistisch. Ich lebe mit meiner Familie und sechs durchgeknallten Wachteln im Siegtal. Nach Jahren als Leiterin von Selbsthilfegruppen widme ich mich nun meinen Büchern, um Menschen zu unterstützen. Auf meinem Blog schreibe ich über chronische Erkrankungen, Kreativität und meine Leidenschaft für Journaling. Meine Bücher sind Ratgeber, Trostspender und praktische Helfer – immer mit einem Hauch Optimismus.

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🌸 Vertiefung: Die Balance zwischen Unabhängigkeit und Unterstützung

In unserer Gesellschaft wird Unabhängigkeit oft übermäßig betont, während das Annehmen von Hilfe als Schwäche interpretiert werden kann. Besonders für uns mit chronischen Erkrankungen ist es wichtig, eine gesunde Balance zu finden.

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Topic chronisch optimistisch

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