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Die Träume der Spinnen

Hallo,

da bin ich wieder – frisch verheiratet und operiert, bereit für neue Geschichten. Im letzten Newsletter hatte ich ja meine Rückkehr angekündigt, nur, um dann notoperiert zu werden und dann doch wieder weg vom Fenster zu sein. Aber jetzt funktioniert der Körper endlich wieder, ich bin frisch geimpft und zu allem bereit. Deshalb gibt es heute gleich ein Thema, das ich komplett LIEBE, viele andere aber nicht so gut finden werden. Dennoch: Please stay with me.

Es geht heute um Spinnen. Aber nicht um sie allgemein, sondern um ihre Träume. Und keine Sorge, es gibt keine schlimmen Bilder in diesem Newsletter, versprochen.

Tatsächlich ist heute der Internationale Tag der Springspinnen und ich sag wie es ist: Ich liebe diese Viecher. Zu Weihnachten bekommt ihr ja traditionell dieses Video in die Twitter-Timeline gehauen:

https://twitter.com/waldraeubers/status/1328252414961602561 (Opens in a new window)

Ich meine hallo, wie toll sind Springspinnen? Deshalb erzähle ich euch kurz ein paar tolle Fakten zu ihnen:

  • Es gibt rund 6.000 Arten, die auf der ganzen Welt verbreitet sind – ja, auch bei uns!

  • Ihren Namen haben sie sich durch ihr Jagdverhalten erworben: Sie springen ihre Beute an, und manche Arten sichern sich dabei mit einem Spinnenfaden – quasi wie kleine Bergsteiger oder Bungee-Jumper!

  • Es gibt oft einen sehr gut sichtbaren Unterschied zwischen Männchen und Weibchen. Diese bunten und auffälligen Körperanhänge, die ihr in dem Weihnachts-Video seht, sind männliche Balzorgane, mit denen sie ihre Auserwählte beeindrucken wollen. Um ein Weibchen für sich zu begeistern, liefern sie aufwändige Paarungstänze ab. 

  • Und: SIE SEHEN UNFASSBAR SÜSS AUS! Ich meine seriously, schau sie dir an:

Können diese Augen lügen?!

Besonders faszinierend finde ich eine Tatsache, auf die mich ein Mitglied aus der Bugtales-Community aufmerksam gemacht hat: Springspinnen scheinen REM-Schlaf zu haben.

Wovon träumen Spinnenbabys?

REM ist die Abkürzung für "rapid eye movement", also "schnelle Augenbewegungen". Befinden wir uns in der REM-Schlafphase, bewegen wir unsere Augen unter den Lidern schnell hin und her, was auch von außenstehenden Personen beobachtet werden kann. Diese Phase macht ungefähr ein Viertel unseres Schlafes aus und man geht davon aus, dass die meisten unserer Träume in diesem Zeitraum stattfinden.

Auch bei anderen Säugetieren wie bei Schweinen oder Hunden wurde dieses Schlafverhalten beobachtet, und viele von uns kennen ja von ihrem eigenen Sofawolf oder von Videos im Netz die Situationen, in denen Hunde im Schlaf galoppieren, bellen und träumen. Bei wirbellosen Tieren konnte so ein Verhalten noch nicht festgestellt werden – bis jetzt.

Die Forscherin Daniela Rößler hat gemeinsam mit ihrem Team von der Uni Konstanz das Schlafverhalten von einheimischen Springspinnen untersucht und konnte dort zum ersten Mal ein ungewöhnliches Verhalten beobachtet. Mit einer Nachtsichtkamera, an der sie einige Vergrößerungslinsen befestigte, beobachtete Rößler 34 schlafende Spinnenbabys in ihren Plastikboxen. Die Spinnen schliefen in einer eigentlich für sie eher unüblichen, zusammengerollten Position an einem Faden hängend – mit seltsamen krampfartigen Zuckungen und begleitenden Augenbewegungen, was an den  REM-Schlaf von Wirbeltieren erinnert.

Als erstes fiel ihr dabei ein bestimmtes Weibchen auf. Nach einer Weile, in der das Spinnenweibchen nur vom Deckel der Box herabhing, bemerkte Rößler, dass die Beinchen zu zucken anfingen und sich manchmal sogar Richtung Brustbein einrollten. Das war etwas, was eigentlich nur bei toten Spinnen geschieht. Auch der Hinterleib und die seidenproduzierenden Spinnwarzen aller 34 Spinnen bebten. Diese "Anfälle", die öfter und regelmäßig in der Nacht auftraten, hielten immer etwas länger als eine Minute an.

Was ebenfalls sehr auffällig war und die Theorie, dass das REM-Schlaf sein könnte, unterstützt, waren die Augenbewegungen. Denn im Schlaf zuckten die Augenröhren der Babyspinnen aufgeregt hin und her, genau wie bei uns oder bei unseren Hunden, wenn wir träumen.

Natürlich fragte sich das Team nun: Können Spinnen träumen? Gerade Springspinnen haben einen extrem gut ausgeprägten Sehsinn, was sie auch aufgrund ihres Jagdverhaltens benötigen. Zudem ist erforscht, dass sie ein sehr gutes Gedächtnis und außergewöhnliche kognitive Fähigkeiten im Vergleich zu anderen Spinnen haben. Demnach ist es nicht unrealistisch anzunehmen, dass sie die ganzen Bilder, die sie tagsüber aufnehmen, in der Nacht in Träumen verarbeiten. 

Schlaf – der große Unbekannte

Ob ich in einem Traum einer Spinne gefangen sein will, wage ich zu bezweifeln. Allerdings macht diese Beobachtung viele spannende weitergehende Fragen auf. Beispielsweise: Wie träumen Tiere, die vielleicht eher andere Sinne verwenden?

Rößler sagt dazu gegenüber National Geographic: 

„Vielleicht vibrieren die Weberknechte, wenn sie träumen. Ich denke, dass die REM-Phase im Tierreich genauso universell ist wie der Schlaf, aber wir haben einfach noch nicht ausreichend danach gesucht.”

Tatsächlich ist es so, dass wir noch unglaublich wenig über den REM-Schlaf wissen. Wie er funktioniert ist uns genau so unklar wie die Antwort auf die Frage, wieso es ihn eigentlich gibt. Es existieren viele Hinweise, dass REM-Schlaf wichtig für uns ist: Wenn wir eine Nacht eine zu kurze REM-Phase haben, holen wir sie in der nächsten Nacht nach. Und wenn Menschen länger keine ausreichend lange und ungestörte REM-Schlafphase aufweisen können, bekommen sie Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, Erschöpfungssymptome. 

Do baby spiders dream of electric sheep? Wohl eher nicht, aber vielleicht von Fruchtfliegen und von Zweigen, von denen sie herunterspringen. Das Team um Rößler forscht jetzt jedenfalls weiter an diesem Thema. Sie haben sogar winzigste Elektroden, mit denen sie die Gehirne der Spinnen im Schlaf beobachten können um zu schauen, ob sich die Gehirnströme in den vermuteten Traumphasen verändern. Wer weiß, vielleicht finden wir mithilfe dieser kleinen Freundinnen auch noch mehr über unseren eigenen REM-Schlaf heraus?

Ich bin super gespannt auf die Forschung, und finde, dass diese Erkenntnisse Grund genug sind, ein Spinnen-Special in der Netflix-Serie "Sandman" zu sporten, oder?

Und sonst so?

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Alles Liebe

Jasmin

PS: Hier seht ihr mich mit einer der letzten Hummeln des Jahres:

Quellen

https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2204754119 (Opens in a new window)

https://www.discoverwildlife.com/news/do-jumping-spiders-dream/ (Opens in a new window)

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2022/08/koennen-spinnen-traeumen-rem-schlafphase (Opens in a new window)

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