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Die bedrohten Wälder der Meere

Seetang im Wasser

In den verborgenen Tiefen unserer Meere gedeihen riesige Wälder, wusstest du das? Aber wir finden da natürlich keine Bäume, Büsche und Eichhörnchen, nein. Die Unterwasserwälder bestehen aus Seetang. Seetang ist eine traditionelle Nahrungsquelle und ein wichtiger Lebensraum für unter Druck stehende Arten wie Steinfische und junge Lachse. Diese Lebensräume beherbergen eine erstaunliche Vielfalt an Meereslebewesen, weshalb ich euch heute davon erzählen will.

Ein Unterwasserwald? Wie bitte?

Ja, genau, Wald heißt nicht gleich Baum. Seetangwälder sind seit langem ein wichtiger Eckpfeiler der Küstenökosysteme auf der ganzen Welt, wobei "Seetang" kein botanischer Begriff ist – stattdessen findet man dieses, äh, "Zeug" unter Grün-, Braun- und Rotalgen, und sogar bei den Cyanobakterien. Diese dichten Algenwälder finden sich an den felsigen Küsten aller nordischen Länder, wobei die größten Gebiete vor den Küsten Norwegens, Grönlands und Islands liegen – dennoch bilden diese Gegenden nur rund 20 Prozent des möglichen Lebensraum dieser Organismen.

Diese unscheinbaren Wälder – ich meine, den Amazonasregenwald kennen wir alle, aber Seetang? – sind einer der am weitesten verbreiteten und produktivsten Meereswälder im globalen Küstenmeer. Sie bedecken etwa 340 Millionen Hektar Fläche und binden jedes Jahr schätzungsweise 173 Millionen Tonnen Kohlenstoff (C). Das ist echt ne Hausnummer. Zum Vergleich: Die Welt beherbergt 350 Millionen Hektar Regenwälder, die 70 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert haben – das ist zwar mehr auf die Fläche bezogen, doch haben die ja auch viel mehr pflanzliche Biomasse als so ein Algenwald.

Welche Tiere leben dort?

Seetangwälder haben eine tolle Artenvielfalt. Sie bieten einer Vielzahl von wirbellosen Tieren, Fischen, Meeressäugern und Vögeln einen sehr guten Lebensraum und Nahrungsmöglichkeiten. Zu den wirbellosen Tieren, die man in diesen Wäldern häufig findet, gehören Borstenwürmer, Muscheln, Garnelen, Schnecken und Schlangensterne – die ich super schön finde. Schaut mal, so sehen die aus:

Ein roter Schlangenseestern zwischen Anemonen und auf einem Schwamm

Schlangensterne sind wirbellose Meerestiere, die sich durch ihre langen, schlanken und flexiblen Arme auszeichnen. Diese sehr farben- und formenvariablen Stachelhäuter sind extrem beweglich und navigieren mit schnellen Armbewegungen über den Meeresboden. Ihre einzigartiger Körperbau ermöglicht es ihnen, abgetrennte Arme zu regenerieren.

Ein Seeigel

Auch Seeigel treffen wir dort – die Kühe der Meere, wirklich. Viele Menschen wissen nicht viel über die, außer, dass sie sie lästig finden, weil sie am Strand durchaus eine Gefahr für uns Menschen darstellen, wenn wir hineintreten. Doch sie haben echt eine interessante Ölologie. Sie werden als Meereskühe bezeichnet, weil sie unermüdlich Algen und Unterwasserpflanzen abweiden, ähnlich wie unsere Kühe an Land. Indem sie das Wachstum dieser Wasserpflanzen im Gleichgewicht halten, haben sie einen großen Einfluss auf die Gesundheit von Korallenriffen und anderen Ökosystemen im Meer. Und ja, es gibt durchaus Tiere, für die das stachelige Äußere erst einmal kein Problem darstellt, diese Tiere zu essen: Otter fressen Seeigel, auch Hummer, Kugelfische, bestimmte Seesterne oder so manche Meeresschildkröte lassen sich auch nicht abschrecken.

Aber zurück zu den Algenwäldern. Fische wie der Schwarze Felsenbarsch, der Blaue Felsenbarsch, der Olivfarbene Felsenbarsch (haha ja, ich weiß) und der Seetang-Felsenbarsch sind ebenfalls Bewohner dieser Unterwasserwälder. Meeressäuger wie Seelöwen, Robben und Grauwale jagen dort Beutetiere und verstecken sich auch, falls mal ein größerer Räuber vorbeischwimmen sollte – Schwertwale beispielsweise. Selbst Grauwale verstecken sich dort vor Orcas.

Auch Seevögel finden sich über den Seetangwäldern, sie finden dort ebenfalls reiche Nahrung an wirbellosen Tieren.

Und was haben sie mit dem Klimawandel und CO2 Speicherung zu tun?

Seetangwälder sind aber nicht nur wichtig für die Biodiversität eines Lebensraumes oder für unseren Besuch in einem asiatischen Restaurant. Sie bieten sind wahnsinnig wichtige Kohlenstoffspeicher und echte Pfeiler für die Eindämmung des Klimawandels. Wie oben schon erwähnt binden sie sehr viel CO2, und durch ihr schnelles und effizientes Wachstum von bis zu einem Meter pro Tag tragen sie erheblich zum Klimagleichgewicht bei – auch, indem sie einen großen Teil ihrer Biomasse in die Tiefsee exportieren. Das klappt über gasgefüllte Blasen.

Bestimmt ist euch schon einmal aufgefallen, dass Seetang so "blasig" ist. Also nicht einfach ein gerader Streifen, sondern mit so Ausbuchtungen. So sieht das aus:

Sehr ihr da diese gelblichen Bläschen? Die sind mit Gas gefüllt und helfen dem Seetang, der ja tief unten im Boden wurzelt, aufrecht im Wasser zu stehen. Ein bisschen wie ein gasgefüllter Ballon, der nach oben treibt. Löst sich eine Pflanze aus der Verankerung am Boden, kann sie über große Entfernungen schwimmen, weit weg von ihrem ursprünglichen Wachstumsort. Mit der Zeit platzen die Blasen und die Seetangfragmente sinken auf den Meeresboden. Dort bleiben sie entweder, oder werden von Tiefseelebewesen aufgenommen. Der darin "verbaute" Kohlenstoff ist also meist dauerhaft der Atmosphäre entzogen und bleibt eine Weile im Meer gebunden – vielleicht nur ein paar Jahre, je nachdem, was mit so einer Pflanze passiert, oder vielleicht sogar für Millionen von Jahren.

Klingt alles ziemlich gut, oder? Trotz dieser einzigartigen Eigenschaften wurde die Bedeutung von Seetang für die Kohlenstoffbindung viele Jahre ignoriert, erst in den letzten Jahren passiert dort viel gute Forschung. Es ist auch nicht gerade einfach, genau zu messen, wie viel Kohlenstoff in den Seetangwäldern gebunden und in die Tiefsee exportiert wird. Neue Forschungsstrategien beinhalten die experimentelle Messung der Menge an Makroalgen (wie man Seetang auch nennt), die jedes Jahr dauerhaft in der Tiefsee gebunden wird. Dafür entnimmt man Proben tief aus dem Meer und schaut, wie viel Seetang-DNA dort enthalten ist.

Und wieso sind sie bedroht?

Und jetzt kommen wir zum unangenehmen Teil, der eigentlich sowieso immer schon kommt, wenn man über irgendein Lebewesen redet. Tough times, ne? Natürlich sind die Seetangwälder bedroht, und natürlich haben wir daran Schuld. Sie vertragen die Erwärmung der Ozeane gar nicht gut, und auch die Überfischung bringt die Ökosysteme dieser Wälder durcheinander. Und nicht nur der Mangel an Fischen, die die Seetangwälder "regulieren" ist ein Problem, die abnehmende Biodiversität ist dort an sich schon problematisch. Die verbleibenden Tierpopulationen dort weisen eine beunruhigend geringe genetische Vielfalt auf, was ihre Überlebensfähigkeit in Zukunft bedroht – und damit die Serviceleistungen, die Tiere eben durch "Mähen", Düngen und so weiter den Unterwasserwäldern zur Verfügung stellen.

Aber die Forschung hat es auf dem Schirm. Es gibt mittlerweile verschiedene Projekte, die intensiv an Seetangwäldern und deren Erhalt forscht, vielleicht wollt ihr euch hier ein wenig umsehen:

https://www.theatlantic.com/science/archive/2023/05/kelp-species-seed-bank-preservation/674217/ (Opens in a new window)

Und hier:

https://www.unep.org/resources/report/blue-securing-sustainable-future-kelp-forests (Opens in a new window)

Und falls Englisch nicht so eures ist – ist ja auch kompliziert wissenschaftliche Fakten in einer Fremdsprache zu lesen – gibt es hier auch Infos auf Deutsch:

Und sonst so?

Bleiben wir gerade mal im Meer. Es gibt ein neues Schutzabkommen für die Hochsee >> (Opens in a new window)

Ähm, und ich bin in der Forschung zurück. Wollte ich eigentlich nicht, aber wer zählt und bestimmt denn sonst die ganzen kleinen Staphyliniden (=Kurzflügelkäfer)? Nur wenige Menschen interessieren sich für sie, selbst ich wollte eigentlich zu den Pilzen wechseln, aber die Entomolog:innen haben ihre kleinen Fühler und Füßchen nach mir ausgestreckt (ne Moment, das waren die Käfer), und jetzt bin ich wieder zurück bei den Insekten mit einer, wie ich glaube, sehr coolen Idee für ein Forschungsprojekt, über das ich bestimmt auch mal erzähle.

Nun, jedenfalls sieht mein Alltag neben dem Schreiben und allem nun so aus:

... und ich lieb's komplett.

Hier noch ein kleines Interview von mir an, naja, mich, um ein paar Dinge zu klären. Triggerwarnung Suizidalität.

Hallo, Jasmin Schreiber, ich ...

Ja, ich bin auch Jasmin Schreiber.

Ich weiß.

Ich führe das Interview mit mir selbst.

Auch das weiß ich.

Weiß nicht, ob man damit einen Preis für geistige Gesundheit verliehen bekommt.

So einen Preis gibt es zum Glück gar nicht.

Auch wieder wahr.

Darf ich jetzt?

Bitte sprich weiter.

Also. Wo warst du die letzten Wochen? Du hast doch gesagt, du seist zurück.

Das ist korrekt. Immer nice, sowas zu sagen, und dann abzutauchen.

Wo warst du denn?

Bin mit meinem coolen Buddy namens Depression um die Häuser gezogen.

Also ich ruf den ja nicht mehr an.

Gute Strategie. Jedenfalls bin ich dann leicht in eine schwere Depression gestrauchelt, mit so ekligen Sachen wie bloß-keine-Suizidgedanken-haben.

Denkt man dann nicht eher dran?

Ja, ungünstige Sache. Gibt aber gute Hilfestellungen dafür. Wenn alles total überfordernd ist, jemanden bitten, für einen bei Ärzt:innen anzurufen. Hab mich jedenfalls aus allem rausgezogen und jetzt geht es mir etwas besser.

Das ist ja super! Bist du also wieder mit voller Kraft zurück?

Ne, mein Kumpel Depression lungert noch vor meinem Haus herum. Ich beobachte ihn vorsichtig. Der guckt immer so komisch.

Oh. Na ja. Aber körperlich wieder alles okay, da war ja auch ...

Ehrlich gesagt auch ungut, vll bald wieder Operation, dies das.

Das ja nicht so gut.

Ne, aber aushaltbar. Es gibt auch schöne Sachen.

Welche?

Wieder zu forschen, außerdem haben meine Tausendfüßer Babies bekommen und die sind so süß, dass ich mir die Augen auskratzen will vor Liebe. Schau mal, das eine ist ein Erwachsener Bumblebee Tausi, und das andere sind Jungtiere von verschiedenen Arten, die sind noch ganz weiß:

Baby-Tausendfüßer

Mach mal lieber nich' mit dem Auskratzen. Aber liebmausig sind sie.

Na gut. Aber schau mal, ich habe hier ein Reel gemacht mit Tipps, wie man gute Naturfotos macht, ohne teuren Shit zu kaufen. Rausgehen und Naturfotos machen ist nämlich eine Sache, die mich sehr gut beim Herauskommen aus einer Depression unterstützt. Ist auch gar nicht schwer und man muss gar nicht weit, vll erstmal in der Wohnung aus dem Fenster, dann vor der Haustür, kleine Schritte. Hier gibt's den Link >> (Opens in a new window)

Das ist ja cool, stimmt also gar nicht, was viele Leute auf Youtube sagen, dass man eine teure neue Kamera und teure Objektive braucht, um gute Naturfotos zu machen?

Ne, das ist 'ne Lüge. Die beste Kamera ist immer die, die man gerade da hat. Handy, alte Kamera, alles prima. Einfach loslegen.

Prima.

Wollt noch was sagen.

Was denn?

Danke an alle Unterstützer:innen, die den Newsletter finanziell unterstützen, obwohl ich chronisch krank und manchmal weg vom Fenster bin. Aber ich komme immer wieder.

Selbst, wenn du dich in einen Wurm verwandeln würdest?

Auch Würmer können Tippen.

Wie denn?

Mit dem Kopf. Ding Dong Dong, immer druff auf die Taste.

Okay. Und selbst, wenn du irgendwann mit 100 nach deinem Tod aus dem Grab rauskriechen müsstest? Machst du dann auch weiter?

Ja, wie ein Zombie. Direkt aus dem Grab an den Rechner, Schreibers Naturarium schreiben.

Eklig, danke für die Einblicke.

Sonst noch Fragen?

Ne, denke das ist genug Selbstgespräch für heute.

Gott sei Dank.

Dann bis zum nächsten Mal.

Ungern, bye.

... nett.

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