Die Bühne gehört dem Antisemitismus
Wenn Popkultur auf Antisemitismus trifft
Wenn Macklemore im Juli auf dem Deichbrand Festival in Cuxhaven die Bühne betritt, ist das nicht nur eine musikalische Entscheidung. Es ist ein Statement – allerdings kein gutes. Der US-Rapper, der sich in den letzten Jahren als besonders „woke“ inszenierte, verbreitet in seinem Track Hind's Hall antisemitische Narrative, die direkt aus dem Propaganda-Baukasten der sogenannten BDS-Bewegung stammen. Trotzdem (oder gerade deshalb?) darf er auftreten. Der Festivalveranstalter schweigt sich aus. Die Mehrheit scheint mit den Schultern zu zucken. Und damit kann sich der strukturelle Antisemitismus in der deutschen Kulturlandschaft einmal mehr auf großer Bühne zeigen.
Vom Antikapitalismus zur Dämonisierung
In Hind’s Hall rappt Macklemore zum Beispiel über den studentischen Protest an der Columbia University, wo pro-palästinensische Besetzer:innen antisemitische Slogans skandierten, wie „From the River to the Sea“ – ein Code für die Auslöschung Israels. Macklemore solidarisiert sich mit diesen Gruppen und wirft der Universität vor, „Zionisten“ zu unterstützen. Zionismus versteht er dabei nicht als politisches Konzept, sondern zur Chiffre für ein allumfassendes Böses. Der Begriff „Zionist“ steht in seinem Text nicht für eine politische Strömung, sondern als Synonym für Macht, Unterdrückung und Korruption – klassische antisemitische Bilder, in eine neue Rhetorik verpackt.
In seinen Lyrics heißt es:
„You weaponize the antisemitism to silence what you fear / 'Cause you know the people will rise when the truth gets revealed.“
Was hier wie antikolonialer Widerstand klingen könnte, ist in Wahrheit die uralte Erzählung vom allmächtigen Juden, der Kritik unterdrückt und die Welt manipuliert. Macklemore wirft nicht nur israelischen Institutionen, sondern gleich einer ganzen Bewegung – dem Zionismus – vor, eine zensierende, gewalttätige Macht zu sein, gegen die sich das „Volk“ erheben müsse. Spätestens da ist der Schulterschluss mit antisemitischer Verschwörungsrhetorik nicht mehr zu leugnen. Auf Social Media wird der Track gefeiert. Palästina-Aktivist:innen, BDS-Anhänger:innen und linke Influencer:innen überbieten sich gegenseitig im Lob für Macklemore. Dabei ignorieren sie, dass der Song nicht nur politische Kritik übt, sondern gezielt antisemitische Bilder bedient. Dass der Rapper im selben Atemzug Judenfeindschaft als erfundene Waffe bezeichnet, ist kein Missverständnis. Es ist ein Statement. Und ein kalkuliertes.
Und wie reagiert das Deichbrand Festival?
Gar nicht, im Grunde. Trotz wachsender Kritik, trotz der Intervention jüdischer Organisationen, trotz der Bitte um ein klares Statement bleibt man bei der altbewährten Ausrede der “Kunstfreiheit.” ein bekanntes Muster, viele Veranstaltende, hoffen, das Problem löse sich von selbst. Dass der Sommer schon alles vergessen macht, bei Bier, Bass, Bändchen. Dass sich niemand erinnert, niemand stört. Dass Haltung „zu viel verlangt“ ist, weil man ja nicht „polarisieren“ wolle. Dabei liest sich die Festivalpolicy wie ein Diversity-Lehrbuch. Keine Form von Diskriminierung werde geduldet. Es sei ein sicherer Raum für alle. Damit sind offensichtlich keine Jüdinnen und Juden gemeint.
Von Kanye lernen heißt verlieren lernen
Macklemore ist kein Einzelfall. Kanye West hat mit offenem Judenhass Millionen gemacht. Roger Waters tourt weiterhin mit antisemitischen Inszenierungen durch Europa. Und nun Macklemore, der sich mit seinem Song in eine Reihe stellt, in der sich Jüdinnen und Juden nicht mehr sicher fühlen können – weder im Club noch im Festivalgraben. Dass ein Künstler mit solchen Texten in Deutschland eine Bühne bekommt, zeigt das Antisemitismus nicht ein Randproblem darstellt. Antisemitismus ist spätestens seit dem 07. Oktober 2023 anschlussfähig, salonfähig – und kulturell anschlussfähig. Vermeintlich Linke dürfen plötzlich „Zionist“ sagen, ohne Widerspruch zu erfahren. Wer sich auf palästinensischen Widerstand beruft, darf Jüdinnen und Juden dämonisieren – und wird dafür von einer breiten Masse unkritisch gefeiert.
Kritik? Nur, wenn’s sich lohnt
Kritik in Kulturbetrieben ist nur attraktiv, wenn es sich lohnt. Mit Diversität, Awareness, Safe Spaces plakatiert man so lange sein Image, wie es in den Businessplan passt. Geht es aber um jüdisches Leben, um die Sicherheit von Jüdinnen und Juden, um die Verantwortung gegenüber Antisemitismus? Dann schweigt man lieber. Denn Kritik an Antisemitismus, das zeigt der Fall Macklemore, ist nicht en vogue. Sie stört das Narrativ. Und das Geschäft.
Zum Hintergrund & zur Vertiefung:
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/zentralrat-der-juden-deichbrand-festival-fuer-juden-kein-sicherer-ort-mehr/ (Opens in a new window)https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/macklemore-kritik-am-auftritt-beim-deichbrand-festival-110410836.html (Opens in a new window)https://www.ndr.de/kultur/musik/Soziologe-Geck-zu-Aussagen-von-Deichbrand-Headliner-Macklemore-klar-antisemitisch,macklemore360.html (Opens in a new window)