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Mordechai Strigler

Mordechai Strigler, der 1998 als 80-Jähriger in New York starb, war ein Schriftsteller, Journalist und Überlebender der Shoah. Er schuf mit seiner Buchreihe „Verloschene Lichter“ ein literarisches Denkmal für die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.

Bereits kurz nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald im April 1945 begann er seine Erfahrungen in den Lagern literarisch zu verarbeiten. Er beschreibt die Lagerorganisation und das Lagerleben sowie den Umgang der jüdischen Gefangenen untereinander. 

Der beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Warschau ansässige Strigler, war nach Einmarsch der Deutschen zur Zwangsarbeit in unterschiedliche Arbeitslager geschickt worden. Er überlebte zwölf davon und emigrierte kurz nach seiner Befreiung nach Paris. Er selbst war mit der Zeit in „privilegiertere“ Kreise der jüdischen Lagerverwaltung aufgestiegen. Eltern und drei von sieben Schwestern wurden Opfer der Nazis. 1952 ging er nach New York und arbeitete bis zu seinem Tod für jiddische Zeitungen.

Nach „Majdanek“, „In den Fabriken des Todes“ und „Werk C“ erschien nun der vierte und letzte Teil der Tetralogie in deutscher Erstausgabe. Das Buch heißt „Schicksale“ . Die Bücher waren zuvor nur auf Jiddisch veröffentlicht worden. In „Schicksale“ berichtet Strigler von den letzten Monaten in den HASAG-Werken im besetzten Polen, als die Munitionsfabrik letztendlich geschlossen und die Häftlinge im August 1944 nach Deutschland „evakuiert“ wurden.

Es ist dem Herausgeber Frank Beer und der Übersetzerin Sigrid Beisel zu verdanken, dass diese Publikationenen nun auf Deutsch erscheinen. Beer, der bereits andere, nie auf Deutsch erschienene Augenzeugenberichte aus den Vernichtungslagern für deutsche Leser zugänglich gemacht hat, widmet sich dankenswerterweise diesen historischen Schätzen, um sie dem Vergessen zu entreißen.

In seinen Zeitzeugenberichten beschreibt Strigler die grausamen Umstände, unter denen die jüdischen Gefangenen im Zwangsarbeiterlager der Hugo und Alfred Schneider AG (HASAG) Munition für den Krieg herstellen mussten. Die HASAG war ein in Leipzig ansässiges metallverarbeitendes deutsches Unternehmen, das auch als Rüstungskonzern vor allem nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion von großer Bedeutung war. Die Fabrik war Munitionshauptlieferant im Osten, mehr als 10 000 Menschen arbeiteten im Lager.

Striglers Bücher sind keine nüchterne Beschreibung des Alltags der jüdischen Häftlinge, sondern eine Aufarbeitung des Erlebten. Neben den Tatsachenschilderungen versucht Strigler in einem belletristischen Teil die erlebten Grausamkeiten zu beschreiben. Die Zwangsarbeit war gesundheitsgefährdend und wurde von sadistischen Mördern überwacht. Arbeiter, die als nicht mehr arbeitsfähig erachtet worden waren, wurden in den Wäldern der Umgebung erschossen. Über 20 000 jüdische Zwangsarbeiter fielen den Verhältnissen dort zum Opfer. Meist starben sie innerhalb von drei Monaten nach ihrer Ankunft, da die benutzten Säuren zu schweren Vergiftungen führten und für Juden keine Schutzkleidung vorgesehen war.

Am Ende des Krieges wurden tausende Häftlinge aus den HASAG-Werken auf Todesmärsche geschickt. 1948 wurden 25 Mitarbeiter der HASAG vor Gericht gestellt und verurteilt. Der Chef des Werkes konnte nach dem Krieg untertauchen und wurde nie gefasst. Inzwischen begann man im Stammwerk Leipzig Kochtöpfe, Milchkannen, Lampen und ähnliches zu produzieren. Der VEB Leuchtenbau Leipzig hatte die Rechte an der Firma HASAG, die erst 1974 gelöscht wurde.

Striglers Bücher sind keine einfachen Schilderungen des Alltags der jüdischen Häftlinge, sondern er beschreibt mit dem scharfen und bitteren Blick seines teilweise autobiographischen Protagonisten „Mechele“ - genauestens - sowohl die Opfer als auch die Täter.

Ganz besonders in den Vernichtungslagern galt:„Homo homini lupus“ – Der Mensch ist des Menschen ein Wolf.

Nichts für zart besaitete Gemüter.

 

 

Ernst Reuß

 

 

Mordechai Strigler (Hg. Frank Beer), Majdanek, Verloschene Lichter. Ein früher Zeitzeugenbericht vom Todeslager. Aus dem Jiddischen von Sigrid Beisel, Deutsche Erstausgabe März 2016, 228 Seiten, Paperback, 24,00 €.

Mordechai Strigler (Hg. Frank Beer), In den Fabriken des Todes, Verloschene Lichter II. Ein früher Zeitzeugenbericht vom Arbeitslager Skarzysko-Kamienna. Aus dem Jiddischen von Sigrid Beisel, Deutsche Erstausgabe Juni 2017, 400 Seiten, Paperback, 29,80 €.

Mordechai Strigler (Hg. Frank Beer), Werk C, Verloschene Lichter III. Ein Zeitzeugenbericht aus den Fabriken des Todes, Aus dem Jiddischen von Sigrid Beisel, Deutsche Erstausgabe Oktober 2019, 460 Seiten, Paperback, 32,00 €.

Mordechai Strigler (Hg. Frank Beer), Schicksale. Verloschene Lichter IV. Ein früher Zeitzeugenbericht über die Opfer der Schoah, Aus dem Jiddischen von Sigrid Beisel, Deutsche Erstausgabe Januar 2024, 694 Seiten, Paperback, 48,00 €.

Topic Shoa/Judentum

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