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Jüdisch in der DDR

Im Jüdischen Museum Berlin wird bis 14. Januar 2024 die Ausstellung „Ein anderes Land. Jüdisch in der DDR“ gezeigt. Es ist die erste große Ausstellung über jüdische Erfahrungen in der DDR.

Die allermeisten überlebenden deutschen Jüdinnen und Juden zogen nach der Schoah ein Leben außerhalb Deutschlands vor. Nur wenige entschieden sich für die DDR. Es waren meist Kommunisten, die dort ein besseres Deutschland aufbauen wollten. Für die DDR war nicht ihr Judentum entscheidend, sondern ihre politische Loyalität. „Opfer des Faschismus“ bekamen weniger Rente als „Kämpfer gegen den Faschismus“. Wiedergutmachungen wurden Juden nicht gezahlt. Es war nicht gewünscht Juden als eigene Opfergruppe anzusehen, vielmehr wurden die Opfer in den KZ‘s und Vernichtungslagern als „Häftlinge aus allen europäischen Ländern“ bezeichnet und als Teil des Widerstands betrachtet.

Zwar förderte die DDR 1953 die Wiedereröffnung der Berliner Synagoge in der Rykestraße, aber die Sanierung des historisch bedeutenderen Baus in der Oranienburgerstraße begann erst in den Achtzigerjahren.

Mit der jüdischen Religion hatten viele Remigranten nicht sehr viel zu tun.  Antisemitismus sollte eigentlich in dieser Gesellschaft keinen Platz mehr haben. Doch im real existierenden Stalinismus kam es anders. Zwar hatten viele jüdische Intellektuelle Anteil an Kultur und Politik der DDR, aber jeder war verdächtig.  Kontakte in den Westen oder nach Israel machten sehr verdächtig. Für polyglotte, dem Internationalismus zugewandte Remigranten ein Problem. Für die DDR war Israel imperialistisch, mit dem anständige Juden nichts gemein haben sollten.  

Hunderte Jüdinnen und Juden mussten 1952 zur Zeit der Slansky-Schauprozesse aus der DDR wieder fliehen.  Stalinistische Säuberungen betrafen insbesondere Juden als Teil einer „zionistischen Verschwörung“. Rudolf Slansky, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und 13 weitere hochrangige jüdische Funktionäre des Landes wurden angeklagt. Der Prozess war unverhohlen antisemitisch und führte zur Todesstrafe für die meisten der jüdischen Angeklagten. Zur selben Zeit führte Stalin in der Sowetunion eine Kampagne gegen ein angebliches Komplott von Medizinern vor allem jüdischer Herkunft, die sogenannte Ärzteverschwörung.

Julius Meyer, ein frühes Mitglied der Kommunistischen Partei und Auschwitz-Überlebender, flüchtete im Januar 1953 mit vielen anderen ostdeutschen Juden in den Westen. Man schätzt, dass bis zu einem Drittel der Juden in der DDR in dieser Zeit flohen. Eine SED Funktion nützte da nichts. Als Jude wurde man verdächtigt ein imperialistischer West-Agent zu sein oder galt als Zionist. US-Spion wurde man, wenn man von jüdischen Hilfsorganisationen aus den USA Hilfspakete annahm.

Vielen Nachkommen der Remigranten, wurde ihre jüdische Herkunft erst so nach und nach bewusst. Die Ausstellung und der Katalog zur Ausstellung zeigen ihre Suche nach der eigenen Identität und eröffnet Einblicke in das Leben von Jüdinnen und Juden in der DDR. Dabei werden Biografien mit ausgesprochen interessanten Ausstellungsstücke aus bildender Kunst, Film und Literatur verknüpft. Nachkommen von jüdischen Remigranten wie André Herzberg oder Marion Brasch steuern ihre Exponate zur Ausstellung bei. Der Katalog enthält spannende Artikel, wie zum Beispiel den sehr lesenswerten Text von Barbara Honigmann.

 

 

Ernst Reuß

 

 

Ein anderes Land. Jüdisch in der DDR. Jüdisches Museum Berlin, bis zum 14. Januar 2024. Eintritt 8 Euro, ermäßigt 3 Euro. Der Katalog (272 Seiten) kostet 28 Euro.

Topic BRD und DDR

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