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Ernst Toller

„Eine Jugend in Deutschland“ ist die Autobiographie eines Mannes und ein sehr spannendes Stück deutscher Geschichte.

Als Freiwilliger zieht Ernst Toller begeistert in den Ersten Weltkrieg und kehrt - wie so viele andere auch - als bekennender Pazifist zurück. Toller stürzt sich in die politische und künstlerische Arbeit. Er lernt unter anderen Max Weber, Thomas Mann sowie Rainer Maria Rilke kennen und schließt sich einer Gruppe von linken Kriegsgegnern in München an, zu denen Erich Mühsam, Oskar Maria Graf und Kurt Eisner (Opens in a new window) gehören. Im November 1918 wird er in München einer der Anführer der nur kurz existierenden Münchner Räterepublik, die er zusammen mit Erich Mühsam und Kurt Landauer gegründet hatte. Der 1893 geborene Ernst Toller war nach der Ermordung Kurt Eisners (Opens in a new window) auch zeitweiliger Vorsitzender der bayerischen USPD. Nach der Niederschlagung der Räterepublik wurde er im Juni 1919 verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Er entging mit dem einen Monat später gefällten Urteil knapp der drohenden Todesstrafe und wird zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Als er am 15. Juli 1924 das Gefängnis lebend verlässt - was nicht jedem seiner Genossen gelingt - ist Ernst Toller auch aufgrund seiner literarischen Erfolge eine nationale Berühmtheit. Toller verbüßte den größten Teil seiner Haftzeit im Gefängnis Niederschönenfeld. Er nutzte die langjährige Haft sehr produktiv, wobei es nicht immer einfach war seine Bücher aus dem Gefängnis herauszubekommen. Während und nach seiner Gefängniszeit wurde er als Schriftsteller in der Weimarer Republik und durch die vielen Übersetzungen auch international sehr bekannt. Mit seiner Geschichtsrevue „Hoppla, wir leben!“ eröffnete 1927 die Piscator-Bühne im Berliner „Theater am Nollendorfplatz“, die zum Inbegriff des Avantgardetheaters der 1920er Jahre wurde.

„Ich bin dreißig Jahre. Mein Haar wird grau. Ich bin nicht müde.“, schreibt er am Ende der Haft.

Doch nicht lange danach ist er müde. Sechs Jahre nach Hitlers Machtergreifung erhängte er sich nach schweren Depressionen im Alter von 45 Jahren in New York in einem Zimmer des Mayflower Hotels am Central Park. Einen Strick hatte er schon in den Jahren zuvor bei seinen Reisen immer dabei.

„Eine Jugend in Deutschland“ wurde gerade in der „Anderen Bibliothek“ neu aufgelegt. Seit 1985 gibt es „die Andere Bibliothek“. Dort gibt es zwölf limitierte und besondere Bücher im Jahr. Ein Buch pro Monat, auf dessen Herstellung und Ausstattung die höchste Sorgfalt verwendet wird. Ediert und erläutert wird Tollers Autobiographie von Ernst Piper. Im Buch sind zahlreiche historische Abbildungen, Faksimiles und Dokumente.

Nach 1933 war der jüdischstämmige Toller aus Deutschland ausgebürgert worden. Er galt als „Volksverräter“. Ähnlich denkende und in deutschen Parlamenten sitzende Politiker wollen das nach ihrer Machtübernahme auch jetzt wieder tun.

Nach mehreren Exilstationen kam er 1937 in die USA. Er muss angesichts der Erfolge der Nazis vor seinem Suizid sehr verzweifelt gewesen sein. Vor denen hatte er bereits in den 1920er Jahren gewarnt. In dem Buch heißt es:

„Um den Mann Adolf Hitler scharen sich unzufriedene Kleinbürger, frühere Offiziere, antisemitische Studenten und entlassene Beamte. Sein Programm ist primitiv und einfältig. Die Marxisten und die Juden sind die inneren Feinde und an allem Unglück schuld, sie haben das unbesiegte Deutschland hinterrücks gemeuchelt und dann dem Volk eingeredet, Deutschland hätte den Krieg verloren.“

„Eine Jugend in Deutschland“ ist nicht nur wegen der schönen Prosa gerade heute wieder ausgesprochen lesens- und bedenkenswert! Die bibliophile Ausgabe seines Buches schmückt zudem jede Bibliothek.

 

 

Ernst Reuß

 

 

Ernst Toller, Eine Jugend in Deutschland, Aufbau Verlag, Die Andere Bibliothek, Band 469, Herausgeber Ernst Piper, Berlin 2024, 348 Seiten, 48 €.

Topic Krieg/Nazis

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