Skip to main content

Die Folgen des Abtreibungsverbots in den USA– und wie Hochschulen Studentinnen helfen

Von Klaus Martin Höfer

Studentinnen, die eine Schwangerschaftsunterbrechung vornehmen lassen wollen, können dies auch weiterhin – nur nicht unbedingt in dem Bundesstaat, in dem sie studieren. Wer Geld hat, kann in einen anderen Bundestaat fahren oder fliegen. Für ärmere Studierenden kann die fehlende Möglichkeit einer Abtreibung das Studien-Aus bedeuten. Aktivistinnen fordern, dass Colleges ihre Studentinnen bei dieser Frage nicht alleine lassen sollen.

Die Soziologin Ilana Horwitz von der Tulane Universitätin New Orleans hat zusammen mit ihren Kolleginnen Kaylee Matheny und Natalie Milan Daten aus Befragungen von junge Studierenden ausgewertet. Die Wissenschaftlerinnen sind sich sicher, dass Abtreibungsverbote die Bildungspläne von Millionen US-Amerikanerinnen und Amerikaner unterbrechen oder ganz unmöglich machen werden, vor allem solche aus einem Elternhaus mit niedrigem Einkommen sowie Angehörige ethnischer Minderheiten.

Denn schon jetzt stehen ungewollte Schwangerschaften an erster Stelle als Ursache von Studienabbrüchen (andere Gründe sind Finanzprobleme, Überforderung im Studium, Gesundheitsprobleme, der Wunsch zu arbeiten). Besonders die Studierenden in "Community Colleges" sind von ungewollten Schwangerschaften betroffen – etwa die Hälfte der von den Sozologinnen befragten. Viele unterbrechen erst einmal ihr Studium, um Geld für die junge Familie zu verdienen; die meisten kehren nicht ans College zurück. In einem System, in dem es keine standardisierte Berufsausbildung für Facharbeiter gibt, sind Community College für viele Studierende aus eher bildungsfernen und finanziell geplagten Elternhäusern der einzige Weg, einen (Bachelor-)Abschluss zu erzielen, oft in einem praxisbezogenen Studiengang, und damit eine besser bezahlten Arbeitsplatz zu bekommen. Viele können sie ihr Studium nur leisten, weil sie zum Teil Vollzeit arbeiten. Studentinnen, denen es finanziell besser geht, geben nur halb so oft auf wie ihre ärmeren Kommillitoninnen. Bestehende Ungleichheiten könnten durch die fehlenden Möglichkeit für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch verstärkt werden, schreiben die Soziologinnen.

Tulane: Leitfaden für Professoren

Die Bildungssoziologin Ilana Horwitz, eine der Autorinnen der Studie, hat für die Tulane University, wo sie lehrt, einen Leitfaden für Professoren zusammengestellt – sie sollen Rücksicht nehmen, wenn Studierende wegen des Schwangerschaftsabbruchs fehlen. An der Tulane Universität gibt es bereits einen Leitfaden, wie durch ein "verständnisvolles Organisieren" des Studiengangs auf religiöse Verpflichtungen von Studierenden Rücksicht genommen werden kann. 

So darf es zum Beispiel nie zu einem Konflikt bei der Einhaltung religiöser Feiertage und der Abgabe einer Prüfungsleistung kommen. Es sei "niemals akzeptabel", dass Dozenten ihre Studierenden zu einer solchen Entscheidung zwingen. Studierende sind auf der andere Seite verpflichtet, in den ersten zwei Wochen des Semester darauf hinzuweisen, dass sie an bestimmten religiöse Feiertagen nicht anwesend sein werden. Dozenten müssen ihnen Gelegenheit geben, Unterrichtsstoff nachzuholen, und Studierende müssen sich bereit erklären, dies zu tun.

Diese offizielle Politik von Tulane hat Horwitz sich zum Vorbild genommen, um ähnliche Verhaltensmaßnahmen aufzustellen, wenn es darum geht, Frauen zu helfen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen. Horwitz schränkt ein, dass die keine verbindliche Handlungsanweisung der Hochschule ist, wirbt aber bei ihren Kolleginnen und Kollegen, es so zu handhaben. Die Soziologin betont, dass sich die Aufhebung der Roe vs Wade-Entscheidung "erheblich" auf Frauen auswirke, aber auch indirekt Männer betreffe. Insofern gelte die Selbstverpflichtung der Dozentin nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer, die ihre Partnerinnen unterstützten. Horwitz geht davon aus, dass Studentinnen nicht ortsnah einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen können. 

Sie verpflichtet sich, den Zugang zu einer entsprechenden Einrichtung zu ermöglichen, ohne dass die Betroffenen "Strafen" im Studium zu befürchten hätten. Sollten Reisen notwendig sein, entschuldigt die Dozentin die Abwesenheit und stellt Arbeitsmaterial zur Verfügung, um Versäumtes nachzuholen. Entsprechendes werde sie individuell für die Studierenden vorbereiten.

Tulsa: Handreichung für die Hochschulleitung

Die Jura-Professorin Janet Koven Levit von der Universität von Tulsa/Oklahoma hat eine Handreichung entworfen, die allerdings eher hilflos klingt angesichts des wirtschaftlichen und politischen Drucks, dem die Colleges ausgesetzt sind. Sie fordere nicht, dass Hochschulen das Gesetz brechen sollten, schreibt Levit. Sie verstehe, dass die College-Leitungen wegen der ihnen übertragenen Verantwortung nur ein begrenztes Risiko eingehen könnten, fährt Levit in einem bemüht verständnisvollen Tonfall fort. Sie spricht das Risiko an, dass bei einem so kontroversen Thema College-Leitungen möglicherweise um Spenden und Zuschüsse fürchteten und sie deswegen ihre Meinung eher nicht öffentlich kundtäten. Dennoch gebe es viel, was die Führungskräfte für ihre Studierenden tun könnten – und alles im legalen Bereich.

Levit ist nicht nur Jura-Professorin. Sie engagiert sich auch in verschiedenen Initiativen und Einrichtungen, die Frauen beim Wahrnehmen ihrer "reproduktive rights" helfen wollen, wie das Recht zum Schwangerschaftsabbruch oft umschrieben wird. Ihr Aufruf richtet sich vor allem an die Hochschulleitungen, wobei sie vier Punkte herausstellt: 

"Zeige Mitgefühl." Viele junge Frauen, die als Studentin an die Universität kämen, fühlten sich verwundbarer, exponierter und weniger stark mit geringerer Kontrolle über ihren Körper und ihr Schicksal. Hochschulleitungen müssten dies thematisieren, ob durch öffentliche Äußerungen oder interne Aktionen.

"Gebe den Angestellten Hilfestellung." Es werde ungewollte Schwangerschaften geben – und dann suchten die Studentinnen Beratung. Doch die Berater müssten dann wissen, was sie tun dürfen in ihrem Bundesstaat. Ist es legal, an eine örtliche Klinik zum Schwangeschaftsabbruch zu verweisen oder auf Internetseiten, die darüber informieren? Macht sich das College strafbar, wenn es Studentinnen zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch in einem anderen Bundesstaat verhilft? Dazu müsse das College den eigenen Mitarbeitern klare Anweisungen und Informationen geben – und die könnten sich nicht nur von Bundestaat zu Bundesstaat unterscheiden, sondern auch von College zu College, mahnt Jura-Professorin Levit an. 

"Maßnahmen zur Geburtenkontrolle, Schwangerschaftstests und Gesundheitsfürsorge für Frauen verstärken." Verkaufsautomaten für Verhütungsmittel, "die Pille danach" und Schwangerschaftstest sollten kostenlos zur Verfügung gestellt werden, sagt Levit. Ein Beratungstelefon müsse rund um die Uhr besetzt sein. Im ersten Studienjahr sollten Studienanfängern umfassende Informationen vermittelt werden. 

 "Interne Regeln deutlicher formulieren." Dabei geht es Levit vor allem darum, Denunziationen zu verhindern. Texas hat als erster Bundesstaat in sein Anti-Abtreibungsgesetz geschrieben, dass alle, die Frauen bei einem Schwangerschaftsabbruch helfen, ob durch Informationen, Beratung, als Fahrer oder als Arzt, von jedem, der dies mitbekommen hat, verklagt werden können. Werden sie verurteilt, droht diesen Helfern eine Strafe von 10 000 Dollar, die sie an den Kläger zu zahlen haben. In dieser Atmospäre könnten Vorsicht und Misstrauen die Beziehungen und das Vertrauen in einer College-Gemeinschaft untergraben, befürchtet Levit wohl zurecht. Es müsse daher klare Regeln in den Richtlinien des College geben, um dies zu verhindern. So sollen, schlägt Levit vor, Gesprächssituationen definiert werden, die als vertraulich definiert werden müssten, um so kein "Futter" für die "Kopfgeld-Klagen" zu liefern. Levit hofft, dass dies ein Mittel ist, die jeweiligen Landesbestimmung auszuhebeln. 

So darf es zum Beispiel nie zu einem Konflikt bei der Einhaltung religiöser Feiertage und der Abgabe einer Prüfungsleistung kommen. Es sei "niemals akzeptabel", dass Dozenten ihre Studierenden zu einer solchen Entscheidung zwingen. Studierende sind auf der andere Seite verpflichtet, in den ersten zwei Wochen des Semester darauf hinzuweisen, dass sie an bestimmten religiöse Feiertagen nicht anwesend sein werden. Dozenten müssen ihnen Gelegenheit geben, Unterrichtsstoff nachzuholen, und Studierende müssen sich bereit erklären, dies zu tun.

https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/15365042211058133 (Opens in a new window)

Topic Studierende

0 comments

Would you like to be the first to write a comment?
Become a member of Higher Ed USA and start the conversation.
Become a member