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Bottle Shops im Umbruch

Wer heute Bierspezialitäten verkaufen will, kommt an der Inszenierung nicht vorbei. Aber ist das wirklich der Ausweg aus der Krise?

Happy Birthday Beyond Beer. Bierglas vor dem Store. Foto: Regine Marxen

Neun Jahre Biervielfalt in Dosen. Anfang Juni feierte das Bierfachgeschäft Beyond Beer (Opens in a new window) in der Hamburger Weidenallee Geburtstag. Der Bottle Shop ist die Adresse für ausgewählte, internationale und nationale Bierspezialitäten. Angesagte Bierlabels und Brauereien wie Verdant, Basqueland Brewing, SOMA, Cloudwater Brew Co., Omnipollo, Brouwerij 3 Fonteinen oder Põhjala sind hier zu finden, genauso wie Biere von Buddelship, Orca oder Schneeeule. Beyond Beer ist ein Paradies für Beer Nerds & Craftbeer-Kenner. Die wissen, dass Aromahopfen-orientierte Bierstile wie IPAs am besten kühl in der Dose gelagert werden und dass handwerklich gebraute Biere ihren Preis haben. Die Rohstoffe sind teuer, hinzu kommen die Energie- und Transportkosten. Mit den Niedrigpreisen der Industriebrauereien können mittelständische, Mikro- und Nano-Brauereien sowieso nicht mithalten und der Bottle Shop will am Ende auch daran verdienen. Logisch.

Der Craftbeer-Markt stagniert

Läden wie Beyond Beer haben ihre Stammkundschaft. Sie ist fachkundig, trendbewusst und liquide. Das Problem: Die bierverliebte, wenig preissensible Crowd wächst nicht. Der Craftbeer-Markt stagniert. Während bis 2020 laut Statista (Opens in a new window)die Anzahl der Mikrobrauereien bundesweit auf rund 900 anstieg, blieb der Anteil der Konsumenten, die regelmäßig Craftbeer trinken, weitestgehend konstant im niedrigen Bereich. Im Jahr 2021 gab es in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren rund 0,43 Millionen Personen, die ca. einmal pro Woche Craftbeer konsumierten. 2023 sank die Anzahl an Mikrobrauereien in Deutschland auf 856. Der Marktanteil von Craftbeer liegt bei 1,7 Prozent.

Der Kuchen wird nicht größer, aber immer mehr wollen daran verdienen

Was heißt das? Der Kuchen wird nicht größer, aber immer mehr möchten daran verdienen. Gleichzeitig sorgt die Inflation für ein erhöhtes Preisbewusstsein beim Verbraucher. Die Biere für daheim kaufen viele von ihnen im Discounter, beim Getränkehändler oder bei ihrem Lebensmittelhändler. Craftbeer konkurriert hier direkt mit den günstigeren TV-Bieren.

All das macht die wirtschaftliche Lage für Bottle Shops nicht einfacher. Hinzu kommt, dass der Onlinehandel für Bierspezialitäten in der Coronazeit Kunden gewonnen hat. Die bleiben auch nach Corona treu, bestätigt Craftbeer-shop.de (Opens in a new window)-Gründer und Geschäftsführer Julian Meyer (Opens in a new window) im HHopcast-Podcast-Interview.

https://open.spotify.com/episode/1HhzESN7dex2xTxV4C1vln?si=ed8cb68c983f4540 (Opens in a new window)

Viele Brauereien haben zudem während der Pandemie eigene Onlineshops aufgebaut. Bottle Shops müssen sich also überlegen, wie sie sich behaupten, Kunden binden und neue Zielgruppen ansprechen.

https://youtu.be/mV8ULvchP5E?si=bb8ZKusOb1nAQMPc (Opens in a new window)

9 Jahre Beyond Beer: Ruggero Daleno (Opens in a new window) im Kurzinterview

Die Lösung: mehr Events, mehr Erlebnis

Beyond Beer-Storemanager Ruggero Daleno (Opens in a new window) setzt in seinem Bottle Shop neben der Bierauswahl und Bier-Abo-Paketen für Beer-Nerds auf Events. Punk am Mittwoch, Beer-Food-Tastings und ausgewählte Biere vom Fass, die Gäste im oder an einem der Tische vor seinem Shop genießen können. Längst ist der Bottle Shop auch Anlaufpunkt für ein lässiges Feierabendbier in der Schanze. Zum neunten Geburtstag servierte Ruggero Bier-Perlen, lud Beerfluencer ein und ließ DJs auflegen. Eine Woche Bier-Party – Instagram (Opens in a new window) war Zeuge.

Porträt Braustättchen Inhaber Christian
 Temme. Foto: Regine Marxen

Christian Temme, Inhaber Braustättchen am Hamburger Fischmarkt

Am Ende muss Bier verkauft werden

Das alles verlangt Energie und Manpower. Am Ende entscheidet sich der strategische Erfolg an der Kasse. Am Ende muss Bier verkauft werden. Dauerhaft. Auch ohne Event. Das klappt nicht überall. “Der eigentliche Bottle Shop würde nicht mal die Fixkosten abdecken”, schreibt beispielsweise Christian Temme, Inhaber des Bierfachgeschäfts “Braustättchen (Opens in a new window)” am Hamburger Fischmarkt, auf LinkedIn (Opens in a new window). “Wir haben jedenfalls bereits unsere Konsequenzen gezogen und versuchen mehr über unsere Events und Dienstleistungen Geld zu verdienen.” Das bedeutet auch, dass er seine Öffnungszeiten einschränken muss. Nur so stehen Umsätze im Verhältnis zu den Personalkosten.

“Beim Wein funktioniert es doch auch!”

Es bleibt zu hoffen, dass neben dem Event auch die wahre Stärke von Bottle Shops sichtbar bleibt: das Angebot und der Sachverstand. Craftbiere si (Opens in a new window)nd oftmals erklärungsbedürftige Produkte. Jedes Bier hat eine eigene Geschichte. Wer sie kennt, versteht besser, was er oder sie trinkt. Fachkundige Beratung aber gibt es nur im Fachhandeloder direkt beim Brauer oder der Brauerin. Gerade für Einsteiger:innen können diese Orte das Ticket ins Craftbeer-Universum sein. “Warum lässt sich der Genussmoment und die Beratungsleistung nur so schwer bei den Kunden im Preis durchsetzen?”, fragt Christian Temme. “Beim Wein funktioniert es doch auch!” Sein Plädoyer: „Kauft Bier beim Händler eures Vertrauens oder direkt bei der Brauerei! Das rufe ich euch zu. Cheers.”

Text, Video & Foto: Regine Marxen (Opens in a new window)

Topic HHopMag: Beer-News

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