Low Demand ist nicht gleich No Demand. – Was wir bei (Pathological) Demand Avoidance erwarten können und was nicht.
Bloß kein Druck! Oder doch? "Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht", heißt es. Man reißt es sonst eher wieder aus. Aber geht das denn überhaupt? Ein Leben so komplett ohne Druck auf unsere Kinder?
Ich schätze den grundsätzlichen Denkansatz dahinter ja sehr:
Erst mal Sicherheit. Erst mal Regulation. Erst mal mehr als nur klarkommen. Und nicht ständig am Kind zerren. Fordern. Verlangen. Erwarten.
Gerade bei PDA ist Low Demand ja eine der Antworten, wenn nicht DIE Antwort auf nahezu alle Begleitungsfragen. Aber auch ganz allgemein bedürfnisorientiert begegnet mir diese Haltung und im neurodivergenten Bereich eben ganz besonders. PDA wie gesagt vorneweg.
Wichtig finde ich dabei immer mehr, dass das Alter der Kinder dazu gesagt wird. Bei Casey Ehrlich @atpeaceparents habe ich das das Erste mal gelesen, dass sie meinte,
gerade bei Kindern unter 5 Jahren ist mit Erwartung einfach NICHTS zu gewinnen. Nur ganz viel zu verlieren.
Und ich habe innerlich sehr genickt.
Natürlich haben wir wieder ein Spektrum, auch bei PDA, aber ganz allgemein bei Entwicklungstempi. Will heißen, vielleicht ist es auch schon mal ab 4 soweit, vielleicht auch mal erst so ab 6. Generell ist, was weitere Verzögerungen angeht, ja alles nach oben offen, nur sehr viel früher sind manche Prozesse unwahrscheinlich bis unmöglich, weil manche Hirnreife nicht beschleunigt werden kann, auch nicht mit besonderer Begabung.
Menschenkinder kommen nicht laufend und sprechend auf die Welt, so mal ganz stark vereinfacht gesagt.
Das Vorschulalter scheint aber eines zu sein, dass wir so ungefähr als Richtwert nehmen können, selbst wenn es um PDAler*innen geht, die sich mit Erwartungen und Anforderungen ja sehr schwer tun (was in der Natur der Sache von PDA liegt).
Die Sache ist die – und deshalb ist das mit dem Alter nicht unwichtig – wie lange können wir wirklich so Very Low Demand leben bzw. unser Kind leben lassen UND auch: Ist das wirklich IMMER sinnvoll, den Druck fernzuhalten?
Ihr ahnt schon, das wird keine pauschales "Ja, es macht immer Sinn ohne Druck zu arbeiten."
Es geht mir nicht um dieses unreflektierte "Ja aber spätestens in der Schule muss es das aber lernen!"
Denn da gehe ich völlig mit: Da sind so viele unnötige, unlogische, unmenschliche und in jedem Fall nicht-inklusive Anforderungen und Erwartungen bei, bei denen gehe ich auch innerlich wie äußerlich auf die Barrikaden.
Worum es mir geht ist:
Ja, ohne Druck entfalten sich bei PDA die Fähigkeiten quasi von allein. Es sind kreative Autodidakt*innen. Und es geht ganz sehr auch um das, was ich über mich selbst ja nicht müde werde zu erzählen:
Ja, ich bin durch all den Druck, den Schmerz, das Müssen, das mit meiner Mutterschaft einherging wahnsinnig gewachsen und auch über mich hinaus gewachsen. Aber ich bin mir eben auch sicher, dass ich gewachsen wäre, hätte ich all den Druck, all den Schmerz nicht erlebt. Ich hätte mich in die Richtung weiterentwickelt, die sich für mich richtig angefühlt hätte. Vermutlich Richtung Kunst. Eventuell hätte ich eine großartige Graphic Novel geschaffen. Oder einen ganz anderen eigenen Malstil entwickelt. Oder oder. Und es wäre so schön gewesen, weil so selbstbestimmt. Und ohne die triggeranfälligen Traumanarben, die ich von der Schrei- und Burnoutzeit davongetragen habe.
Ich bin auch absolut nicht dafür, jemanden durch Schmerz wachsen zu lassen. Das gelingt nämlich auch einfach nicht bei allen. Dafür braucht es Ressourcen, und wehe, die sind nicht verfügbar.
Menschen lieben Heldenreisen und Geschichten, in denen aus größtem Leid etwas erwächst. Und auch mich tröstet es, dass das zumindest ab und zu möglich ist. Diese Geschichten sind aber auch deshalb so spannend und mitreißend, weil man eben sehr wohl weiß, dass Scheitern da gar nicht so unwahrscheinlich ist. Es tut gut das Token am Ende zu haben: der Mensch, der es dann doch geschafft hat. Und am besten nicht nur geschafft, sondern sogar gestärkt aus der Situation hervorgeht.
Bei Eltern ohne Filter habe ich letztens den Satz gelesen:
"Manche Nerven wachsen nicht nach" und das fand ich sehr treffend. Nicht nur im Bezug auf Elternschaft. Wir gehen aus intensiven Stresssituationen nicht immer gestärkt hervor. Was uns nicht umbringt, macht uns nicht zwingend härter, sondern sehr oft vor allem erst mal vulnerabler.
Und das alles, das möchte ich, dass ihr das gut im Kopf behaltet, damit ihr mich richtig versteht. Denn mir geht es Null darum Kinder, autistische Kinder, PDA-Kinder, wie auch immer sehr sensible Kinder in die Panikzone zu stoßen, damit sie lernen, weil wird schon werden, wir sind ja dabei und liefern Ressourcen-Backup.
Mir geht es darum, dass wir gerade bei diesen Kindern ein besonderes Auge, ja, eine besondere Feinfühligkeit dafür brauchen, wo die Wachstumszonen dieser Kinder sind. Denn die sind so schmal, dass sie teils unsichtbar wirken. Direktes kippen von Komfort- in Panikzone.
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