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Zwei Formen von Macht in ‘Der Herr der Ringe’

Hallöchen!

Ich schicke Dir heute ein paar kurze Notizen von meinem Schreibtisch. Ganz aktuell bereite ich mich auf eine Fortbildung vor, die ich im Juni für das Gemeindejugendwerk der Baptisten zum Thema ‘Macht’ halten soll. Sie haben sich ganz bewusst an mich gewandt als einen Künstler, der sich schon seit einiger Zeit mit diesem Thema auseinandersetzt, ganz besonders auch im Hinblick auf den kirchlichen Rahmen.

Mir ist in der Vorbereitung eine Szene aus ‘Der Herr der Ringe’ eingefallen, über die ich schon vor einigen Jahren gestolpert bin. Sie steht im Buch, wird aber nicht in den Filmen gezeigt. Falls Du nicht so tolkienfest bist, hier eine kurze Zusammenfassung, worum es in dem Fantasy-Epos geht:

Die fiktive Welt Mittelerde steht vor einer Zerreißprobe. Ihr droht der Untergang, denn der grausame und überaus mächtige Zauberer Sauron versammelt seine Heere im Osten, um die Reiche des Westens zu überrennen. Aufhalten können ihn nur die vereinten Kräfte der freien Völker – und ein Wunder. Denn das Schicksal der Welt liegt in den Händen eines kleinen Mannes und seiner Freundes, zweier Hobbits, die eine Geheimwaffe bei sich tragen. Es handelt sich um einen Ring, den Sauron schmiedete und all seine boshafte Macht in ihn goß, um die Bewohner Mittelerdes zu unterwerfen. Dieser Ring ist ihm in einem der früheren Kriege verloren gegangen und von Unbeteiligten wiedergefunden worden. Nun befindet er sich in den Händen der Hobbits. Und wenn es gelingt, ihn zu zerstören, ist sein Schicksal besiegelt und Mittelerde gerettet. Genau das haben Frodo und sein Gefährte Sam vor und auf dieses Wunder hoffen die Weisen, aber sie rüsten sich auch für einen letzten unausweichlichen Krieg, dessen Ausgang ungewiss ist. 

Die Szene, die ich meine, führt uns nun in den Thronsaal der Stadt Minas Tirith. Sie liegt an der äußersten Front des Konfliktes mit Sauron, kurz vor den Toren seines Reiches, und wird regiert von einem Statthalter des Königs. Eines Königs, der schon lange tot ist und auf dessen Nachfolger die Menschen seit Generationen warten. Der Statthalter Denethor ist es also, der die Menschen der Stadt Minas Tirith und des Reiches Gondor gegen Sauron anführen soll. Er ist ein zaudernder Anführer, der allen und jedem misstraut, gerade auch denen, mit denen er sich eigentlich verbünden sollte.

Vor ihn tritt der Zauberer Gandalf, von dem niemand weiß, dass er ein Abgesandter der Götter ist, um den Menschen im Kampf gegen Sauron beizustehen. Er will Denethor dazu bewegen, die Initiative zu ergreifen, sich mit den anderen Herrschern zu verbünden und die Entscheidung im Kampf zu suchen. Ihn begleitet Pippin, ein weiterer Hobbit und Freund der beiden Hüter des Ringes. Die Szene wird aus seiner Perspektive beschrieben:

[Denethor] wandte seine dunklen Augen Gandalf zu, und nun bemerkte Pippin eine Ähnlichkeit zwischen den beiden und zugleich eine glimmende Spannung, die jeden Moment aufflammen konnte, fast so, als wäre ein feuerglühendes Band von Auge zu Auge gespannt. Denethor sah sogar sehr viel eher als Gandalf wie ein großer Zauberer aus, königlicher, schöner, stärker und älter. Doch ein anderer Sinn als der seiner Augen sagte Pippin, dass Gandalf der mächtigere und weisere war und von einer Würde, die er nicht offen zur Schau trug. Und älter musste er auch sein, viel älter. »Wie viel älter?«, fragte er sich und fand es merkwürdig, dass er darüber noch nie nachgedacht hatte. Baumbart hatte etwas über Zauberer gesagt, aber da hatte Pippin gar nicht daran gedacht, dass Gandalf einer von ihnen war. Was war Gandalf überhaupt? In welch fernem Wo und Wann war er zur Welt gekommen, und wann würde er sie wieder verlassen? Dann rissen seine Grübeleien ab, und er sah, dass Denethor und Gandalf sich noch immer in die Augen blickten, als läsen sie einer die Gedanken des andern. Doch wer zuerst den Blick abwandte, war Denethor.

Zwischen den beiden Mächtigen entspinnt sich ein Streitgespräch, in dem sie keine Einigung erzielen. Gandalf macht aus seiner Wut über Denethors Haltung und über sein Verhalten ihm gegenüber keinen Hehl. Da macht der Statthalter einen unaufrichtigen Versuch, den Zauberer zu besänftigen:

Lass deinen Zorn über eines alten Mannes Torheit verrauchen, dann komme wieder und lass mich deinen Rat hören!« »Torheit?«, sagte Gandalf. »Nein, Herr, ehe Ihr ein törichter Alter werdet, sterbt Ihr. Ihr versteht sogar Euren Kummer als Schleier zu gebrauchen. Denkt Ihr, ich verstünde nicht Eure Absicht, wenn Ihr eine Stunde lang den ausfragt, der am wenigsten weiß, während ich daneben sitze?« »Wenn du sie verstehst, so sei zufrieden«, erwiderte Denethor. »Törichter Hochmut wär es, Hilfe und Rat in der Not zu verschmähen; doch erteilst du dergleichen nur zu deinen eigenen Zwecken. Der Herr von Gondor aber darf nicht zum Werkzeug für die Absichten anderer werden, und seien sie noch so ehrenwert. Und für ihn gibt es kein höheres Gut in der Welt, wie sie nun einmal ist, als das Wohl Gondors; und in Gondor, verehrter Meister, regiere ich und niemand anders, es sei denn, der König kehrte wieder.« »Es sei denn, der König kehrte wieder?«, sagte Gandalf. »Nun, Herr Statthalter, bis dies eintritt, was wenige jetzt erwarten, ist es Eure Aufgabe, das Königreich, so gut es geht, zu erhalten. Bei dieser Aufgabe soll Euch jede Hilfe zuteil werden, um die es Euch zu bitten beliebt. So viel aber lasst Euch sagen: Ich will kein Reich regieren, weder Gondor noch irgendein anderes, ob groß oder klein. Doch alle Dinge von Wert, die in der Welt, wie sie nun einmal ist, in Gefahr sind, stehn unter meinem Schutz. Und meine Arbeit wird nicht völlig vergebens sein, sollte Gondor auch untergehn, wenn nur irgendetwas diese Nacht übersteht, das noch schön werden oder Frucht tragen und in künftigen Zeiten wieder erblühen kann. Denn auch ich bin ein Statthalter. Wusstet Ihr das nicht?« Und mit diesen Worten drehte er sich um und ging aus dem Saal.

Tolkien, J.R.R.. Der Herr der Ringe: Band 1-3, Übersetzung von Wolfgang Krege (Der Herr der Ringe. Ausgabe in neuer Übersetzung und Rechtschreibung) (German Edition) (S.593). Klett-Cotta. Kindle-Version.

Warum interessiert mich diese Szene für mein Thema? Weil sich in ihr zwei Formen von Macht einander gegenüberstehen, die beide in der Welt – und zwar in unserer, nicht nur in Mittelerde – vorkommen. Die eine ist die harte, institutionelle, politische Macht. Die andere ist die ‘weichere’ Macht des Ratgebers und Netzwerkers. Sie stehen einander unversöhnlich gegenüber, obwohl die Rettung der Welt gerade darin liegen würde, dass sie sich vereinen und zusammenwirken. 

Ich habe in der Bokopano Factory länger über das alles nachgedacht und es schließlich auf ein Flipchart gekritzelt. Ich hoffe, Du kannst es lesen:

Dies ist nur ein ganz kleiner Einblick in ein aktuelles Projekt. Vielleicht hat es Dir ja Spaß gemacht, kurz hineinzuschnuppern.

Du kannst mir übrigens demnächst auf dem Kirchentag begegnen, wenn Du magst und auch da bist. Am Freitag, dem 9. Juni, sitze ich ab 21h auf der Bühne der ‘Fuck Up Night’ in St. Paul in Fürth, zusammen mit Martin Benz, Gemeindegründer und Podcaster, Annegret Kramp-Karrenbauer und Holger Schwiewagner, Geschäftsführer Spielvereinigung Greuther Fürth. 

Liebe Grüße

Dein Gofi

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