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Sich selbst bemuttern

In der größten Not nur noch sich selbst zu haben, bringt den Mensch zurück zum Urinstinkt. Überleben.

Im Dezember 2021, am dunkelsten Tag des Jahres, dachte ich, es geht nicht mehr. Der Mensch ist ein Herdentier. Von all den Menschen, die ich angerufen habe, weil ich nicht allein sein konnte und mich wie nichts auf der Welt danach gesehnt habe, dass mich bitte jemand festhält, damit ich nicht weiter falle, kam zwar niemand, aber irgendjemand hat einen Krankenwagen gerufen.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass man mitfahren muss, verpflichtend, wenn jemand anders behauptet, man würde sich selbst gefährden. So ungeliebt und so tief wie da, habe ich mich selten gefühlt. Aber es ist auch etwas passiert: ich wusste ganz klar, was ich brauchte. Einer der Rettungssanitäter hat mich im Krankenhaus zum Abschied sehr fest in den Arm genommen. Während mir Blut abgenommen wurde, mein Gang und meine Augenreaktion kontrolliert wurden, ich ein Gespräch mit einem Arzt führen musste, wie ein Verhör, habe ich bettelnd gefleht, ich bräuchte nur jemanden, der bei mir wäre. Eine Mama, die mir den Kopf streichelt und mir sagt, dass alles gut wird. Die mich hält und mich weinen lässt, auf ihrem Schoß.

Später, mitten in der Nacht, als die Plastikplane von meinem Bett für diese Nacht abgezogen wurde, war die Schwester noch im Raum, als ich mich hineingelegt habe. Sie hat mich zugedeckt, die Decke etwas festgesteckt und mir die Wange gestreichelt. „Nun ruhen Sie sich erstmal aus.“

Das war der Moment, glaube ich, als ich mir selbst eine gute Mutter wurde. Ich war so wahnsinnig dankbar für diesen winzig kleinen Moment der Fürsorge, das hat sich eingebrannt.

Die Sehnsucht spüren. Erfassen können, was brauche ich jetzt?

Am nächsten Morgen zur Visite hat der Arzt verstanden, was ich ihm gesagt habe und mich entlassen.

Manchmal finde ich es schwierig von Selbstliebe zu sprechen, nicht immer lieb ich mich sehr, für Stimmungen oder Antriebslosigkeit. Die Mutter in mir ist die, die sagt, wir kriegen das hin. Hab keine Angst. Komm, geh mal Duschen, das tut immer gut. Ich mach dir ein leckeres Essen und du darfst dich einfach fühlen, wie du dich fühlst.

Man muss nicht immer müssen. Man darf klein sein, bockig, wütend, enttäuscht. Man darf traurig sein. Oder keine Motivation für nichts haben. Und man darf sagen: Ich brauche ganz dringend Halt. Halt mich bitte fest.

Wenn man ganz alleine ist, ist man darauf angewiesen selbst diese Dinge für sich zu übernehmen, die helfen, sich besser zu fühlen. Und dann kommt das Kind und sagt: ich kann aber nicht mehr. Ich bin müde und erschöpft und ich hab keine Lust und dann ess ich eben nichts. - Dauerhaft kann man so nicht leben. Vor allem nicht allein.

Mich selbst zu bemuttern ist aus der Notwendigkeit entstanden, mich zu versorgen, egal, was ist. Irgendjemand muss sich doch um mich kümmern. Diese Art Zwiegespräch zwischen mir und mir, ich mag das inzwischen.

Heute war ich beim Psychiater. Meine Medikamente sind alle und ich habe mich ewig davor gedrückt einen Termin wegen der ADHS Diagnose und einer medikamentösen Einstellung zu machen. Der Arzt ist nett, trotzdem kostet es mich immer Überwindung dorthin zu gehen.

„Danach darfst du in dem schönen Antiquariat Kochbücher angucken.“ Yippiehyeah. „Im Wald kannst du Dich abreagieren.“ Super!

„Zu Hause mache ich Dir Cookies.“

Das würde ich mir wünschen, weil der Besuch wirklich anstrengend ist. Also erfülle ich mir meine Wünsche. In diesen Momenten geht es nur darum, gut zu mir zu sein. Ich bin ja nicht zwei Personen. Aber in dem Moment, wo ich weiß, was mir gut täte und ich mir gut tue, ohne der negativen „ich hab aber keine Kraft“- Stimme Raum zu geben, da ist es dann eigentlich immer besser. Ohne das für mich aufzuteilen in Mutter und Kind, würde ich das vermutlich nicht machen. Die Frage danach, was ich mir wünschen würde und die Überlegung, was davon sich realisieren lässt, stellt nicht die Frage nach Motivation. Das gibt beidem Raum: dem Kind, das weint, es steht nie wieder auf und der Mutter, die sagt, ich verstehe dich, ich bin da.

15 Minuten Krümelmonster Schokocookies. Ohne raffinierten Zucker, ohne Eier und ohne Getreide. Je nach Schokolade Vegan, Glutenfrei. Von mir für mich.

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Topic Süsses

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