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DEAD PIONEERS - Interview aus FUZE.111

WAS KOMMT NACH AMERIKA? DEAD PIONEERS haben da eine ziemlich klare Meinung – und die kommt auf „Po$t American“ ungefiltert auf den Tisch. Statt leerer Parolen gibts rohe Wahrheiten, statt Phrasen persönliche Perspektiven. Frontmann Gregg Deal spricht im Interview über Kapitalismus, Kolonialismus und strukturelle Ungleichheiten – und darüber, wie indigene Geschichte und Identität oft missverstanden oder romantisiert werden.

Foto: Daniel Ulibari

Hey Gregg, auf „Po$t American“ treffen Spoken Words und Punk-Energie auf eine unüberhörbare Message. Wie schafft ihr es, diese kraftvoll zu transportieren, ohne belehrend zu wirken?
Ich versuche nur, die Wahrheit laut auszusprechen. Ob das belehrend wirkt, liegt nicht in meiner Hand. Mir geht es einfach darum, die Dinge auf eine Weise auszudrücken, die Sinn ergibt und idealerweise auch ästhetisch ansprechend ist.

Euer Album greift Themen wie Kapitalismus, Kolonialismus und Rassismus auf. Warum ist es euch wichtig, diese Aspekte in eurer Musik zu verarbeiten?
Ich denke, dass das Prinzip weißer Vorherrschaft systematisch in fast allem verwoben ist, was in der westlichen Kultur geschieht. Kolonialismus und Kapitalismus wurzeln in ihr und unsere Demokratie basiert auf reichen weißen Landbesitzern, die schwarze Sklaven besaßen. Diese Strukturen sind bis heute tief verankert, oft unsichtbar. Die Trump-Regierung hat gezeigt, wie schnell solche Mechanismen wieder ans Licht kommen – weil sie nie verschwunden sind. Deshalb müssen wir darüber sprechen, ob es einem gefällt oder nicht. Der Kapitalismus ist eng mit diesen Strukturen verbunden. Der Rest der Welt verfolgt mit Bestürzung, dass wir keine flächendeckende Krankenversicherung haben und der allgemeine Lebensstandard in einem der reichsten Länder der Welt nicht so hoch ist, wie er sein sollte. Die wirtschaftlichen Härten treffen besonders Indigene und People of Color. Der Kapitalismus diktiert den Klassenkampf und bestimmt, wer was bekommt. All diese Themen sind miteinander verknüpft – und wir müssen darüber sprechen, weil sie uns alle betreffen.

Mein Volk hat nie vom amerikanischen Traum profitiert und die Hoffnung, die Amerika verkörpert, fühlt sich für mich nicht real an.

Der Titel „Po$t American“ suggeriert eine Ära nach Amerika. Ist das für dich eine denkbare Zukunft oder eher eine düstere Vorstellung?
Wir leben bereits in einer Dystopie. Die Bürgerrechts- und die LGBTQ-Bewegung haben gezeigt, dass wir weiter sein könnten. Doch die Kluft zwischen Arm und Reich wächst und bei den Großkonzernen konzentriert sich die Macht. Mein Volk hat nie vom amerikanischen Traum profitiert und die Hoffnung, die Amerika verkörpert, fühlt sich für mich nicht real an. Trotzdem gab es eine Vision, wie dieses Land seinen Bürgern dienen sollte – doch das passiert heute definitiv nicht.

https://youtu.be/ToVZHzw720I?si=XDkej5yD5E-MQuVt (Opens in a new window)

Angesichts der aktuellen politischen Lage in den USA und auch in Deutschland scheint vieles im Argen zu liegen. Ihr habt euer Album in recht kurzer Zeit geschrieben – war das eine bewusste Entscheidung, um die Dringlichkeit der Themen einzufangen?
Als ich das Album letztes Jahr schrieb, ergab es politisch und sozial Sinn. Jetzt ist es noch relevanter – ohne dass wir es beabsichtigt hätten. Wir wollten einfach etwas erschaffen, das in die Zeit passt, und plötzlich wurde es noch mehr. Irgendwie ist alles noch schlimmer als vor einem Jahr.

Was sollen die Zuhörer aus „Po$t American“ mitnehmen – eine Botschaft, eine Emotion oder einfach die Energie, weiterzumachen?
Alles drei. Ein Teil unserer Bemühungen besteht darin, die Erfahrungen der indigenen Bevölkerung in den USA in Worte zu fassen und Licht auf bestimmte Themen zu werfen. Das Stereotyp vom indigenen Leben als „Cowboys und Indianer“ existiert weltweit, auch in Deutschland. Viele orientieren sich an romantisierten Erzählungen, manche kleiden sich sogar wie nordamerikanische Ureinwohner, leben in Tipis und tragen Wildleder – Dinge, die schlicht unangemessen sind. Hoffentlich können wir aufklären, warum das problematisch ist und unsere Kultur nicht konsumiert, sondern respektiert und unterstützt werden sollte. Politisch und sozial geht es um Energie, aber auch um etwas, das in Echtzeit geschieht. Vielleicht können wir etwas sagen, das Menschen bewegt oder ihnen das Gefühl gibt, gehört zu werden. Unsere Erfahrungen sind oft schwierig, manchmal fühlt es sich an, als wären wir allein. Doch wenn ein Musikstück genau das ausdrückt, was jemand empfindet, kann es helfen, sich weniger einsam zu fühlen. Die gesamte Platte ist persönlich motiviert, aber ich glaube, viele Menschen teilen diese Erfahrungen – politisch, sozial und kulturell. Es ist meine Geschichte, aber vielleicht auch eine gemeinsame. Ich möchte niemandem eine Predigt halten, sondern einfach aussprechen, woran ich glaube. Ich sage laut, was ich als wahr empfinde – und lasse es in einem gemeinsamen, menschlichen Raum existieren. Denn jeder kämpft auf seine eigene Weise.
Mia Lada-Klein

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Topic Interviews

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