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Von der Klimadummheit: queere Theorie im Kollaps

Cover des queeren Berliner Stadtmagazins “Siegessäule”.

Liebe Leute,

ich glaube so langsam, zu verstehen, warum es dann doch relativ wenige Rezensionen für das kleine rosa Buch gibt, oder zumindest, weniger, als ich mir erhofft hatte: wie auch sein Autor überfordert das Buch viele Menschen. I mean, über 300 Seiten mit mir verbringen, von mir zugetextet werden, das klingt ehrlich gesagt ziemlich stressig, vor allem, weil einem da ja emotional, nicht nur intellektuell, einiges abverlangt wird…

…dachte sich vermutlich auch die Redaktion des queeren Berliner Stadtmagazins Siegessäule (Opens in a new window), die auf die Frage, ob es vielleicht Platz für eine Rezension meines Buches dort gäbe - immerhin ist Zwischen Friedlicher Sabotage und Kollaps - wie ich lernte, die Zukunft wieder zu lieben (Opens in a new window) eine Art schwulen politischen Schreibens, die es hierzulande nicht all zu oft gibt - mit dem Vorschlag antworteten, ich solle diesen Text doch selbst schreiben.

Na gut, ein bisschen ungewöhnlich, und natürlich ist es viel netter, einen Text zu lesen, in dem jemand anderes über mich spricht, als wenn ich das selbst tue. Aber was tut man nicht alles für etwas Werbefläche in der eigenen Community, also schrieb ich einen Text, der einem queeren, in meinem Fall einem MSM- (men who have sex with men-) Publikum erklärt, warum gerade mein Buch für queere Menschen interessant sein könnte. Dabei heraus kam folgender Text. Danke an die Siegessäule, dass ich ihn dort zuerst veröffentlichen durfte.

TM

Trotz Klimakollaps wird es keinen Klimaschutz geben. Warum weiß ich das? Weil ich schwul bin und leider Männer liebe.

Ich bin seit 16 Jahren Klimaaktivist, und führe seit 17 Jahren schwule Beziehungen. Als mir vor zwei Jahren klar wurde, dass die Gesellschaft und die Klimabewegung, also auch ich, am Projekt “Klimaschutz” gescheitert waren, das Klima im Kollaps begriffen, und ich deshalb in eine tiefe Depression stürzte, fiel mir plötzlich auf: was hier passiert, diese Strukturen, diese Gefühle kenn' ich schon. Aber nicht aus der Politik, sondern aus meinen schwulen Beziehungskonflikten.

Zum Stand der Dinge: Wir schreiben das Jahr 2024, und die Welt erlebt den Beginn des Zusammenbruchs des globalen Klimasystems, in dem Katastrophen immer mehr zum Dauerzustand werden. Die globale Durchschnittstemperatur wird dieses Jahr wohl 1,61 Grad über dem vorindustriellen Durchschnitt liegen, “1,5 Grad” sind nur noch im Rückspiegel sichtbar, trotzdem geben wir uns als Gesellschaft immer mehr der “Klimamüdigkeit” hin. Egal, was wir versprochen haben (“Paris Agreement”), stellen wir fest, dass wir das, was wir tun müssten, um das Klima zu schützen, einfach zu ansztengend finden. Wir haben fertig mit Klima.

Und jetzt?

In der Politik würden wir von folgendem Grundgedanken ausgehen: klar haben wir bisher die Realität der Katastrophe verdrängt, aber je mehr Katastrophe, desto schwieriger wird das mit der Verdrängung, desto wahrscheinlicher ist es, dass die betroffene Gesellschaft, gerade weil jetzt eben sie selbst betroffen ist, anfangen wird, sich vor weiteren Katastrophen zu schützen (Klimaanpassung), und weitere Katastrophen weniger wahrscheinlich zu machen (Klimaschutz).

Allein: weder das eine, noch das andere passiert. Es hat noch keinen relevanten Klimaschutz gegeben, es gibt keinen, und es wird auch keinen geben.

Warum ich davon so überzeugt bin? Als Aktivist und Politikwissenschaftler habe ich noch nie einen politischen Prozess beobachtet, der so abgefuckt irrational ist, wie unsere “Klimapolitik”. Aber als schwuler Mann, der aufgrund seiner völlig überkandidelten emotionalen Bedürfnisse schon viele Lover und Partner überfordert hat, und deswegen schon viele Beziehungskonflikte mit Männern hatte, kommt mir das sehr bekannt vor.

Denn in der Klimadebatte geht es nicht um Rationalität, sondern um Scham, ums Scheitern, und um Angst. Um negative Gefühle, die wir gerne verdrängen, anstatt uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Wenn wir übers Klima reden, führen wir kein rationales Gespräch, das auf Lösungen zielt, sondern, wir versuchen, diese negativen Gefühle von uns fernzuhalten. Das und nur das erklärt die wohlstandsverwahrlosten Reaktionen auf die sog. “Klimakleber”: es ging nicht um die 5 Minuten Verspätung auf dem Weg zur Arbeit. Die Letzte Generation war der abused partner, der seinen lügenden, manipulativen, brutalen bad boyfriend immer wieder bittet, doch nicht so hart zuzuschlagen. Der kann aber nicht anders (Deutschland kann wegen des großen fossilen Autosektors nicht so einfach Klimaschutz an den Start bringen), also wird lieber zugeschlagen, als dass mann sich so verhält, wie mann es versprochen hat.

Mann weiß: “ich wollte beim Klima gut sein, bin es aber nicht, kann es aber nicht. Das bedeutet: ich bin nichts, ein Wurm, falsch. Also verdränge ich das ganze einfach, und egal, wie oft sich das Klima beschwert, ich werde immer weiter verdrängen.” Klar, das klingt nicht besonders politisch, aber es beschreibt präzise die Realität nicht nur der Klima- sondern immer mehr politischer Debatten in der gesellschaftlichen Polykrise. Wir scheitern, deswegen verdrängen wir, deswegen werden wir als Gesellschaft immer dümmer und irrationaler.

Über diese “Verdrängungsgesellschaft” (und ihren ekligen Bruder: die Arschlochgesellschaft), und wie wir darüber hinaus zu einem rationalen Verhältnis zur kommenden Dauerkatastrophe kommen, vielleicht sogar noch ein Bisschen Hoffnung darin finden, habe ich ein Buch geschrieben: Zwischen friedlicher Sabotage und Kollaps: wie ich lernte, die Zukunft wieder zu lieben”. Sozusagen: queere Theorie für die Zukunft im Klimakollaps.

Aus meinen Beziehungskonflikten habe nämlich ich gelernt, dass das verdrängende Subjekt – Deutschland, meine Exe – weder auf mehr Druck, noch auf gutes Zureden mit rationalem, nichtarschlochigem Verhalten reagieren wird, sondern immer weiter verdrängt, bis zum Thanatos: bis zum gesellschaftlichen Kollaps, oder zum unwiderruflichen Ende der Beziehung. Der bad boyfriend wird nie zu einem good boyfriend.

Ich habe aber mit meinem Ehemann auch gelernt, dass der Weg zur Hoffnung, sofern möglich, durch die Akzeptanz der Schwäche und des Scheiterns geht. Ok, Deutschland, Du bist halt so, Du machst keinen Klimaschutz. Das heißt, mehr Katastrophe. Jetzt müssen wir uns darauf halt zusammen einstellen, jetzt machen wir solidarischen Katastrophenschutz, oder auch “prepping for future”. Und auch hier kann die Gesellschaft von uns Queers lernen: denn leben und hoffen in der Katastrophe ist nichts, was für uns besonders neu ist.

Mit queeren Grüßen,

Euer Tadzio

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