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10 kurze Fragen und Antworten zu Johanna Haarer 

Der Name Johanna Haarers taucht in den Social Media fast täglich auf, wenn es um Schwarze Pädagogik, Nazi-Erziehung oder allgemein um Kinderfeindlichkeit geht. Doch wer war Johanna Haarer? Hier erfährst Du die 10 wichtigsten Dinge, die Du über sie wissen musst, in aller Kürze.

1. Wer war Johanna Haarer?

Johanna Haarer (1900-1988) war Lungenfachärztin und Autorin mehrerer Elternratgeber. Sie war Nazi und hat sich zeitlebens nie vom NS distanziert.

Für mehr Infos: eine gute Biographie gibt es auf fembio.org (Opens in a new window).

2. Was für Bücher hat sie geschrieben?

Ihre Ratgeber richteten sich an Schwangere und Mütter. Darin propagierte sie eine emotional distanzierte und autoritäre Erziehung. Ihre Säuglingspflege-Anordnungen zielten von Geburt an darauf ab, dass Kinder sich den Erwachsenen vollständig unterzuordnen hätten. Sie warnte, dass "zärtliche Mütter" ihre Kinder zu Tyrannen erzögen. Alle ihre Bücher enthielten offene NS-Propaganda. Eines war ein reines Propaganda-Werk: Mutter, erzähl mir von Adolf Hitler.

Für mehr Infos: Gehorsam als Bedürfnis des Kindes (Opens in a new window)

3. Welches war ihr erfolgreichstes Buch?

Noch heute ist Johanna Haarer bekannt für Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind. Das Buch erschien 1934 im Verlag des einflussreichen Nazis Julius Friedrich Lehmann. Die beiden waren ein gutes Team. Sein Marketing funktionierte prima und ihre Ratschläge trafen den Nerv der Zeit. Das Buch wurde sogar als Lehrmaterial in Mütterschulen verwendet.

Für mehr Infos: Der NS-Staat und seine Erziehungspropaganda (Opens in a new window)

4. Was war neu an "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind"?

Im Prinzip nichts. Die Ratschläge zur Säuglingspflege und Kindererziehung waren schon seit der Jahrhundertwende Mainstream unter Ärzt*innen und Pädagog*innen. Alle Ratgeber aus der NS-Zeit bliesen in dasselbe Horn und es gab ihrer so viele wie Sand am Meer.

Haarer war allerdings sehr offen, ehrlich und modern, was körperliche Vorgänge in Schwangerschaft und Geburt anging. Schwangere konnten bei ihr wirklich nützliche und wahrheitsgemäße Informationen bekommen.

Für mehr Infos: Vorläufer der Schwarzen Pädagogik (Opens in a new window) und Roses Revolution - Gedenken an die Geburts-Traumata unserer Vorfahrinnen (Opens in a new window)

5. Wer waren die Wegbereiter für Johanna Haarer?

Ihr Verleger J. F. Lehmann hatte Haarer aufgrund einiger von ihr verfassten Artikel über Säuglingspflege gezielt ausgewählt, einen Ratgeber für ihn zu schreiben. Ihr Doktortitel und ihre eigene Mutterschaft waren dabei Teil der Vermarktung-Strategie.

Andere Ärzte (männlich!) hatten zuvor die Schwarze Pädagogik gefördert und etabliert, dass Ärzt*innen für Erziehungsratschläge zuständig seien. Insbesondere ist hier Adalbert Czerny zu nennen, dessen auf Vorlesungen für angehende Ärzte beruhendes Buch Der Arzt als Erzieher des Kindes von 1908 bis 1946 in 11 unveränderten Auflagen erschienen war.

Für mehr Infos: Adalbert Czerny, der Kinderhasser. (Opens in a new window)

6. Wie verbreitet war das Buch?

Von 1934 bis 1944 erfuhr Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind mehr als zehn Auflagen und es wurden insgesamt etwa 670.000 Exemplare gedruckt. Das Buch war Lehrmaterial in Mütterschulen und stand vermutlich in jeder Stadtbibliothek.

Für mehr Infos: Frauen in der Geschichte des Kindergartens: Johanna Haarer (Opens in a new window) (externer Link)

7. Welchen Einfluss hatte Haarer nach 1945?

Ab 1949 erschien das Buch unter dem Titel Die Mutter und ihr erstes Kind. Zunächst war es nur von der offensichtlichen Propaganda bereinigt worden. Doch es wurde laufend überarbeitet. Die letzte Auflage erschien 1987 und warb mit 1,2 Mio verkauften Exemplaren, wobei alle Auflagen seit Ersterscheinung einberechnet wurden.

Für mehr Infos: "Die Mutter und ihr erstes Kind" und andere Nachkriegsratgeber (Opens in a new window)

8. Welche Änderungen gab es an "Die Mutter und ihr erstes Kind"?

Das Buch war eine wichtige Einnahmequelle für Johanna Haarer und so war ihr daran gelegen, es dem Wandel der Zeit anzupassen, um es weiter verkaufen zu können. Spätere Ausgaben haben kaum noch etwas mit den Auflagen vor 1945 gemeinsam. Geübte Leser*innen erkennen zwar noch immer die Kinderfeindlichkeit darin, aber Neuerscheinungen aus denselben Jahren waren oft noch genauso kinderfeindlich. Zu keiner Zeit unterschied sich Johanna Haarers Buch merklich von anderen zeitgenössischen Ratgebern.

Für mehr Infos: "Die (deutsche) Mutter und ihr erstes Kind" in den Ausgaben von 1938 und 1979. (Opens in a new window)

9. Wie war Johanna Haarer selbst als Mutter?

Gertrud Haarer ist das jüngste von Johanna Haarers fünf Kindern. Sie hat ein Buch geschrieben (Die deutsche Mutter und ihr letztes Kind, 2012) und es gibt zwei Fernseh-Dokumentationen über sie (Erziehung durch Härte, Beitrag bei FrauTV, 2015. Meine deutsche Mutter, in der ARD-Reihe Lebenslinien, 2017). Gertrud Haarer beschreibt ihre Mutter als ehrgeizig, Respekt einflößend und nicht mütterlich. Sie habe nie auf ihrem Schoß gesessen und immer gehorchen müssen.

Mehr Infos unter: "Ich stand vor ihr wie vor einem Richter." (Opens in a new window) Interview mit Gertrud Haarer in der ZEIT (Bezahlschranke)

10. Warum fällt immer wieder Johanna Haarers Name?

Die Vorstellungen vom kindlichen Tyrannen einerseits und dem unmündigen Kind, das nicht wissen könne, was gut für es sei, andererseits, waren schon vor Haarer tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Zudem war Die (deutsche) Mutter und ihr erstes Kind kein Erziehungsratgeber, sondern vor allem ein Schwangerschafts-, Geburts- und Säuglingspflege-Ratgeber. Dennoch wird Johanna Haarers Name geradezu synonym für NS-Erziehung oder Schwarze Pädagogik verwendet. Das hat sich in den letzten Jahren verselbstständigt, weil es kaum andere Beispiele in die Medien geschafft haben und allein der Name "Johanna Haarer" mittlerweile viele Klicks garantiert.

Wenn wir jedoch die schädlichen und geradezu menschenfeindlichen Erziehungsmethoden aus unserer Gesellschaft verschwinden lassen wollen, müssen wir uns damit auseinander setzen, wo diese wirklich herkommen. Die Konzentration auf eine einzige Autorin verschleiert die tatsächlichen Ausmaße des Problems und sorgt dafür, dass die überwiegend männlichen Urheber ungeschoren davon kommen.

Für mehr Infos: Noch ein Artikel über Johanna Haarer? (Opens in a new window) und Die Haarer ist Schuld! Oder etwa nicht? (Opens in a new window)

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