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Have I been holding onto too much hate?
There's so much going on

Good evening, Europe!

Welchen Wochentag haben wir? Welchen Monat? Welches Jahr?

Nach fast einem Jahr Lockdown (ich bin immer irritiert, wenn ich in den Medien vom „vergleichsweise entspannten Sommer 2020“ höre/lese — ich bin halt seit März zuhause!) ist es inzwischen auch egal, wenn es so doll schneit, dass man das Haus kaum noch verlassen kann.

Wobei: Nee, egal ist es natürlich nicht! Wenigstens gibt es jetzt mal wieder einen Grund, das Haus zu verlassen! Wenigstens lachen die Kinder und die meisten Erwachsenen, wenn sie durch den Schnee stapfen! Wenigstens kann man in Bochum ziemlich gut Schlitten fahren! Von daher: Alles okay, nur ein bisschen durch!

Das zeigte sich auch bei den Journalist*innen, die es in Folge eines kollektiven Writer's-Blockdowns für eine lustige Idee hielten, zwischen Lockdown (ja, Ulrike: Es ist kein richtiger Lockdown, weil wir unsere Wohnungen noch verlassen dürfen!) und „Lockedown“ noch den „Flockdown“ auszurufen. So sieht die Welt also aus, wenn allen wirklich alles egal ist und die eigenen Kinder einen wegen zu vieler schlechter Wortspiele in der Familien-WhatsApp-Gruppe in den Blockdown geschickt haben. Good luckdown! (Opens in a new window)

Ein weiteres Wort, das bitte mit vielen Schmäh-Preisen bedacht werden möge: „Homeschooling“. Wenn der ganze Bums vorbei ist und wir alle wieder ins Stadion dürfen, freue ich mich darauf, alle Mitglieder der sogenannten Kultusministerkonferenz mit 500 alkoholisierten Mitgliedern des dann Zweitliga-erprobten Fanclubs „Buerer Knappen“ in ein leerstehendes Vereinsheim zu sperren und die sicherlich lehrreichen Erfahrungen, die die Politiker*innen dort machen werden, unter „Homefanning“ zu verbuchen. 

Wie es wirklich um meine geistige Gesundheit steht, verdeutlicht wohl am ehesten folgende wahre Geschichte: Letzten Sonntag saß ich am Frühstückstisch, genoss den Ausblick auf den verschneiten Garten und las bei Instagram, dass die Feuerwehr Bochum in Parks und Wäldern zur Vorsicht rate.

Sekunden später begann mein Hirn zu rattern und am Abend stellte ich dieses Video auf YouTube ein:

https://www.youtube.com/watch?v=_j7F5628d4s (Opens in a new window)

Ansonsten habe ich es endlich geschafft, das Jahr 2020 zumindest kulturell dergestalt abzuschließen, als ich endlich meine Jahresbestenlisten erstellt habe.

Das Konzept „Album des Jahres“ hatte sich in der jüngeren Vergangenheit angesichts von (gerade jungen) Acts, die einfach gar keine Alben mehr veröffentlichen wollen, natürlich eh einigermaßen überholt, stieß in einem Jahr, in dem Taylor Swift (zweifellos Künstler*in des Jahres) gleich zwei hervorragende Alben veröffentlichte, aber vollends an seine Grenzen — weswegen ihr „Folklore“ nicht nur mein „Album des Jahres“ ist, sondern gleichzeitig die letzte meiner Albenbestenlisten (Opens in a new window) krönt.

Auch die 25 besten Songs (Opens in a new window) des Jahres habe ich wieder mit kleinen Texten bedacht und aus den 60 besten Songs eine Spotify-Playlist (Opens in a new window) zusammengebaut (bei Twitter (Opens in a new window) war jemand so nett, die Liste bei Apple Music (Opens in a new window) nachzubauen, wo sie leider einen falschen Song auf Platz 2 enthält, aber sonst ist das natürlich super)!

Und bei Instagram hab ich noch einen kleinen Post (Opens in a new window) zum 15. Geburtstag des wichtigsten Album meines Lebens abgesetzt.

Was hast Du gehört? Im September 2019 (die Schöpfung hatte gerade erst begonnen) hatten Weezer ihr 14. Album „Van Weezer“ angekündigt, das im Mai 2020 erscheinen sollte. Wie so vieles andere wurde auch der Release dieses Albums verschoben — in den Mai 2021. Statt einfach nur rumzusitzen, haben Weezer aber einfach ein weiteres Album aufgenommen und ohne großen Vorlauf veröffentlicht, das so gesehen ihr 15. ist, chronologisch jetzt aber natürlich „Van Weezer“ nach hinten drängt und somit offiziell Nr. 14 ist (aber die Beatles hatten „Abbey Road“ ja auch nach „Let It Be“ aufgenommen und vor diesem veröffentlicht).

JEDENFALLS: Das neue, überraschende Weezer-Album heißt „OK Human“ (Spotify (Opens in a new window), Apple Music (Opens in a new window)) und wurde ohne elektrische Gitarren, aber mit einem 32-köpfigen Orchester eingespielt, was ihm den Sound eines Unplugged-Albums (oder von Ben Folds' „So There“ verleiht, nur dass es zwölf brandneue Songs sind und keine neu eingespielten Hits. Es klingt also wärmer, enthält aber sonst klassische unwiderstehliche Weezer-Melodien und clevere Texte über das Leben in Zeiten von Gentrifizierung, Smartphones und unzähligen Zoom-Calls. Wenn „New Yorker“-Cartoons Musik wären, wären sie dieses Album!

Von alten Männern (Weezer-Sänger Rivers Cuomo ist im vergangenen Sommer 50 Jahre alt geworden!) mit ihrem 14. Album hin zu einer jungen Frau, die gerade ihr Debütalbum veröffentlicht hat: Arlo Parks ist die Frau, die vermutlich die letztjährige Festivalsaison dominiert hätte, wenn undsoweiter. Trotzdem hat sie in diesem Internet einigermaßen für Aufmerksamkeit gesorgt — und das völlig zu Recht: „Collapsed In Sunbeams“ (Spotify (Opens in a new window), Apple Music (Opens in a new window)) ist ein sehr passender Titel für ein Album, dessen Musik vordergründig nach Lounge und Gartenparty klingt, dessen Texte dann aber doch sehr in die Tiefe gehen. Bei „Caroline“ denke ich am Anfang jedes Mal kurz, mir sei aus Versehen ein Cardigans-Song in die Wiedergabeliste gerutscht, ansonsten erinnert mich die Musik eher an Loyle Carner und Mahalia. Wer klugen, modernen R'n'B aus Großbritannien mag, sollte hier auf alle Fälle reinhören!

Außerdem erscheint heute „The Long Game“ (Spotify (Opens in a new window), Apple Music (Opens in a new window)), das neue Album meiner guten Freundin Jacqui Naylor. Neben außergewöhnlichen Coverversionen („Don't Give Up“, „Space Oddity“ und „Fix You“ — oooh ja, davon brauchte es eine weitere Coverversion, glaubt mir!) enthält das Album auch wunderbare originals, die Jacqui mit ihrem musical partner und Ehemann Art Khu geschrieben hat. Ihr plant nach dem Schneespaziergang einen entspannten Sonntag vor dem heimischen Kamin? Hier ist Euer Soundtrack!

Was hast Du gesehen? Ich dachte, ich muss mal ein bisschen bei den Oscar-Preisträgern der vergangenen Jahre aufholen, also habe ich bei Amazon Prime Video mit dem Vorjahressieger „Parasite“ angefangen. Der Film von Bong Joon-ho wird gerne als sozialkritische Mischung aus schwarzer Komödie, heist movie und Horror-Thriller beschrieben, was ihm einerseits einigermaßen gerecht wird, einen andererseits nicht annähernd auf das vorbereitet, was man dann sieht: Eine Familie, die in ärmlichen Verhältnissen lebt, schleicht sich geschickt in das Leben einer reichen Familie, bis sich plötzlich mehr als eine überraschende Wendung vollzieht. Es ist wahnsinnig schwer, diesen Film zu beschreiben, ohne zu viel vorwegzunehmen, aber das ist ja das Tolle an Filmen: Man kann sie sich einfach anschauen! Ich war wahnsinnig beeindruckt von diesem wirklich rundherum gelungenen und Genre-sprengenden Film und hatte danach durchaus noch Gesprächsbedarf. Ein toller Nebeneffekt, wenn man einen koreanischen Film im Original guckt: Man muss die ganze Zeit auf die Untertitel achten (also: ich zumindest) und kommt so nicht in die Versuchung, auf sein Handy zu schauen.

Einmal im Bong-Fieber, habe ich auf Netflix gleich seinen vorherigen Film „Snowpiercer“ geschaut, der auch jede Menge Genre-Grenzen sprengt, aber weniger subtiles Arthouse-Drama und mehr effektgeladener Actionfilm ist. Die Prämisse (nach der globalen Klimakatastrophe fährt ein Zug mit den letzten Überlebenden, die in gesellschaftliche Klassen unterteilt sind, autark auf Gleisen um die Welt) ist Unfug, ungefähr nichts ergibt Sinn, aber die Bilder sind grandios und man kann sich dem Sog dieses Film kaum entziehen (vgl. „Sucker Punch“).

In „Selma“ von Ava DuVernay (2015 nominiert als „Bester Film“, zu sehen bei Prime Video) geht es um die Märsche von Selma nach Montgomery (Opens in a new window), die einen der wichtigsten Wendepunkte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung ausmachen. Nach drei Minuten habe ich fast einen Herzanfall erlitten, weil die Gewalt gegen People of Color so brutal und unvermittelt in den Film hereinbrach, und es sollte nicht die einzige Szene bleiben, in der mir schlicht der Atem stockte. „Selma“ ist ein beeindruckender, unaufgeregter Film, der sich ganz auf seine Geschichte und die darin handelnden Personen von Martin Luther King Jr. und John Lewis bis hin zu US-Präsident Lyndon B. Johnson konzentriert.

Einen besonderen Platz in der Oscar-Historie hat „Moonlight“ für immer sicher: Bekamen seine Macher*innen den Preis als „Bester Film“ doch erst nach dieser furchtbaren Panne (Opens in a new window), bei der zunächst „La La Land“ als Sieger ausgerufen worden war. Dabei hätte es der Film auch ohne dieses Chaos in die Geschichtsbücher geschafft, weil es auch 2017 noch eher ungewöhnlich war, dass  ein Film, in dem fast alle Charaktere People of Color sind und in dem es eine schwule Liebesszene gibt, einen Oscar erhält. Innerhalb dieses Films von Barry Jenkins passiert das aber alles ganz natürlich — oder so natürlich, wie Liebe und Sex für einen Teenager eben sein können. Der Hauptcharakter Chiron wird als Kind (Ashton Sanders), als Jugendlicher (Alex R. Hibbert) und als junger Erwachsener (Trevante Rhodes) gezeigt, wie er versucht, seinen Platz in der Welt zu finden, was bekanntlich schon so schwierig genug ist, aber umso mehr, wenn die alleinerziehende Mutter drogenabhängig ist und Homosexualität im eigenen Umfeld komplett stigmatisiert wird. „Moonlight“ (zu sehen bei Prime Video und noch wenige Tage bei Netflix) ist atmosphärisch dicht (auch wenn man noch nie in Florida war, kann man das dortige Klima förmlich spüren) und besteht aus vielen kleinen Momenten, die am Ende eben ein Leben (oder einen Film) ausmachen können.

Was hast Du gelesen? Bevor Abgesandte der Weltgesundheitsorganisation nach China reisten, um herauszufinden, wie das jetzt eigentlich wirklich abgelaufen war mit der Fledermaus, erschien im „New York“-Magazin eine große Reportage (Opens in a new window), die der „Labor-Theorie“ nachgeht, also der These, dass das Corona-Virus, das seit einem Jahr unser aller Leben bestimmt, aus einem Hochsicherheitslabor (das einzige dieser Art in China steht ausgerechnet in Wuhan, wo alles losging) „entwischt“ sein könnte. Wie die WHO auch (Opens in a new window) kommt der Text erwartungsgemäß zu keinem eindeutigen Ergebnis, aber es ist eine beunruhigende Zwischenwelt, in die man dort hineinschaut: Wissenschaftler*innen, die immer gefährlichere Viren züchten, um die Medizin darauf vorbereiten zu können, dass diese Viren irgendwann mal draußen unterwegs sind (und die offensichtlich noch nie „Jurassic Park“ gesehen haben), treffen auf Regierungen, die mehr Interesse daran haben, Fassade und Ordnung zu wahren, als Menschenleben zu retten. Nicht die beste Einschlaf-Lektüre, aber ein durchaus spannender Text!

Ezra Klein hat in der „New York Times“ aufgeschrieben (Opens in a new window), wie er die aktuelle Situation in seinem Heimatstaat Kalifornien wahrnimmt: Menschen mit „Black Lives Matter“-Schildern im Vorgarten und Bernie-Sanders-Plakaten wehren sich gegen neue Sozialwohnungen, von denen vor allem People of Color profitieren würden. Das politische System begünstige den Status Quo und alle Entscheidungen und Entwicklungen liefen unfassbar langsam ab. Auch wenn man nicht in Kalifornien lebt, ja, selbst, wenn man noch nie dort war, kann man aus diesem kleinen Aufsatz etwas mitnehmen — und wenn es nur das ernüchternde Gefühl ist, dass es im Sunshine State auch nicht groß anders zugeht als zuhause.

Eine Wiederholung der WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ hat vor zwei Wochen eine neuerliche, dringend nötige Diskussion um Rassismus, mediale Sichtbarkeit von Marginalisierten und Fernsehtalkshows im Allgemeinen ausgelöst. Matthias Dell hat bei „Zeit Online“ das konkrete Konzept von „Die letzte Instanz“ zerpflückt (Opens in a new window), Margarete Stokowski bei „Spiegel Online“ über all die Talkshows geschrieben (Opens in a new window), die „mehr Wert auf zackige Performance als auf Inhalte legen“. (Wenn Ihr Euch danach noch weiter mit dem eher unerquicklichen Thema „Schlimme deutsche Talkshows“ beschäftigen wollt, empfehle ich Euch dringend diesen Text (Opens in a new window) von Daniel Erk aus dem „Tagesspiegel“ von 2018 — oder ihr guckt mal bei „deep und deutlich“ (Opens in a new window) rein, wo meine NDR-Kolleg*innen zeigen, wie eine Talkshow aussehen kann, die sich tatsächlich für ihre Gäste und deren Geschichten interessiert.)

Was hast Du gelernt? Man kann sich das Berliner Adressbuch von 1938 (Opens in a new window) (aber auch aus vielen anderen Jahren) online anschauen, durchsuchen und anschließend bei Google Maps das Haus angucken, in dem meine Oma Teile ihrer Kindheit verbracht hat! Vom eigenen Sofa aus! Wie crazy ist das?!

https://youtu.be/Usa_BcBsHXY (Opens in a new window)

Habt ein schönes Wochenende!

Herzliche Grüße,
Euer Lukas

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