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Frauen als Minderheit im politischen Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt ist nicht mehr das Schlusslicht beim Frauenanteil in den Landesparlamenten. Doch was wurde in den vergangenen fünf Jahren im Ministerium für Justiz und Gleichstellung dafür getan und was sagen die Parteien, die auch in Regierungsverantwortung standen, dazu?

Was stand im Koalitionsvertrag der 7. Regierung Sachsen-Anhalts?

Im Koalitionsvertrag, von 2016, der CDU, SPD und Bündnis 90‘/Die Grünen standen wesentliche Punkte, die Fortschritt in Sachen Gleichstellung und Diversität erzielen sollten. Ziel war es, bis zum Ende der Legislatur einen Frauenanteil von 50 Prozent in Leitungsfunktionen der öffentlichen Verwaltung zu haben; damit sollte die Parität erreicht werden. Die Koalitionspartner erkannten, dass sie dafür die Familienfreundlichkeit der politischen Ämter, Gremien und Mandate stärken müssen.

Infobox:

Parität (Parité)

Das Wort bedeutet Gleichsetzung, Gleichstellung oder zahlenmäßige Gleichheit. Es wird in unterschiedlichen Bereichen, aber für verschiedene Sachverhalte benutzt. Im Fall des Paritätsgesetzes ist die zahlenmäßig gleiche und abwechselnde Aufstellung von Frauen und Männern für die Kandidatenlisten bei Wahlen gemeint.

Um den derzeit geringen Anteil an Parlamentarierinnen von Grund auf zu erhöhen, sollte ein Mentoring-Programm für Frauen auf kommunaler Ebene angeboten werden. Mentoring soll die Karriere und Entwicklung eines Mentee durch eine Mentor*in fördern. Dies geschieht außerhalb einer normalen Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehung. Hierbei geht es um die Weitergabe von beruflichem und persönlichem Erfahrungswissen. Frauen sollen so durch Fortbildungen,in ihren politischen Ämtern gestärkt und weitergebildet werden.

Frauenanteil des 7. Landtags von Sachsen-Anhalt

Frauenanteil

Im Rahmen des 9. Berichts über die Umsetzung des Frauenfördergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt wurde bereits 2019 ein Fazit gezogen. Im Januar 2021 nahm die Justiz- und Gleichstellungsministerin Anne-Marie Keding in einer Pressemitteilung dazu Stellung. Aus dieser geht hervor, dass das Ziel, den Frauenanteil auf 50 Prozent in Leitungsfunktionen der öffentlichen Verwaltung zu steigern, gescheitert ist. Der Anteil ist von 16 auf 33 Prozent mehr als verdoppelt worden, liegt damit aber immer noch deutlich unter dem angestrebten Ziel.

In der 7. Legislaturperiode wurde im Februar 2019 ein Gesetzesentwurf, durch die Fraktion DIE LINKE, eingebracht. Im Dezember fand eine, durch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung organisierte, Fachtagung zum Thema „Wahlrecht und Parité“ statt. Der Gesetzesentwurf wurde in zwei Ausschüssen des Landes Sachsen-Anhalts untersucht, zudem gab es im August 2019 eine Anhörung von Sachverständigen. Das Paritätsgesetz könne aber auf Landes- oder Kommunalebene nicht durchgesetzt werden, wenn es keine Verfassungsänderung auf Bundesebene gibt, das ergab ein Rechtsgutachten der Staatskanzlei.

Außerdem wurde im Koalitionsvertrag festgehalten, dass eine Verbesserung des Gleichstellungsgesetzes angestrebt wird. Stattdessen wollte die CDU ein Frauenfördergesetz auf den Weg bringen, dass laut Manuela Lück (SPD) „handwerklich so schlecht war, dass es nicht in den Landtag eingebracht werden konnte“. Weiter kritisiert sie, „dass es in Sachen Geschlechtergerechtigkeit einen massiven Stillstand, wenn nicht gar eine Rückentwicklung gab“. Der dritte Koalitionspartner, Bündnis 90‘/Die Grünen, vertreten durch Wolfgang Aldag, schließt sich diesem Tenor an. In Bezug auf das Aktionsprogramm für die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, transsexuellen und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTTI) in Sachsen-Anhalt, sagte Aldag, dass „die zuständige Ministerin da nicht sehr engagiert unterwegs“ gewesen sei.

Mentoring-Programm

Das Mentoring-Programm wurde angeboten und von 30 Frauen genutzt. Die Veranstaltung fand zweimal im Jahr statt. Zusätzlich wurden sieben weitere Seminare angeboten, die ausschließlich Frauen fördern sollten.

Angesprochen auf Frauennetzwerke, sagte Manuela Lück (SPD): „Ja es kann ruhig mehr davon (Frauennetzwerke Anm. d. Red.) geben, damit Frauen sich in der Politik gegenseitig unterstützen und motivieren“. Sie ergänzte jedoch, dass nicht wirklich ein Mangel an qualifizierten Frauen in der Politik bestehe, „sondern, dass es schwierig ist, Familie, Beruf und Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen“. Man habe kein Patentrezept für diese Situation, welche sich durch die nicht vorhandene Elternzeit bemerkbar macht. Wolfgang Aldag (Bündnis 90‘/Die Grünen) kritisierte auch die nicht vorhandene Kinderbetreuung während Landtagssitzungen, die oftmals bis in die späten Abendstunden gingen. Diese Probleme treten jedoch partei- und länderübergreifend auf und sind wichtige Baustellen für das Ministerium für Justiz und Gleichstellung. Die Politik könnte attraktiver für Alleinerziehende gestaltet werden, auch dafür wurde das Ministerium  geschaffen. Doch bislang existieren nur zwei halbe Landeskoordinierungsstellen zur Gleichstellung, verteilt auf zwei Träger. Aldag kritisiert dies, da in dieser Position offensichtlich Nachholbedarf besteht.

Frauenanteil des 8. Landtags von Sachsen-Anhalt

Fazit

Von den angestrebten zwei Zielen im Koalitionsvertrag der vergangenen Legislaturperiode wurde lediglich eines erreicht- die Umsetzung des Mentoring-Programms. Viele Prüfanträge und Anfragen zur Stärkung der Gleichstellung wurden gestellt. Herausgekommen sind zwei halbe Landeskoordinierungsstellen. Der Frauenanteil im 8. Landtag von Sachsen-Anhalt wurde von 21,8% auf 28% gesteigert. Die Landeslisten von SPD, DIE LINKE und Bündnis 90‘/Die Grünen waren paritätisch und trugen zu dieser Veränderung bei. Die beiden stärksten Kräfte des neuen Landtags, AfD und CDU, hatten mit zwei und drei Frauen auf der Landesliste keinen Einfluss auf diese Veränderung. Dieser Fakt ist umso erstaunlicher, denn das Ministerium für Justiz und Gleichstellung ist ein CDU-geführtes gewesen.

von Sören Hirsch