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Nicht wahr

Meine lieben Buddys,
es ist Montag, und heute möchte ich mal was Grundsätzliches loswerden. Denn geht es Euch manchmal auch so, dass Ihr Euch denkt:
„Das darf doch alles gar nicht wahr sein“?

Zu Beginn meiner Kabarettlaufbahn, als ich noch jung und knackig war, habe ich zu fast jedem Thema meinen Senf dazugegeben, weil es mir unter den Nägeln brannte und in den Fingern juckte.
Inzwischen bin ich alt und knackig, aber die Themen, zu denen ich meinen Senf dazugeben könnte, sind so unfassbar viele geworden, dass ich gar nicht mehr weiss, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll. Und immer öfter denke ich, dass es mich eigentlich auch nicht mehr wirklich juckt, weder in den Fingern noch sonstwo.

Dabei ist mir durchaus klar, dass diese Überflutung mit Aufregern eine bewusste Strategie ist, um jegliche kritische Kommentierung gnadenlos zu überfordern. Einfach, weil man gar nicht mehr hinterher kommt, um all den Shit da draußen gebührend einzunorden.

Hinzu kommt, als ich noch jung und knackig war, gab es zwar schon das Internet, aber noch keine Social-Media-Manie, so dass mein Senf damals noch oft ein Beitrag war, der für so manche Appetitlosigkeit als Geschmacksverstärker diente, weil die Zutaten eben noch nicht für jeden überall und jederzeit zur Verfügung standen.
Inzwischen gibt es zu jedem Rülpser auf der Welt in Sekundenschnelle so viele Kommentare, Kon- und Rezepte, dass ich mich frage, ob mein Senf da überhaupt noch notwendig ist, oder nicht eher zur Übersättigung führt.

Denn was könnte ich noch anmerken, was nicht schon dutzendmal durchgekaut wurde? Und was wäre eine Information, womöglich sogar eine Aufklärung, die wirklich noch ein neues und interessantes Detail beleuchtet, das bislang übersehen wurde?

Und spätestens seit die künstliche Intelligenz auf den Plan getreten ist, wird die menschliche Intelligenz doch geradezu ins Lächerliche gezogen, weil jeder Depp mit einem Klick alle Aspekte eines Geschehens so präsentieren kann, als wäre es eine Doktorarbeit.
Und dann stellt man einen KI-generierten Beitrag ins Netz, wo er dann von Bots diskutiert wird. Und spätestens da denke ich: „Das darf doch alles gar nicht wahr sein“

Und deswegen bin ich wirklich sowas von dankbar, dass ich einen Beruf ausüben darf, der mich am Ende des Tages in der echten Welt mit echten Menschen zusammenbringt. Auf einer Bühne zu stehen, und zur gleichen Zeit am gleichen Ort mit anderen real existierenden Personen in einem Raum zu sein, die gleiche Luft zu atmen, die gleiche Temperatur zu spüren, die gleichen Worte zu vernehmen, und dann unterschiedlich zu interpretieren und individuell zu reagieren. Ein Gemeinschaftserlebnis ohne in der tumben Masse unterzugehen.

Und das Schönste: Man wird verschont von Trollen und Hatern, die nichts besseres zu tun haben, als ihre Lebenszeit damit zu verschwenden, im Internet zu trollen und zu haten. Ein Live-Auftritt kostet eben mehr, als ein Klick am heimischen Rechner.
Man muss den Hintern vom Sofa hochkriegen, sich zu einem anderen Ort bewegen und dort ein Ticket erwerben, das immer auch eine Wertschätzung darstellt, sowohl für den Künstler, als auch für die anderen Personen. Und wer dann den Mut hat, inmitten eines Zuschauerraumes zu trollen und zu haten, der hat mit dem Eintritt zumindest auch ein Schmerzensgeld bezahlt, was die Sache ausgleicht und entschädigt. Und das darf dann gerne doch alles wahr sein.

Bis nächsten Montag,
Euer HG.

 

Topic Wöchentliches Zeug

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