Veränderungsängste
Mir war lange nicht klar, dass wir uns alle immer im Wandel befinden, dass eine Entscheidung zu treffen nicht bedeutet, sich für ein bestimmtes Schicksal zu entscheiden und immer hinter ihr zu stehen, dass #Bedürfnisse (Opens in a new window) sich ändern, Stimmungen schwanken und #Routinen (Opens in a new window) manchmal überholt gehören.
Deswegen fasste ich Veränderungen als drohende Weltuntergänge auf, fühlte mich wie jemand Unbeständiges, wenn ich Jobs wechselte oder Beziehungen beendete; dass man meinen würde, man könne mich deshalb nicht mehr ernstnehmen. Und so kam es gelegentlich.
In meiner Familie änderte sich eben nichts. Hasserfüllte Ehen wurden aufrechterhalten; unbefriedigende Jobs nicht gekündigt; Möbel, über die man ständig stolperte, nicht entsorgt.
Wer vom ersten Mal eine Prüfung nicht bestand, war ein Versager; wer vor Anfang 20 nicht den Richtigen fand, war dann wohl zur ewigen Einsamkeit verdammt. Anders gesagt: Was nicht direkt klappte, war vergebens.
Inzwischen weiß ich, dass sich dahinter eines verbirgt:
Angst.
Angst vor Veränderungen.
Angst vor dem Scheitern.
Angst davor, dass es schlimmer wird.
Angst vor Gesichtsverlust.
Angst vor dem Verlust der Identität.
Und hinzu kommt Gewohnheit, der Trott, den man einfach nicht mehr verlässt, weil man es nicht anders kennt oder vergessen hat, dass es mal anders war. Oft auch Konfliktvermeidung.
Ich selbst bin 7x in neun Jahren umgezogen.
Ich habe ein Studium abgebrochen und ein anderes dafür begonnen.
Ich habe zusätzliche Semester drangehängt.
Ich habe mich bei allen möglichen Jobs beworben und doch nicht abgenommen.
Ich habe unzählige Nebenjobs und just for fun eine Ausbildung zur Fitnesstrainerin gemacht.
Aber ich habe versucht, das Richtige für mich zu finden, habe herumprobiert, oft das abgebrochen, worin ich gut war, weil ich mir nicht vorstellen konnte, es für immer zu machen, vergessend, dass zwischen "probieren" und "für immer" ein riesiges Kontinuum liegt.
Ich hatte diese Angst dabei immer im Gepäck, aber ich konnte eben nicht anders, weil meine größte Angst war, so zu werden wie meine Familie: maximal unglücklich in ihrer angepriesenen Stabilität.