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Bindung aus Sicht der Hebamme

ein Gastbeitrag von Hebamme Christine Kruschinski

Was ist Bindung?

Bindung ist existenziell für eine gesunde psychische und soziale Entwicklung des Menschen.

Kommt ein Baby auf die Welt, ist es vollkommen hilflos und auf menschliche Nähe, Schutz und Zuwendung angewiesen. Ohne diese kann ein Baby nicht gedeihen und überleben.

Babys kommen mit einer vollkommen natürlichen und unglaublich wichtigen Neugier und ausgeprägtem angeborenem Erkundungsdrang auf die Welt. Um diesen folgen zu können, braucht ein Kind den Schutz und die Sicherheit einer zuverlässigen Beziehung. Säuglinge binden sich automatisch an die Hauptbezugsperson(en).

Dabei können sich unterschiedliche Qualitäten von Bindungen zu Familienmitgliedern entwickeln, auch zu Personen außerhalb des familiären Systems, z. B. pädagogischen Fachkräften.

Bindung ist eine oder auch die wichtigste Voraussetzung, damit Kinder die Möglichkeit haben, ihre Entwicklungsaufgaben bewältigen können.

Bindung beginnt bereits während der Schwangerschaft (unter anderem durch pränatales Bonding), setzt sich in den ersten Lebensmonaten fort und endet ca. zum Ende des zweiten Lebensjahres.

Eine sichere Bindung ist die Voraussetzung für Compliance (Fähigkeit von Kindern, sich die Erziehungs- und Verhaltensziel der Eltern zu eigen zu machen und zu verfolgen), die Entwicklung eines helfenden, prosozialen Verhaltens und die Entwicklung sozialer Kognition.

Was bedeutet Bindung aus Sicht der Hebamme?

Ab dem Tag der Geburt ist das Verhalten des Babys automatisch darauf ausgerichtet, mit den Menschen, die es umsorgen und idealerweise sein grundlegendes Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit erfüllen, eine gefühlsmäßige und dauerhafte Bindung einzugehen. Dies ist überlebenswichtig für einen Säugling und hat sich in Jahrtausenden der Evolution des Menschen nicht geändert. Bindung entwickelt sich aus der wechselseitigen Beziehung zwischen Kind und nahen Bezugspersonen.

Wie äußert sich dieses Verhalten?

Weinen, Rufen, Anklammern, Nachfolgen oder Nähesuchen gehören zum typischen Bindungsverhalten. In bedrohlichen oder ihm unbekannten Situationen möchte und muss das Kind hierdurch die Nähe zu den Hauptbezugspersonen herstellen. Eltern und Bezugspersonen verstehen meist diese Signale des Kindes und „beantworten“ sie richtig: sie wenden sich Ihrem Kind zu, trösten es, nehmen es auf den Arm und beruhigen es.

Wie sicher sich ein Kind in der Bindung zu Mutter und Vater fühlt, hängt vor allem von den „Bindungserfahrungen“ ab: Je mehr ein Kind erfährt, dass es sich auf die Nähe und Fürsorge verlassen kann, umso sicherer fühlt es sich in der Beziehung.

Wird das Kind gleichzeitig zu seinen altersgemäßen Entdeckungen und Beschäftigungen ermutigen (ohne dazu gedrängt zu werden), kann es allmählich ein Gefühl der sicheren Selbstbestimmung entwickeln.

Entwickelt sich die Bindungsbeziehung altersabhängig?

Genau wie alle Entwicklungsstufen eines Babys und Kindes, findet auch die Bindungsbeziehung in Abhängigkeit von Alter und Reife des Kindes statt.

In den ersten Lebensmonaten lernen das Baby und die Eltern sich gegenseitig kennen. Signale werden immer deutlicher erkannt, Vertrauen wird geschaffen und Nähe und Sicherheit durch idealerweise viel Körperkontakt entwickelt und gefestigt.

Darauf aufbauend kann sich ein "sicher gebundenes" Kind zu mehr und mehr Selbstständigkeit entwickeln, da es instinktiv wissen kann, dass es einen sicheren Haltepunkt hat, zu dem es immer wieder zurückkehren kann. Dieses Wissen nimmt ein Kind mit in sein späteres Leben, in die eigene Welt des Elternseins und gibt es an seine eigenen Kinder weiter.

Immer wieder stellt sich bei all dem jedoch für viele Eltern die Frage, ob es auch ein "zu viel" an Bindung geben könnte oder ob dem Kind in seiner Entwicklung nicht eher geschadet wird, wenn auf seine natürlichen Bedürfnisse relativ umgehend geantwortet wird. "Gewöhnt sich das Baby da nicht dran und wird verwöhnt?"

Bindung und "Verwöhnung" sind völlig unterschiedliche Dinge. Kein Mensch auf dieser Welt wird aufgrund von zu viel Bindung zum Tyrannen. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Bindung trägt dazu bei, dass sich ein Mensch sicher und psychisch gesund in seinem Leben bewegen kann. Verantwortungsvoll sich selbst und anderen gegenüber.

Wird ein neuer kleiner Mensch gezeugt, sind seine ersten Empfindungen in vollkommener Verbindung zu seiner Mutter im Mutterleib. Die ersten Geräusche die er hört, sind die Stimme der Mutter, Vater, Geschwister. Das Baby hört den Herzschlag der Mutter, das Einströmen der Luft in die Lungen, das Gluckern in Magen und Darm der Mutter, die gedämpften Außengeräusche uvm. Es spürt durch eingehüllt in Fruchtwasser und Gebärmutter die Bewegungen der Mutter, die Peristaltik der umgebenden Organe, wird permantent dadurch stimuliert, spürt ob die Mutter glücklich oder gestresst ist. Dies ist ein unglaubliches Band welches entsteht.

Und dies ist der Anfang der späteren Bindungsbasis. Wird das Baby nun geboren und der Nähe entzogen oder in ihr eingeschränkt, gehen alle Systeme des kindlichen Körpers und Geistes in angeborene Alarmbereitschaft, denn es fühlt sich instinktiv seiner Sicherheit beraubt und in Lebensgefahr. Durch Zuwendung und Nähe kann das Kind lernen, dass es in einer sicheren Umgebung ist und keiner Bedrohung ausgesetzt ist, sondern beschützt ist. In meinen Betreuungen gebe ich den Familien immer folgendes Beispiel: "Im Grunde sind unsere Instinkte immernoch die der Steinzeitmenschen. Wir haben hier eigentlich ein kleines Steinzeitbaby, das instinktiv weiss, dass es vom Säbelzahntiger gefressen werden kann, wenn es z.B. vollkommen alleine in der Nachbarhöhle liegt und niemand da ist um es zu beschützen." Und daher springen alle Alarmsysteme an und es muss sich regelmäßig vergewissern, dass es nicht alleine ist, sondern alles in Ordnung und das Baby nicht alleine ist.

Ein sicher gebundenes Kind hat die Möglichkeit sicher zu lernen, dass es in einer geborgenen Umgebung wachsen kann.

Ein Kind, dem diese sichere Bindung fehlt, ist ständig in Alarmbereitschaft und kann sich instinktiv nicht sicher fühlen. Dies führt zu Verhaltensstrategien, die die oben genannte gesunde psychische und soziale Entwicklung des Menschen beeinträchtigen können.

Wir dürfen für einen kleinen Zeitraum das Geschenk annehmen, einen neuen kleinen Menschen auf seinem Weg ins Leben zu begleiten. In unseren Händen liegt ein ganzes neues Leben.

Wir machen dabei Fehler, das ist normal und lässt sich nicht verhindern. Aber eine sichere Bindung von Anfang an ermöglicht es unseren Kindern trotz Fehlern, Höhen und Tiefen, Sackgassen und Umwegen sicher weiterhehen zu können. Mit der Sicherheit der Bindung im Rücken. Und darauf kommt es doch an.

Anm. von Annette: Wisst ihr, was das Beste ist? Ihr könnt noch mehr Infos von Christine bekommen, denn sie hat auch eine Steady-Seite. Besucht sie doch mal unter www.steadyhq.com/hebamme-christine-kruschinski (Opens in a new window) 😍

Topic Pädagogik 📖

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