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Eine Lange Nacht der Care-Arbeit

Bausteine für eine fürsorgliche Gesellschaft

Die Nächte waren lang, nicht weil wir kranke Kinder hatten und Bettzeug wechseln mussten, es fiel keine Kümmerarbeit an, sondern der Audio-Schnitt für eine Radiosendung ÜBER die Kümmerarbeit. “Die Lange Nacht” ist der Name eines Formats, das es so im Radio nur noch beim Deutschlandfunk und Deutschlandradio gibt: drei Stunden am Stück zu einem Thema, nicht live moderiert, keine Gäste und Einspieler, sondern Interviews, die wir im Vorfeld geführt hatten, geschnitten und collagiert mit Texten, Musik und Tagebucheinträgen… ein vorproduziertes Hörbild also, das sich einem Thema ausführlich annimmt. Unsere Lange Nacht vom April dieses Jahres trägt den Titel:

“Fürsorge und Menschenwürde

Eine lange Nacht vom Wert der unsichtbaren Arbeit”

Blick ins Studio, Aufnahmen für die Sendung. Und Ausschnitt aus dem Programmheft der Langen Nacht mit dem Titel der Sendung

Wir haben dafür viele Menschen getroffen und interviewt, die mit einem Teilaspekt dieses großen Themas zu tun haben, beruflich oder privat, als Forschende oder als Care-Tätige.

Autor: Diese Lange Nacht erzählt vom kindlichen Streben nach Unabhängigkeit und der späteren Erkenntnis, immer abhängig zu bleiben, mal mehr, mal weniger, und von wechselnden Menschen. Sie erzählt von Verantwortung und Erfüllung, von Menschenwürde, von Gewinn und Verlust.
Autorin: Sie erzählt davon, wie wir von der ersten bis zur letzten Minute unseres Lebens angewiesen auf die Care-Arbeit anderer.
Autor: Und davon, wie wir selber lernen, Sorgearbeit für andere zu leisten … übrigens auch für uns selbst … und dass wir das offensichtlich nicht alle in gleicher Weise lernen.
Autorin: Wir beginnen mit dem Themenbereich Geburt, Kindheit und Jugend. Wie werden wir empfangen, wie finden wir hinein in diese Welt?
Autor: Danach geht es um die Lebensphase rund um Berufstätigkeit, Familiengründung und die entscheidende Frage: wie teilen wir die Sorgeverantwortung untereinander auf, privat und beruflich?
 Autorin: Später nehmen wir Abschied und blicken vom Ende her auf das Leben zurück, auf Familie und Gesellschaft. Es geht um den Tod, und wie wir ihn uns mehrheitlich wünschen: sterben in gewohnter Umgebung, begleitet von den Menschen, die uns nahestehen.
Portraitfoto Martina Hahn

Vorsorge treffen fürs eigene Altern

Unter den vielen, die wir getroffen haben war zum Beispiel Martina Hahn, Kappellenwartin aus Wuppertal. In der Sendung kommt sie vor allem im Wechsel mit Markus Neef vor, Internist und Palliativmediziner:

O-Ton Martina Hahn: Ich glaube, das ist schwierig, dass da so wenig drüber geredet wird. Und immer erst, man schiebt es so weg. Also das höre ich auch oft: “Ich muss mich mal um meine Pflegevollmacht kümmern und für meine Vorsorgevollmacht und so und diese ganzen Zettel”. Und das hat ja mit Müssen überhaupt nichts zu tun. Man hat halt die Chance, das niederzulegen.

O-Ton Markus Neef: Und ja, der ältere Herr hat keine Vorsorge getroffen für diesen Fall. Aber warum auch aus seiner Wahrnehmung? Es war ja alles in Ordnung, hat keinen Pflegegrad, der muss jetzt erst beantragt werden. Der Medizinische Dienst muss ins Krankenhaus kommen, um den Pflegegrad zu beurteilen, weil ich ihn ja nicht nach Hause entlassen kann. Dann muss ein Pflegedienst gefunden werden.

O-Ton Martina Hahn: Das sehen wir dann, und dann wird halt holterdiepolter viel entschieden. Und oft landen Menschen dann auch in einem Heim und haben auch nicht Abschied genommen von ihrem Zuhause, von ihrem Leben und einfach, weil alles so furchtbar ist. Und haben dann noch mal im hohen Alter diese Herausforderung, sich neu einleben zu müssen.

O-Ton Markus Neef: Und vielleicht, wenn es dann gut geht in Anführungsstrichen, kann der ältere Herr wieder in die Umgebung, in die er gerne möchte, nämlich wieder nach Hause. Und dann geht das hoffentlich gut mit einem Pflegedienst, der zwei oder drei Mal am Tag kommt und ihm dann hilft bei der täglichen Versorgung und der Verrichtungen, die so gemacht werden müssen.
Die Grauzone setzt sich zu Hause fort. Man versucht das vorher gut auszuleuchten aus der Ferne. Das ist selten bis nie so, dass jemand mal zu dem nach Hause fährt und guckt: Wie ist das denn da? Wir haben da jetzt viel Erfahrung mit, und nach einer Weile weiß man, dass das zu der Tätigkeit dazugehört. Aber man denkt natürlich schon mal als Arzt gerne, ja, ich möchte doch eigentlich die Leute gesund machen oder ihnen helfen, wenn sie krank sind.

O-Ton Martina Hahn: Ja, und wenn man das frühzeitig kommuniziert und mitteilt, ist das natürlich eine wahnsinnige Hilfe für die anderen, weil sie einfach wissen, was Sache ist und für einen selber, weil man kriegt, was man will, was ja irgendwie eigentlich das Beste ist, was einem in so einer Situation passieren kann.

“Relevanzverlustangst”

Auch zu Wort in der Langen Nacht kommt Patrick Metz, Diplom-Ingenieur aus Darmstadt, der sich mit Jobsharing befasst. Auf den ersten Blick ein Thema rund um Eltern und Vereinbarkeitsmodelle, aber das ist zu kurz gedacht. Patrick Metz hat den Begriff des Relevanzverlustes mit ins Gespräch gebracht, das Nicht-Loslassen-Können, wenn die Erwerbsarbeit eine große Rolle im Leben spielt. Das klingt erst nach einem Problem, das jede*r Einzelne für sich selbst sortieren muss, aber tatsächlich liegt da eine genauso große Verantwortung und Chance von Unternehmen:

Portraitfoto Patrick Metz. + O-Ton Patrick Metz: Für Unternehmen hat das einen total großen Mehrwert, denn ich meine, wir haben heute einen Fachkräftemangel, der spitzt sich ja immer mehr zu und gleichzeitig schicken Unternehmen heute in Abfindungsprogrammen ganz gerne auch mal die die Älteren in den Vorruhestand, auch weil die ja auch häufig auch teurer sind und vielleicht auch nicht mehr 100 % leistungsfähig.

Ein Dank an alle, die wir interviewen durften!

O-Töne von (in der Reihenfolge ihres Auftretens): Lisa von  Reiche, Andreas von Westphalen, Franziska Schutzbach, Monika Brühl, Mareike Fuisz, Jo Lücke, Nadja Arvanitidis, Boris von Heesen, Julian Schmitz, Martin Scheel, Asha Hedayati, Anne Leichtfuß, Anja, Martina Hahn, Markus Neef, Doris und Bernhard, Betty, Patrick Metz.

Die Lange-Nacht im Podcast nachhören

Als Radiofeature lief unsere Lange Nacht schon im April im Deutschlandfunk und Deutschlandradio, aber Ihr könnt sie online nachhören. Auf Spotify (Opens in a new window) oder auf den Seiten des Deutschlandfunks (Opens in a new window). Als podcast trägt sie den Titel:

Care-Arbeit.
Bausteine für eine fürsorgliche Gesellschaft

Ein herzlicher Dank für Euer Interesse, und an die vielen, die in dieser Sendung zu Wort kommen, für ihre Zeit, für ihr Wissen und ihre (Care-)Arbeit!

Foto von den Studioaufnahmen, Blick von oben auf Tisch mit Mischpult, Bildschirmen und Boxen, mit Fenster in der Wand und Durchblick zu den Sprecher*innen-Plätzen und Mikrophonen.
Klein, hinten im Bild: Sigrid Burkholder, die den Sprecherinnen-Part liest. Studioaufnahmen im Deutschlandfunk Köln, April 2024

wir wünschen viel Freude beim Hören,

und schicken bunte Grüße,

Almut Schnerring & Sascha Verlan zusammen mit Jan Großmann und dem Wort & Klang-Kollektiv

* Quellen & mehr
  • über das Wort & Klang- Kollektiv:

https://wu2k.de/kollektiv/ (Opens in a new window)
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Topic Küchen-Post

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