Werden die Bauernproteste von rechten Extremisten unterwandert und dadurch delegitimiert, oder was wir aus den Wackersdorf-Protesten der 1980er Jahre lernen könn(t)en
Der ganze Schlamassel begann mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am 15.11.2023, demzufolge der im Jahr 2022 von der Ampelkoalition beschlossene Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 verfassungswidrig ist. Sarkastisch müsste man der Ampel empfehlen, dass SPD, Grüne und FDP gemeinsam das Bundesverfassungsgericht auflösen sollten.
Aber zurück von der noch nicht realen Abschaffung des lästigen Verfassungsgerichtes hin zur harten Wirklichkeit: Haushaltsmittel, die für die Bekämpfung der Corona-Pandemie bestimmt, aber nicht komplett ausgegeben worden waren, etwa 60 Milliarden Euro, wurden von der Ampel in den "Klima- und Transformationsfonds" (KTF) umgeschichtet. Dagegen klagte die CDU/CSU-Fraktion vor dem BVerfG und erhielt Recht.
Die Regierung aus SPD, Grünen und FDP musste nun schnell dieses 60 Mrd.-Loch stopfen und strich unter anderem die Kfz-Steuerbefreiung und die Subventionierung des Agrardiesels für Landwirte ohne Vorwarnung, ohne Debatte. Was dabei vergessen wurde: die deutschen Bauern geraten gegenüber ihren europäischen Pendants kostenmäßig in einen empfindlichen Wettbewerbsnachteil. Nur die niederländischen Kollegen sind noch schlechter gestellt, und das führte dort bereits zu einem Erdrutschsieg der neu gegründeten “BBB BoerBurgerBeweging” (zu deutsch Bauer-Bürger-Bewegung), die im März 2023 bei den Wahlen zu den Provinzparlamenten landesweit zur stärksten Partei wurde. Zwar konnte die holländische BBB bei den Parlamentswahlen diesen Erfolg nicht wiederholen und erlangte nur einen Sitz, doch die Partei für die Freiheit PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders feierte an ihrer Statt einen deutlichen Stimmenzuwachs - für das gesellschaftliche Klima definitiv eine Verschlechterung.
https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/faktencheck-preise-fuer-agrardiesel-eu-vergleich-615259 (Opens in a new window)Nun schwappte die Wut auf die deutschen Landbearbeiter über. Am 04. Januar blockierten über 100 aufgebrachte Menschen die Fähre, welche auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an Bord hatte, am Hafen in Schlüttsiel. Videomitschnitte ließen einen Sturm auf die Fähre vermuten, Tumulte, Geschrei, fast wie eine deutsche Variante des Sturms auf das amerikanische Kapitol am 06. Januar 2021. Ein Angriff auf einen Amtsträger, ein Gewaltakt gegen einen Repräsentanten unserer Demokratie.
Der NDR veröffentliche tags darauf indes einen Bericht, nach dem es entgegen einiger früherer Medienberichte keinen Versuch der Bauern und weiterer Personen gegeben haben soll, die Fähre zu stürmen. Im Gegenteil wiesen Teilnehmer der Blockade dies entschieden zurück, es sei alles ruhig verlaufen, und auch die Polizei bewertete laut dem Bericht die in den Videos gezeigten Tumulte im Moment des Ablegens als eine Folge des Drucks aus der Menschenmenge. Dies habe zu der auf den Bildern zu sehenden Situation geführt.
Seit dem 11. Januar nun legen die Bauern mit ihren Traktoren die Städte für Stunden lahm. Die Reaktionen in den Medien sind wiederum zum Teil heftig. Der SPIEGEL spricht vom “motorisierten Mistgabelmob”, die ZEIT recherchierte und fand Anthony-Robert Lee vom Verein “Landwirtschaft verbindet Deutschland e.V.” (LsV Deutschland e.V.), der Bauerndemos mit organisiert. Der streitbare Stadtrat Lee aus dem niedersächsischen Rinteln hatte 2023 aus Kritik an deren Bundespolitik die CDU verlassen und nannte damals als Gründe den Atomausstieg, die Abschaffung der Wehrpflicht, die Flüchtlings- und die Finanzkrise. Zudem steuere die Union auf eine Schwarz-Grüne Koalition zu, was er nicht mit sich vereinbaren könne. Lee sprach sich aber auch gegen die AfD als politische Verbündete der Bauernschaft aus: Die AfD sei schon wegen Personen wie Björn Höcke unwählbar, so dass für ihn nur der Übertritt zu den “Freien Wählern” (FW) konsequent war. Wegen seiner Aussage, die Politiker wollten das Land der Bauern enteignen, um darauf Industrieanlagen oder Flüchtlingsunterkünfte zu errichten, ordnen ihn die ZEIT-Journalisten im rechtsextremen Verschwörermilieu ein. Wer bei den “Freien Wählern” des Hubert Aiwanger anheuert, ist aus dieser Sicht automatisch schnurstracks direkt auf dem Weg ins rechtsradikale Milieu. Anders als der als schwach geltende Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied, wie historisch die Mehrheit aller Vorsitzenden des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Mitglied in der CDU, habe Lee seinen LsV gut vernetzt und verfüge über hohes Organisationstalent. Zweifellos hängt Lee rechtskonservativem Gedankengut an, aber ist er dadurch schon ein erwiesener Extremist und Rassist? Und selbst wenn man, wie die ZEIT, diese Frage bejaht, ist dann dieses Denken in die Forderungen, in die Parolen der streikenden Bauern eingeflossen? Sind die Landwirte mit ihrer Kritik auf die Linie rechtsextremer Rattenfänger eingeschwenkt, den Hetzern auf den Leim gegangen?
https://www.dewezet.de/lokales/hameln-pyrmont/das-sind-seine-gruende-landwirte-sprecher-anthony-lee-verlaesst-die-cdu-ZA255ZZF27DFB54EE5ZEDFY4BZ.html (Opens in a new window)https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-01/rechtsextreme-bauernproteste-organisator-unterwanderung (Opens in a new window)https://www.spiegel.de/kultur/bauernproteste-in-deutschland-wenn-der-landmann-wirklich-wuetend-wird-a-9a5eb737-ce05-40cf-a13b-4d25ef5ec012 (Opens in a new window)Die Plakate der Bauern lesen sich wie “Stirbt der Bauer, stirbt das Land”, “Stoppt die Ampel. Rettet den Mittelstand”, “Gegen das Höfesterben”. Immer wieder wird eingefordert, dass die Politik nicht einseitig über die wirtschaftliche Zukunft der Bauern entscheide, sondern mit ihnen rede. Nach rechtsradikaler Hetze klingt das nicht.
Diese Einsicht dürften auch zwei amtierende Ministerpräsidenten geteilt haben: Brandenburgs Landesherr Dietmar Woidke (SPD) stellte sich in Cottbus den protestierenden Agrariern und sagte ihnen seine volle Unterstützung zu. Die geplanten Kürzungen wie z.B. der stufenweise Abbau des Steuerprivilegs für Agrardiesel müssten vollständig zurückgenommen werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), auch in Brandenburg anwesend, ließ sich indes leider nicht blicken. Der bayerische Regierungschef Dr. Markus Söder (CSU), ohnehin nie um vollmundige Sprüche verlegen, verkündete am 12. Januar bei der Nürnberger Sternfahrt der Bauern: “Macht weiter, wir unterstützen euch zu 100 %“. Es wird spannend sein, wie Woidke und Söder diese Zusagen einhalten wollen. Man darf davon ausgehen, dass beide Ministerpräsidenten aber vorher zumindest abgewogen haben, ob diese Aussagen ihnen negativ und wahlschädigend als Rechtslastigkeit ausgelegt werden könnten.
Dennoch hält sich das Narrativ der rechten Unterwanderung weiter hartnäckig, Die IG Metall-Chefin Christiane Brenner befürchtet eine “massive” Unterwanderung von rechts, die Rechtsextremismus-Forscherin und Psychologin Pia Lamberty vom “Center für Monitoring, Analyse und Strategie” (CeMAS) in Berlin sieht eine “Instrumentalisierung” durch Rechte, ebenso die ökologisch ausgerichtete Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (abl). Laut einer Meldung des SPIEGEL schon am 06.01.2024, also vor dem Beginn der Aktionen, registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) zahlreiche Mobilisierungsaufrufe. Darunter seien Aufrufe für einen »Generalstreik« und »Umsturzrandale« sowie für eine »Unterwanderung« der Demonstrationen. Die Nazi-Kleinstpartei »Der III. Weg« (ca. 700 Mitglieder laut Bundes-Verfassungsschutzbericht 2022; seltsamerweise trotz eindeutig offener NS-Ideologie nicht verboten) spreche laut der Polizei von einem möglichen Bauernaufstand. AfD-Mitglieder und Funktionäre der Partei würden als Veranstaltungsanmelder fungieren oder seien als Redner vorgesehen. Einen Aufruf gebe es auch von der neurechten Initiative »Ein Prozent«.
https://www.spiegel.de/politik/behoerden-warnen-vor-unterwanderung-der-bauernproteste-durch-extremisten-a-c2e06b96-189d-4d5b-8935-a898698bc93d (Opens in a new window)Die sächsische Linke findet immerhin grundsätzlich unterstützende Worte für die Anliegen, fordert aber die Traktorfahrer auf, sich von den Rechten abzugrenzen.
Dass der Vorsitzende der “Deutschen Polizeigewerkschaft” (DPolG), Rainer Wendt, gegenüber der WELT keine Anzeichen für eine Unterwanderung findet, bleibt in der medialen Auseinandersetzung fast unerwähnt. Und dass Bauernpräsident Rukwied gegenüber der “Bild am Sonntag” erklärt: »Rechte und andere radikale Gruppierungen mit Umsturzgelüsten wollen wir auf unseren Demos nicht haben« - das alles änderte nichts, der Vorwurf bleibt haften.
Wie die Bauern dann diese Abgrenzung allerdings konkret vollziehen sollen, diese Antwort bleiben ihnen ihre Kritiker freilich bislang schuldig. Es dürfte auch schwerfallen mit praxistauglichen Tipps! Ein Schwenk auf die Traktoren-Sternfahrt vom 12. Januar 2024 auf den Volksfestplatz in Nürnberg mag dies verdeutlichen: Laut Polizeiangaben zählte die Kundgebung auf dem Volksfestplatz etwa 5.000 Teilnehmer. Vor der Versammlung hatten sie mit etwa 2.500 Traktoren und Landmaschinen eine Sternfahrt in die fränkische Großstadt unternommen, was zu Verkehrsbehinderungen führte (Quelle: “Münchner Merkur”). Wie sollen die Bauern hier in dieser Menge genau jemanden herausfiltern, dessen Parolen rechtsextremes Gedankengut projizieren, vielleicht aber sogar auf den ersten Blick nicht einfach und eindeutig als rechts identifizierbar, sondern mit szenespezifischen Begriffen verklausuliert?
Dieses Dilemma ist nicht neu, schon immer gab es in der bundesrepublikanischen Geschichte Probleme der Regierenden mit der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. “Straßenproteste jedweder Art werden seit einigen Jahren und mit wachsender Routine als rechtsextrem oder rassistisch angeprangert. Das hat Tradition, unter Konrad Adenauer war Protest immer kommunistisch.”, schreibt der Kolumnist Harald Martenstein in der WELT und trifft den Nagel damit auf den Kopf.
Die Ostermärsche in den 1950er Jahren gegen die Einführung der Bundeswehr und den Beitritt zur NATO - ganz klar, die Teilnehmer waren alle nützliche Idioten der Kommunisten, der SED-Propaganda, der Sowjetdiktatur. Die 68er, die APO, de Studentenrevolten, alle diese von den konservativen und reaktionären Eliten als Langhaarige und Drogensüchtige, Verlotterte und Arbeitsscheue pauschal Abqualifizierten waren Handlanger des sowjetischen und rotchinesischen Staatssozialismus. Die Anti-AKW-Bewegung und die Friedensdemos der späten 1970er und beginnenden 1980er Jahre wurden als “Fünfte Kolonne Moskaus” verunglimpft, unter anderem vom damaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Zwar war richtig, dass sich unter unbescholtene Protestierende auch sowjettreue DKP-Anhänger und Mitglieder diverser K-Gruppen wie KBW, AB für den Wiederaufbau der KPD oder KPD/ML mischten. Und es ist zutreffend, dass Aktivisten aus dem K-Gruppen- und linksradikalen Straßenkämpfer-Spektrum wie Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Winfried Kretschmann, Ralf Fücks, Antje Vollmer, Krista Sager, Joscha Schmierer, Thomas Ebermann die sich neu formierenden “Grünen” faktisch an Schlüsselpositionen kaperten. Wäre dies aber nur ein Manöver geblieben, um kommunistische Ideologie in neuem Gewand politisch durchzusetzen, wäre dies gescheitert. Nein, ungeachtet der kommunistisch, linksextremistisch inspirierten Mitstreiter und Mitorganisatoren hatte die Umwelt- und Friedensbewegung eine eigene, selbstständige, in den realen Lebensumständen begründete Agenda, ein Anliegen, das weit über linke Verschwörer- und Umsturzphantasien hinausging und das sie eben nicht zu den angeblichen “nützlichen Idioten” der Linken machte.
https://wetzlar-kurier.de/2355-deutsche-friedensbewegung-ist-die-5-kolonne-moskaus/ (Opens in a new window)Das Beispiel der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf soll hier dieses altbekannte Schema der Verunglimpfung der Bürgerinnen und Bürger, übrigens der “Souverän” in der Demokratie, durch abgehobene Regierungspolitiker etwas verdeutlichen:
Die Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf im oberpfälzischen Landkreis Schwandorf (Bayern) sollte nach den Plänen des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) die zentrale Anlage für abgebrannte Brennstäbe aus Kernreaktoren in Deutschland werden. In der mit hoher Arbeitslosigkeit heimgesuchten Region sollte das Projekt umgesetzt werden. Bald kamen Zweifel an der sicherheitstechnischen und betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit auf. Die hohe Zahl an Atommülltransporten, die immensen Kosten für die Lagerung hochgiftiger Abfallprodukte, eventuelle Gesundheitsrisiken durch die Abluft aus einem 200 Meter hohen Kamin und die theoretische Möglichkeit der Verwendung von Plutonium für Atomwaffen verunsicherte die Bevölkerung vor Ort. Bereits Ende 1981 gründete sich deshalb eine “Bürgerinitiative Schwandorf” gegen die WAA, noch im selben Jahr fand eine Demonstration von 3.000 Menschen statt. Der zuständige Schwandorfer Landrat Hans Schuierer (SPD), gelernter Maurer und klassischer Arbeiter-Sozialdemokrat, seit 1972 unangefochten im Amt und frei von wilden revoluzzerischen Plänen, verweigerte die bau- und wasserrechtliche Genehmigung für die WAA, was die CSU-Staatsregierung mit einer eilig durchgeboxten Verfahrensänderung (“Lex Schuierer”) durch die nächsthöhere Aufsichtsbehörde überging. Dieses selbstherrliche Verhalten der Regierung trieb immer mehr Menschen in den Widerstand, Menschen, die vorher teilweise nicht viel mit Politik zu tun hatten und auch frei von “linken” Anwandlungen waren: normale Angestellte und Arbeiter, Bauern, Handwerker, Unternehmer, Lehrer, Künstler, Pfarrer und Religionslehrer, Jung und Alt, Frauen und Männer, konservative, linke und bis dato unpolitische Leute. Wie reagierte die Staatsmacht: Ministerpräsident Strauß tat diese Menschen nur lapidar als “Gspinnerte” ab und wollte einfach seinen Bau durchziehen.
Der Konflikt wuchs sich zu einem bundesweiten Politikum aus. Zur Ostermontags-Demo am 31. März 1986 versammelten sich 100.000 Protestierende, darunter jetzt auch aus ganz Deutschland und aus dem Ausland angereiste Autonome, Streetfighter und Intensiv-Gewalttäter, jahrelang erfahren in der Organisation und Taktik blutiger Straßenschlachten. Diese aggressiven Gruppen mischten sich unter die deutliche Mehrheit friedlicher Demonstranten.
Der SWR-Hörfunkjournalist Ulrich Böken berichtete damals: “Wie in Brokdorf (1977) und Gorleben (1980) kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Vermummte Demonstranten versuchten, über den Eisengitterzaun auf das WAA-Gelände zu gelangen, beschossen die Polizisten mit Stahlkugeln und setzten Fahrzeuge in Brand. Die Staatsmacht ihrerseits provozierte mit tieffliegenden Hubschrauberflügen und Reizgasgranaten, die sie in die Mengen warfen.”
https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/demonstration-gegen-die-wiederaufarbeitungsanlage-in-wackersdorf-100.html (Opens in a new window)https://taz.de/!1816447/ (Opens in a new window)Die Staatsregierung forderte die friedlichen Demonstranten auf, sich von den linksradikalen Gewalttätern nicht nur zu distanzieren, sondern diese auch abzusondern. Doch wie sollte das in der Praxis geschehen? Sollte die unbescholtene Kassiererin vom ALDI, der Pfarrer an der Realschule oder die Buchhalterin im örtlichen Handwerksbetrieb mit liebem Zureden oder dann mit Schubsen, Drängeln oder Fußtritten kampferprobte Schläger vertreiben? Ein unmögliches Verlangen.
Parallel dazu wurde der renitente Landrat Schuierer mit insgesamt 18 Anklagen und zahlreichen Disziplinarverfahren überzogen; er sollte zermürbt und zerrüttet werden. Franz Josef Strauß und sein Innenminister August Lang (beide CSU) scheuten sich nicht, Schuierer als „Volksverhetzer“, „Rädelsführer“ zu diffamieren und ihn der “Sabotage” zu bezichtigen. Und als Steigerung durfte natürlich nicht der Vorwurf fehlen, der Sozialdemokrat Schuierer sei ein „Steigbügelhalter des Kommunismus“. Nichts war zu dreist, zu perfide oder einfach zu blöd für die Schmutzkampagne gegen ihn, und die selbstherrlichen CSU-Oberen merkten nicht einmal, wie sehr sie sich von den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung in Wackersdorf und dem Umland entfernt hatten.
Erst als Franz Josef Strauß im Oktober 1988 verstarb, wurde in der Folge das WAA-Projekt von der CSU zügig beerdigt. Heute steht dort der “Innovationspark Wackersdorf”.
Die Lehre von damals wie heute kann nur lauten, dass Regierungen die Kritik und Proteste von Bürger*innen nicht ignorieren, sondern sie ernst nehmen sollten. Und das bedeutet, dass Politiker mit unerfreulichen und unangenehmen Forderungen konfrontiert werden. Dagegen ist in einer Demokratie Diskussion und Debatte gefordert, nicht Diffamierung Andersdenkender als “rechts” oder “links”, als “extremistisch”, “rassistisch”, “umstürzlerisch”. Es geht auch nicht an, dass die Regierung mit Hilfe von Verfassungsschutz, Polizeibehörden und willfährigen Gehilf*innen aus den Medien unerwünschte Kritik unterdrückt.
Bedenklich ist aber die Reaktion unserer Regierenden und auch leider der Mehrheit der Medien. Bertolt Brecht hat seine Kritik zeitlos gültig ausgedrückt: "Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?"