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Einführung in die bilaterale Stimulation bei EMDR und Emoflex und die Rolle des AIP-Systems

Die Rolle der bilateralen Stimulation in der Traumaverarbeitung

Einführung

Die bilaterale Stimulation ist ein zentrales Element in der Traumatherapie, insbesondere in Verfahren wie der EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Bei der bilateralen Stimulation handelt es sich um abwechselnde, rhythmische Bewegungen, die entweder visuell, auditiv oder durch Tapping (leichtes Klopfen) erzeugt werden. Diese Methode hat sich in den letzten Jahrzehnten als hochwirksam in der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen Traumafolgestörungen erwiesen.

Wie funktioniert die bilaterale Stimulation?

Bilaterale Stimulation kann man sich als eine Art "Reset"-Schalter vorstellen, der das Gehirn dazu anregt, stressbeladene oder traumatische Erinnerungen zu verarbeiten. Die Mechanismen dahinter sind vielschichtig, aber im Wesentlichen werden zwei Haupttheorien diskutiert:

  1. Neurophysiologische Synchronisierung: Durch die abwechselnde Stimulation beider Gehirnhälften wird die Kommunikation zwischen den Hemisphären gefördert. Dies hilft dem Gehirn, dysfunktionale, traumatisch bedingte Verbindungen zu durchbrechen und neue, gesündere Verbindungen herzustellen. Die Theorie besagt, dass durch bilaterale Stimulation eine Art Neuverkabelung erfolgt, die negative Emotionen entschärft und den Zugang zu gesunden kognitiven Ressourcen ermöglicht.

  2. Aktivierung des adaptiven Verarbeitungssystems: Ein weiterer Mechanismus der bilateralen Stimulation liegt in der Aktivierung des sogenannten adaptiven Informationsverarbeitungssystems (AIP-Modell). Dieses System wird als natürlicher Prozess verstanden, der das Gehirn in die Lage versetzt, unverarbeitete Erinnerungen in einer Art ähnlich dem REM-Schlaf zu verarbeiten. Dabei werden die emotionalen Belastungen der Erinnerung reduziert, sodass sie nicht länger den Alltag beeinflussen.

Das adaptive Informationsverarbeitungssystem (AIP)

Das AIP-System ist ein theoretisches Modell, das davon ausgeht, dass das menschliche Gehirn die Fähigkeit besitzt, belastende Erfahrungen auf natürliche Weise zu verarbeiten und zu integrieren. Diese adaptive Informationsverarbeitung wird jedoch oft durch traumatische Ereignisse blockiert oder gestört, sodass Erinnerungen in einer unverarbeiteten Form gespeichert bleiben. Das bedeutet, dass diese Erinnerungen nicht in das bestehende Netzwerk von Erinnerungen und Erfahrungen integriert werden und dadurch immer wieder zu emotionalem Stress führen können.

Durch bilaterale Stimulation wird das AIP-System reaktiviert und unterstützt, sodass das Gehirn wieder Zugang zu den unverarbeiteten Informationen erhält. Dabei werden die traumatischen Erinnerungen in einen adaptiven Verarbeitungsprozess eingebracht, der es ermöglicht, die belastenden Inhalte neu zu bewerten, umzustrukturieren und in das autobiografische Gedächtnis zu integrieren. Das AIP-Modell beschreibt diesen Prozess als eine Transformation von fragmentierten, emotional aufgeladenen Erinnerungen hin zu einer kohärenten, neutralen Erinnerung, die nicht mehr emotional belastend wirkt.

Ein zentraler Aspekt des AIP-Systems ist die Annahme, dass traumatische Erinnerungen oft mit Überzeugungen und Gefühlen verbunden sind, die in einem verzerrten Kontext stehen. Zum Beispiel könnten Überzeugungen wie "Ich bin hilflos" oder "Ich bin in Gefahr" tief in das Gedächtnis eingebrannt sein. Das AIP-Modell ermöglicht es, diese Überzeugungen durch neue, gesunde Überzeugungen zu ersetzen, die auf einer realistischeren Sicht der Situation beruhen. Die bilaterale Stimulation spielt hierbei eine wesentliche Rolle, indem sie das Gehirn dabei unterstützt, diesen Prozess zu initiieren und zu begleiten.

Ein weiterer interessanter Aspekt des AIP-Systems ist die Nähe zum natürlichen Verarbeitungsprozess, der im REM-Schlaf stattfindet. Im REM-Schlaf, der durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet ist, werden Informationen des Tages verarbeitet, sortiert und in das Langzeitgedächtnis integriert. Die bilaterale Stimulation erzeugt eine ähnliche Art der Stimulation, wodurch ein Zustand erzeugt wird, in dem das Gehirn optimal darauf vorbereitet ist, unverarbeitete, belastende Inhalte zu reorganisieren und zu integrieren. Durch diesen Prozess werden negative Emotionen entschärft, und die Erinnerung verliert ihren bedrohlichen Charakter.

Wissenschaftliche Belege für das AIP-System

Obwohl das AIP-System ein theoretisches Modell ist, gibt es eine wachsende Anzahl an wissenschaftlichen Studien, die die Grundannahmen des AIP-Systems stützen. Die Wirksamkeit der bilateralen Stimulation im Rahmen von EMDR wurde in vielen randomisierten kontrollierten Studien nachgewiesen. Diese Studien zeigen, dass EMDR eine signifikante Reduktion der Symptome von PTBS bewirkt, und dies wird teilweise auf die Aktivierung des AIP-Systems zurückgeführt. Bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) haben gezeigt, dass EMDR zu einer veränderten Aktivierung bestimmter Hirnareale führt, insbesondere in Regionen, die mit der emotionalen Verarbeitung und Gedächtniskonsolidierung in Verbindung stehen.

Die Theorie des AIP-Systems wird durch Beobachtungen unterstützt, dass nach EMDR-Behandlungen eine Veränderung der Art und Weise eintritt, wie Betroffene über traumatische Erinnerungen denken und fühlen. Viele berichten davon, dass die Erinnerungen nicht länger emotional belastend sind und dass sie nun in der Lage sind, eine neutralere oder sogar positive Perspektive auf das Geschehen einzunehmen. Studien zur Wirksamkeit von EMDR zeigen zudem, dass die Erfolge langfristig stabil sind, was darauf hindeutet, dass das AIP-System eine dauerhafte Reorganisation der traumatischen Inhalte ermöglicht.

Kritiker des AIP-Modells bemängeln, dass die genauen Mechanismen noch nicht vollständig verstanden sind und dass die Hypothese der Informationsverarbeitung weiterer Forschung bedarf. Dennoch bieten die empirischen Ergebnisse, die durch EMDR und andere Formen der bilateralen Stimulation erzielt wurden, starke Hinweise darauf, dass das AIP-System einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Verarbeitung von Traumata leisten kann.

Wirkung auf das Nervensystem

Die bilaterale Stimulation hat auch direkte Auswirkungen auf das autonome Nervensystem. Traumatische Erlebnisse versetzen das Nervensystem in einen Zustand der ständigen Alarmbereitschaft. Hier setzt die bilaterale Stimulation an, indem sie den Parasympathikus aktiviert und dem Körper signalisiert, dass keine akute Bedrohung besteht. So wird eine Reduktion der physischen Stresssymptome wie Herzklopfen oder Muskelanspannung erreicht.

Studien zeigen, dass die Augenbewegungen oder das abwechselnde Tapping ähnliche Hirnaktivierungen hervorrufen wie jene im REM-Schlaf, einer Phase des Schlafes, in der das Gehirn besonders aktiv Erinnerungen konsolidiert. REM-Schlaf wird oft als natürlicher Traumaverarbeiter beschrieben, da hier viele stressbeladene Emotionen durchgefühlt und verarbeitet werden. Bilaterale Stimulation wendet dieses Prinzip bewusst in einem therapeutischen Setting an, um hartnäckige, traumatische Inhalte gezielt anzugehen.

Praxisbeispiele: EMDR und Emoflex

Neben EMDR, das bereits gut dokumentiert und bekannt ist, möchte ich hier auch auf unser eigenes Konzept der bilateralen Stimulation eingehen: Emoflex. Bei Emoflex werden emotionale Probleme über innere Bilder und deren Transformationen bearbeitet. Beispielsweise übersetzen wir Stressoren in absurd-kreative innere Bilder und nutzen bilaterale Stimulation (etwa durch Augenbewegungen oder leichtes Tapping), um diesen ähnlich dem Traumaschlaf zu verarbeiten.

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, dass viele Klient durch Emoflex alte Belastungen "wie im Schlaf" loslassen können. Die Methode nutzt dabei einfache Metaphern, wie etwa eine kleine "innere Reparaturwerkstatt", die mit Hilfe der bilateralen Stimulation hartnäckige, emotional belastende Inhalte bearbeitet.

Der Effekt auf Traumatisierte

Viele Menschen, die traumatisierende Erfahrungen gemacht haben, sind in einem Zustand permanenter innerer Anspannung gefangen. Bilaterale Stimulation kann helfen, diese Anspannung zu lösen und ein neues Erleben von Sicherheit zu ermöglichen. Bei einer EMDR-Sitzung, die häufig in Kombination mit Gesprächstherapie erfolgt, berichten viele Betroffene, dass die emotionalen Spitzen der Erinnerungen stark reduziert werden.

Ein Vorteil der Methode ist, dass der Zugang zu den traumatischen Erinnerungen nicht zwingend mit einer kompletten Wiedererinnerung verbunden sein muss. Das macht bilaterale Stimulation zu einer besonders sanften und zugleich effektiven Methode für Menschen, die Schwierigkeiten haben, belastende Ereignisse offen zu thematisieren.

Ein starker Helfer in der Traumatherapie

Die bilaterale Stimulation ist ein faszinierendes Werkzeug, das das Gehirn dabei unterstützt, traumatische Erlebnisse gezielt zu verarbeiten. Sie bietet eine mächtige Kombination aus neurophysiologischer Aktivierung und emotionaler Entlastung. Die Mechanismen, die dabei genutzt werden, sind teils aus der Schlafphysiologie bekannt, teils aus der neueren Traumaforschung. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass wir in der Lage sind, auch schwere Erlebnisse zu bewältigen, wenn wir die richtigen Werkzeuge zur Hand haben.

Hast du Erfahrungen mit bilateraler Stimulation oder Fragen zur Anwendung? Lass es mich gerne wissen! Ich freue mich auf deinen Austausch.

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