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Thalaris Almanach - Buch 1: Initiierung

2 - Verschwörung

Nervös zitternd stand ich vor dem kühlschrankähnlichen Ding. Fünfzehn Jahre Arbeit steckten darin. In diesem Gerät und jener Entität, die es steuern würde. Genau diese Kombination bereitete mir Unbehagen.

Der Kaffeebecher in meiner Hand schwankte leicht. Tamara, beste Freundin und Kollegin legte sachte ein paar Finger auf den Unterarm, um mich zu beruhigen. Dankbar lächelte ich ihr zu. Sie wusste um meine Bedenken, dieses System in Betrieb zu nehmen. Diese Art Spiel auf die Menschheit loszulassen. Dabei hatte ich die Grundlagen entwickelt, die Prinzipien der bekannten Technologien erforscht und in Teilen verbessert. Keiner kannte unsere Entwicklung so wie ich. Dennoch musste ich darauf vertrauen, dass die anderen, darunter Tamara, die Fachfrau für soziale KI-Interaktion, ihren Job gut gemacht hatten.

Die Tür zu unserem großzügigen Labor öffnete sich und Hiroki Satoshi trat ein. Wie üblich mit zerzaustem Haar, ausgebleichter Jeans und einem Pacman-Shirt. Nicht der Chef, den man sich vorstellte. Doch sein lockeres Äußeres machte er mit einer inneren Konsequenz und Zielstrebigkeit wett, die manch anderen Firmeninhaber in den Schatten stellte.

Es wurde gemunkelt, das Hiroki, den ich zu meinen Freunden zählen durfte, überall so auftrat. Wenn man die Medien genug verfolgte, stimmte das nur in Teilen.

„Also ihr beiden: Ihr habt mich her bestellt. Was gibt es Neues?“, fragte er strahlend.

Er ging zu unserer Kaffeemaschine und bereitete sich eine Tasse zu, während Tamara sich räusperte.

„Wir sind fertig!“

Überrascht drehte Hiroki sich um und sah erst Tamara und dann mich an.

„Wirklich? Drei Wochen vor dem Termin?“

Anschließend schaute er zu dem Gerät, der VR-Kapsel der neuesten Generation. Ich nickte.

„Nach ARTOS‘ Maßgaben gebaut und getestet. Natürlich im Leerlauf. Wenn der Testlauf bestanden wird, können wir in die nächste Phase gehen.“

Fasziniert trat er auf die Kapsel zu, legte die Hand darauf und sah nach oben.

„ARTOS, bist du da?“

„Ich bin immer da, Hiroki Satoshi.“, antwortete die allgegenwärtige KI.

Konzipiert zur Entwicklung von Spielewelten, hatte sich das System selbst einen Namen gegeben und uns in den letzten drei Jahren geholfen, diese VR-Kapsel zu bauen. Wichtiger war, das ARTOS vor einiger Zeit damit begonnen hatte, ein eigenes Spiel zu bauen. Er nutzte dabei alles, was wir ihm beigebracht hatten. Als er anfing, eigene Ideen zu entwickeln, mussten wir dafür Sorge tragen, dass er keine Verbindung zum Internet bekam. Nach unserem Umzug aus Nevada in den Berliner Firmensitz ließ er uns kaum sehen, was passierte. Er gab uns kleine Einblicke, den Rest machte er selber. Wir wussten natürlich, was er tat. Aber alles aus einem Code herauslesen unmöglich, dafür war er zu komplex aufgebaut. Und das ließ er uns gelegentlich wissen. Wohlwissend, das wir seinen Stecker in der Hand hielten.

Künstliche Intelligenz hatte in den letzten zehn Jahren in allen technikaffinen Branchen riesige Sprünge gemacht. Oft kam es uns so vor, als würde ARTOS alles belächeln, wenn wir an unseren Workstations saßen und von Hand Elemente bauten, die er in Sekunden erzeugen konnte. Trotzdem fügte er sie in die Spiele ein, die Cybergame Systems gewinnbringen verkaufte. Das verschaffte uns das Kapital für das heutige Event.

Dank ARTOS wurden wir eines der führenden, wenn nicht das Unternehmen an der Spitze für virtuelle Realität und Full-Immersion-Gaming. Und mit diesem Gerät vor mir wäre unser Vorsprung kaum einzuholen.

„Was sagst du dazu?“

„Ich stimme Rupert O’Finnigan und Tamara Blake zu. Die beiden und das Team haben sehr gute Arbeit geleistet. Wir müssen nur die beiden Quantencomputer in Nevada einsetzen. Dann können wir einen Testlauf mit dieser Kapsel starten. Ist dieser erfolgreich, sind wir nach meinen Recherchen in der Lage, innerhalb von vier Wochen tausend VR-Kaspeln zu produzieren. Meine Empfehlung ist: diese den Stammtestspielern in den verschiedenen Sitzen von Cybergame Systems zur Verfügung zu stellen. Ist dieser Ablauf ebenfalls erfolgreich, sind wir am Ziel.“, erklärte er.

Hiroki grinste über das gesamte Gesicht und sah dabei aus wie ein kleiner Junge, dem ein lang gewünschtes Geschenk gemacht wurde. Ich sah, dass dieser Gesichtsausdruck nicht seine Augen erreichte. Ich kannte ihn schon lange, er war so etwas wie ein großer Bruder für mich. Wenn Hiroki Satoshi wirklich Freude empfand, sah er anders aus. Die Nervosität in meinem Magen stieg an. 

„Rupert, du bist unser führender Spieleentwickler, ich würde vorschlagen, das du die Tests durchführst!“, meldete sich Tamara zu Wort. Meine Augen wurden groß.

Ich sollte in diese Maschine steigen?

„Aber Sean und du, ihr streitet euch doch schon seit Tagen darum, wer zuerst darf!“, erwiderte ich.

Tamara schüttelte den Kopf, was ihre braunen Locken herumwirbelte und sah mich an.

„Papperlapap, du bist der Beste für diese Aufgabe. Wir haben eine Woche Testlauf geplant. Du schaffst das!“

Hiroki trat zu mir und legte seine Hand auf meine Schulter. Er war neben Tamara der Einzige, der das durfte. Die beiden nahmen mich ernst und machten das nicht um sich über mich zu erheben, so wie andere früher.

„Du bist wirklich der Geeignetste hier. Ich werde das dem Team erklären. Anna war ohnehin nicht sehr begeistert, eventuell in diese Maschine steigen zu müssen. Und Cui wird mit unseren anderen Firmensitzen zusammenarbeiten um die Produktion der Kapseln anzukurbeln, sie hat also keine Zeit. Der Rest wird frühestens unter den ersten tausend Geräten auswählen dürfen.“

Ich atmete tief durch, fuhr mir über den Kopf und trank einen Schluck Kaffee, der inzwischen fast kalt war. Angewidert verzog ich das Gesicht, sah dann zu den beiden Verschwörern.

„Nun gut, dann soll es so sein. Wann geht es los?“

„Morgen nachmittag!“, antwortete Hiroki.

Teaserbild: <a href="https://de.freepik.com/fotos/gebirge">Gebirge Foto erstellt von liuzishan - de.freepik.com</a>

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