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LöwenPost 2025/04

(ursprünglich am 31.1.2025 veröffentlicht)

Sino Kolumne: Panik wegen DeepSeek ~ LRT in Singapore ~ Änderung in der Wirtschaftspolitik in China

Vor drei Wochen habe ich in meinem Löwenpost-Beitrag (2025/01) über den neuen KI-Algorithmus von DeepSeek geschrieben. Und diese Woche scheint es die Aktien- und Medienwelt irgendwie aufgeschreckt zu haben. Technologie-Aktien in den USA stürzten ab und ich frage mich, was für irrationale Panikpatienten wir mit dem Vermögen der Welt an den Aktienmärkten spielen lassen? Haben die Experten in den USA tatsächlich geglaubt, das NVIDIA so etwas wie die Große Mauer gegen Technologieübertrumpfung von außen darstellt? Und jetzt hat DeepSeek mit ein paar Spielzeugrechnern ein großes Loch in die Mauer gehauen? Die Erreichung des KI-Algorithmus mit kleiner Rechnerleistung ist wahrlich ein großartiger Erfolg der chinesischen Firma, aber man soll nicht so tun, als merkt man jetzt erst, dass diese ganze Sanktionspolitik nicht so erfolgreich ist, wie sich das so manche ideologischen bornierten Politiker so vorstellen. China spielt auf dem Technologiefeld schon längere Zeit ein besseres Spiel, so geht der Einsatz der 5G-Technologie in Fabriken in China bei der Anzahl in die Tausende, während sie in den USA erst in die Hunderte geht. Ich habe sogar vor kurzer Zeit einen Artikel gelesen, wo nicht nur Experten sondern selbst eine KI die Wirtschaftssanktionen der USA gegen China als nicht erfolgreich prognostiziert. In China gibt es eine große Menge als intelligenten und ehrgeizigen Forscher, die schon in anderen Branchen herausragende Leistungen erbracht haben. Sind die westlichen Gesellschaften so blind und mit ihrer Arroganz in anderen Denkmustern unterwegs? Unabhängig davon glaube ich, dass DeepSeek eben nicht zu diesen Panikreaktionen führen sollte, weil neben anderen technologischen Hürden eine erfolgreiche ökonomische Nutzung und Implementierung zukünftige KI-Entwicklungen von noch ganz andere Faktoren und Rahmenbedingungen abhängt. Allein der Vorteil der englischen Sprache als Weltsprache in den USA verschafft den Forschern dort ein klares Heimspiel in der KI-Liga. Also denke ich, dass sich auch bald die amerikanischen Technologieaktien wieder erholen werden. Eines bleibt allerdings von dieser Woche übrig: Eine weitere Offenbarung zur Irrationalität der Aktienmärkte.

Das leidliche Thema LRT wird die Verkehrsplaner in Singapore noch Jahrzehnte Kopfschmerzen bereiten. Zur Erklärung: Das System Light Rail Transit (LRT) ist in Singapore ein Transportsystem mit kleinen Wagen mit Gummibereifung, die auf einer Hochbahnstrecke fährt. Es ergänzt dabei das Metrosystem MRT und soll durch die Kreuzungsfreiheit dieses Verkehrsmittels Vorteile gegenüber dem Busverkehr bieten. Allerdings sind die Kapazitäten dieser kleinen Bahnen sehr beschränkt und die Bahnsteige müssen über Treppen und Aufzüge erst mühsam erklommen werden. Die Wagen selbst fahren recht ruckelig und tuckern manchmal nah an den Fenstern von Wohnungen vorbei, weshalb eine Automatik die entsprechenden Scheiben trübt und somit einen Sichtschutz schafft. Diese Bahnsysteme wurden in den Stadtvierteln Choa Chu Kang/Bukit Panjang, Sengkang und Punggol gebaut, wobei vor genau zwanzig Jahren die letzte Linie in Betrieb ging und dann solche Verkehrsbauwerke nicht mehr gebaut wurden. Denn mittlerweile sind diese Stadtviertel mit neuen Wohngebieten gewachsen und die Kapazitätsbeschränkungen machen sich jetzt immer mehr bemerkbar. Erst im letzten Jahr wurde die zwanzig Jahre lang vorgehaltene Station Teck Lee in Betrieb genommen, weil der Pungol Digital District jetzt erst gebaut wurde. Ich selbst habe die Untauglichkeit des Systems an der Haltestelle Teck Whye gesehen, denn als im nahen College Schulschluss war und die Schülergruppen zur Station strömten, waren beide Wagen eines Zuges schnell voll und Trauben von Schüler konnten nicht einsteigen. Nun versuchen die LTA-Planer verzweifelt das System zu verbessern. So wurden neue Wagen gekauft, Wegesystemtechnik aufgerüstet und die Kreuzungshaltestelle Sengkang umgestaltet, um zumindest kleine Kapazitätserhöhungen zu erreichen. Trotzdem bleibt es ein System, welches unter Berücksichtigung der hohen Infrastrukturkosten der Aufgabe zur komfortablen Personenbeförderung nicht gerecht wird. Komplett will man hier aber nicht umplanen, zum Beispiel auf ein Straßenbahnsystem, welches mit intelligenter Ampelschaltung an Schnelligkeit, Fahrkomfort, Haltestellenzugang, Kapazität und Kosten dem LRT-System überlegen wäre. Dabei können die teuren Umbauarbeiten nicht bzw. nicht nur der Grund für die Systemwechselablehnung sein, wenn die LTA beispielsweise die über 50 km lange neue MRT-Coss Island Line sogar komplett kostenintensiv als Tunnelbahn baut. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass die LTA die Planungsfehler und die Kurzsichtigkeit bei der Installation der LRT-Systeme nicht zugeben will. Und so versuchen nun die Planer weiter kleinere Entlastungen einzubauen. Überraschenderweise wurde in diesem Monat die Erweiterung der MRT-Downtown-Line von Bukit Panjang nach Sungei Kadut und somit eine Verbindung zur MRT-North-South-Line angekündigt. Diese Erweiterung war in einem neuen schematischen Übersichtsplan trotz der Abbildung von zukünftigen Linien noch gar nicht eingezeichnet, weshalb diese Ankündigung schon als überraschend bezeichnet werden kann. Die Verbindungsfunktion in der Region zwischen den beiden MRT-Linien hat heute die kapazitätsbeschränkte LRT-Linie in Choa Chu Kang inne. Wahrscheinlich haben die Planer aufgrund der Mangelhaftigkeit des LRT-Systems die Planungen vorangetrieben. Ich bin gespannt, wie lange noch mit solchen Aktionen das Überleben der LRT-Linien gesichert wird.

Mitte des letzten Jahres fand eine bedeutende Korrektur der chinesischen Wirtschaftspolitik statt, auf welche ich heute reflektierend eingehen möchte. Während der Reform- und Öffnungspolitik im letzten Viertel des letzten Jahrhunderts in China hat die Zentralregierung die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Lokalregierung gestärkt und Steuereinnahmen und Verantwortung in die Regionen gelenkt. Das schaffte eine Wettbewerbssituation, die zu einem Wettlauf zur Erhöhung des BIP führte und den rasanten Wirtschaftsaufstieg in China begründete. Allerdings litt dadurch die zentrale Finanzsituation, weshalb die Regierung Ende des letzten Jahrhunderts Steuereinnahmen wieder vermehrt nach Beijing lenkte. Trotz der geringeren Einnahmen hörten die Lokalregierungen aber mit ihren Aktivitäten nicht auf, denn eine Region mit außergewöhnlicher BIP-Steigerung versprach nicht nur mehr Wohlstand für die örtliche Bevölkerung, sondern auch bessere Aufstiegschancen der örtlichen Parteikader. Und so stöberten sie Finanzierungsquellen auf, um die eigenen Ziele zu erreichen. Diese Finanzierungen waren aber recht ungesund. Einerseits konzentrierten sie sich auf Einmaleinnahmen, wie den Verkauf von Land an Immobilienentwickler, worauf diese riesige Menge an neuen Wohnungen bauten. Dieses Geld verwendete man sogar zur Finanzierung laufender Kosten, wie Gehälter der Beamten und Instandhaltung von Infrastruktur. Mit der Immobilienkrise gab es deshalb bei diesen Ausgaben schon ein Problem. Schlimmer dagegen war der entstandene Subventionswettlauf. Obwohl solche regionalen Subventionsrangeleien auch aus den westlichen Ländern bekannt sind und dort schon verheerende Auswirkungen haben, so kommt in China noch dazu, dass staatliche Firmen nicht immer den betriebswirtschaftlichen und marktwirtschaftlichen Ansatz bei der Unternehmensführung folgen. So kann ein Firmenchef mit einem lokalen Parteikader eine Betriebsinvestition beschließen, die mit Subventionen getätigt wird, dessen Endprodukte aber auf den Markt gar nicht wettbewerbsfähig sind. Überschuldungen der Lokalregierungen haben keine Konsequenzen und Verantwortliche rotieren zwecks Korruptionsbekämpfung turnusmäßig in andere Regionen. Außerdem haben Regionalverwaltungen die Schuldenaufnahme in staatlichen Betrieben versteckt. Alles zusammen birgt das viele Risiken für die zukünftigen öffentlichen Finanzen. Deshalb kommt jetzt die Reform der Zentralregierung, wo diese die Investitionen in den Regionen selbst steuern will, wenn staatliche Unterstützungszahlungen mit im Spiel sind. Ein guter und notwendiger Schritt, wobei es nun gilt, dazu pragmatische Regelungen zu finden, denn der wirtschaftsstärkende Wettbewerb zwischen den Regionen darf auch nicht zu sehr behindert werden, so dass Investitionen mit Risikokapital bzw. in kapitalintensiven modernen Technologien nicht behindert oder blockiert werden. Optimistisch dürfen wir dieser Entwicklung entgegen sehen, denn die Signale der Zentralregierung deuten auf eine stärkere Bedeutung der marktwirtschaftlichen Kräfte hin. Es bedarf einer klugen und feinfühligen wirtschaftspolitischen Steuerung. Wir werden in den nächsten Jahren sehen, ob das der Regierung gelingt.

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