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Wort-Dock

Newsletter im Februar 2024

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in der dritten Ausgabe meines monatlichen Kultur-Briefs “Wort-Dock” stelle ich Euch zwei Bücher vor: einen schaurigen Roman rund um eine Pension, der ohne lauten Horror daherkommt, und einen Roman über Menschen, die auf einer Mülldeponie in Costa Rica leben. Dazu kommt eine Sammlung zeitgenössischer Kunst in Lüneburg und ein Surftipp für diejenigen, die Ausstellungen von zuhause aus entdecken wollen.

Viel Spaß beim Lesen!

Außergewöhnlicher Schauerroman

Roman "Salzruh" von Susan Kreller, erschienen bei Schöffling & Co.

Titel: Salzruh

Autorin: Susan Kreller

Verlag: Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung

Erscheinungsdatum: 27.07.2023

Gebundene Ausgabe: 272 Seiten, 24 Euro

Inhalt: Der Roman spielt in der heruntergekommenen Pension Bertoldi in der Altmark - in einem Wald namens Salzruh. Hier geben die strenge Pensionswirtin Oda Prager und das unangenehme Zimmermädchen Maria Rosa den Ton an. Im Frühstücksraum sitzen neun sehr unterschiedliche Gäste: zwei Paare, ein Schuldirektor, eine Kneipenwirtin, ein Chemiker und eine Krankenschwester mit ihrem Sohn. Zu Beginn teilt Oda Prager ihnen mit, sie dürften die Pension wegen einer “Schutzmittelsituation” bis zum Mittag nicht verlassen. Aus Stunden werden Tage, Wochen, Monate. Mit Konservennahrung, ohne Kontakt zur Außenwelt. Was ist eine Schutzmittelsituation, was hat es mit der Ruine des ehemaligen FDGB-Erholungsheims im Wald auf sich und wer wohnt in dem Wohnwagen auf dem Grundstück der Pension? Was macht die Isolation mit den Menschen und wer wird die Pension verlassen?

Hauptteil: Susann Krellers (geboren 1977 in Plauen) schauriger Roman “Salzruh” spielt nach Art eines Kammerspiels mit wenigen Personen an einem klar abgegrenzten Schauplatz. Die Autorin erzeugt Spannung und eine bedrohliche Atmosphäre, obwohl sie auf Horror und Schockmomente verzichtet. Es geht in ihrem Roman um Macht, Gehorsam, um Gefangenschaft und Freiheit, um das Leben und den Umgang mit der eigenen Vergangenheit.

Die Leserschaft erfährt aus wechselnden Perspektiven die Gedanken und Geschichten der einzelnen Figuren, ihre persönlichen Abgründe sowie ihre Sicht auf die anderen Personen - ich mag diese Erzähltechnik sehr. Susann Krellers Sprache ist außergewöhnlich. Ihr Text strotzt nur so vor Sprachwitz und Rhythmen.

Fazit: Dieser sprachlich grandiose, subtil gruselige Roman hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte und die zwischen den Zeilen liegenden Themen beschäftigen mich auch nach der Lektüre.

Roman über Menschen am Rande der Gesellschaft

Roman "Única blickt aufs Meer" von Fernando Contreras Castro, erschienen bei Maro.

Titel: Única blickt aufs Meer

Autor: Fernando Contreras Castro

Verlag: Maro Verlag

Originaltitel: Única mirando al mar. (reciclada)

Aus dem costa-ricanischen Spanisch übersetzt von: Birgit Weilguny

Erstveröffentlichung: 1993

Deutsche Erstveröffentlichung: 14.05.2020

Gebundene Ausgabe: 144 Seiten, 20 Euro

Inhalt: Sie leben auf einer Müllhalde in Río Azul, Costa Rica, die sogenannten Taucher. Es sind Menschen, die hier sprichwörtlich gestrandet sind. Menschen, die tagaus, tagein giftige Dämpfe einatmen, auf Kartons in selbstgebauten Hütten schlafen und fliegenumschwirrt im Müllmeer tauchen - nach Metallen, Papier und Glasflaschen zum Verkauf, nach Nahrungsresten und Dingen für den eigenen Bedarf. Única war Lehrerin, bevor sie nach ihrer Entlassung auf die Müllkippe kommt. Sie baut sich ein neues Zuhause auf, findet Freundschaften unter den Menschen, die am Rande der Gesellschaft und von ihrem Abfall leben, findet Solidarität. Doch eines Tages ordnet die Regierung an, die Mülldeponie zu schließen und zu verlagern…

Hauptteil: Fernando Contreras Castros (geboren 1963 in San Ramón, Costa Rica) Debütroman “Única blickt aufs Meer” ist im Original 1993 erschienen - und gehört in Costa Rica zur Schullektüre. Der Roman beruht auf einem wahren Phänomen, wie der Autor im Nachwort beschreibt. So drohte die riesige Müllhalde der Gran Área Metropolitana zusammenzubrechen und es habe sich deutlich gezeigt, wie wenig sich die costa-ricanischen Regierungen jahrzehntelang um das Müllproblem gekümmert hätten. “Zu Beginn der 1990er Jahre hatte sich ein buchstäblicher Müllberg angesammelt, der nun ein dicht besiedeltes Stadtviertel gefährdete,” heißt es im Nachwort. Die Regierung habe die Müllhalde schließen und in eine ländlichere Gegend verlagern wollen, was zu monatelangen Auseinandersetzungen mit den Bewohnern der in Frage kommenden Orte führte. Während der Aufregung um die Müllhalde habe sich die bisher weitgehend unbemerkte Gemeinschaft der “Taucher” gezeigt und der Autor fragte sich, wie ein Mensch unter diesen Umständen lebt und was er denkt.

Der Roman ist in der Vergangenheitsform geschrieben und begleitet die Taucher mit Zeitsprüngen über Jahre hinweg. Dabei reiht der Autor einzelne Szenen aneinander. Fernando Contreras Castro formuliert bilderreich und poetisch, was in einem harten Kontrast zur beschriebenen Außenwelt steht, zum täglichen Kampf ums Überleben, zu den knappen Dialogen, dem verzweifelten Schimpfen. Seine Figuren strahlen Würde aus, ihren Lebensumständen zum Trotz.

Fazit: Dieser kleine Roman bedrückt, berührt, macht nachdenklich. Über Müll, Konsum und Armut. Klare Leseempfehlung!

Haus für zeitgenössische Kunst in Lüneburg

Außenansicht der Kunstsammlung Henning J. Claassen am Sankt-Ursula-Weg 1 in 21335 Lüneburg.

Eine spannende Auswahl zeitgenössischer Kunst bietet die Kunstsammlung Henning J. Claassen in Lüneburg. Der Unternehmer und Lüneburger Ehrenbürger Henning J. Claassen, der seit rund 50 Jahren Kunst aus aller Welt zusammengetragen hat, stellt jährlich wechselnd rund 100 seiner über 500 Werke umfassenden Sammlung aus. Unter den Gemälden, Grafiken und Skulpturen des 20. und 21. Jahrhunderts sind große Namen wie Banksy, Picasso und Warhol, aber auch Werke von Kunstschaffenden, die nicht jede und jeder kennt, was ich persönlich besonders interessant finde.

Nach der Schließung der “Galerie im Alten Kaufhaus” im Hotel “Altes Kaufhaus”, in der Claassen ab 2010 die Arbeiten gezeigt hatte, ließ er nach eigenen Ideen einen kubischen Neubau mit Naturstein-Fassade im Zentrum Lüneburgs für seine Kunstsammlung errichten. Dieser wurde - inklusive eines Cafés in der Lobby - am 1. September 2022 eröffnet.

In der Sammlung hängen zurzeit unter anderem Werke folgender Künstlerinnen und Künstler: Christian Awe, Banksy, Angie Barker, Georg Baselitz, Bernard Buffet, Penny Byrne, Johannes Cordes, Salvador Dalí, Günter Grass, David Hockney, Sam Jinks, Dirk De Keyzer, Joanna Lamb, Roy Lichtenstein, Markus Lüpertz, René Magritte, Steve McCurry, Mr. Brainwash, Armin Mueller-Stahl, A.R. Penck, Pablo Picasso, Neo Rauch, Gerhard Richter, Salomé, Günther Uecker, Verron, Andy Warhol, Tom Wesselmann und Paul Wunderlich.

Claassen wird auf der Internetseite seines Kunstmuseums mit folgenden Worten zitiert: “Eigentlich sammelte ich immer in dem Bewusstsein, die Werke irgendwann in einer Galerie auszustellen.” Ihm zufolge erwerben viele Sammler Kunst, weil sie eine Wertsteigerung erwarten. “Ich hingegen habe die Wertsteigerung in meinen Unternehmen gesucht, nicht in der Kunst. Die Leidenschaft des Sammelns ist tatsächlich rein emotionaler Natur.”

Die Kunstsammlung Henning J. Claassen (Öffnet in neuem Fenster) ist donnerstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

Surftipp: Kunst von zuhause aus entdecken

Möchtet Ihr Kunst lieber virtuell betrachten? Die Galerie Ostendorff in Münster bietet zusätzlich zu ihren Ausstellungsräumen digitale 360-Grad-Touren durch ihre Ausstellungen - die aktuellen und die abgelaufenen. Online zu sehen sind unter anderem die Ausstellungen “alloíõsis” mit Arbeiten des Künstlers Christian Awe und “Beyond Pop Art” mit Werken von Tom Wesselmann. Erstere hatte die Galerie vom 26. August bis zum 30. September 2023 in ihren Räumen gezeigt, letztere vom 26. Mai bis zum 17. Juni 2023. Dazu kommt ein digitaler Rundgang durch die Ausstellung “Hommage à Picasso” zum 50. Todestag Pablo Picassos, in den Galerieräumen präsentiert vom 24. Februar bis zum 30. April 2023.

Die genannten und weitere 360-Grad-Touren sind auf der Internetseite der Galerie Ostendorff zu finden unter: www.ostendorff.de (Öffnet in neuem Fenster)

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