Sex. Macht. Wahrheit.

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“Die Wahrheit ist wie ein wildes Tier, sie ist zu mächtig, um eingesperrt zu bleiben” - Aus dem Manifest der Candor (1)

Am 02.03.2024 war ich beim Philosophen Café in Graz. Das ist ein Treffen, wo philosophiert wird. Zu Kaffee, Bier, Wein & Chips. Jedenfalls gabs das gestern zum Thema “Sexualität. Macht. Wahrheit.”. Im Community Center Café “feel free” (Öffnet in neuem Fenster) des Vereins “RosaLila Pantherinnen” (LGBTIQ Interessensvertretung Steiermark) (Öffnet in neuem Fenster) in der Annenstraße 27, 8020 Graz.

Die Gedanken waren frei. Und welche Gedanken bzw. die interessantesten, will ich hier anführen. Verbunden mit eigenen & die von anderen:

Sexualität. Kommt aus dem Lateinischen für Geschlechtlichkeit. Psychologisch betrachtet ein primäres, menschliches Motiv, verbunden mit der Interaktion emotionaler Zustände (2).

Emilia Roig schreibt in ihrem Buch “Das Ende der Ehe”: Nicht alles Natürliche ist gut. In der Tierwelt steht manchmal Sexualität in Verbindung mit anschließendem Töten & Essen. Wir akzeptieren gesellschaftlich also nur Teile der Natur. (3)

Gibt es ein biologisches Geschlecht? Die Pflanzen- & Tierwelt zeigt, dass Sexualität, Körper und Geschlechter keinem binären Modell entsprechen. Sexuelle Rollen sind veränderbar (4).

“Mein Körper, meine Entscheidung” (5).

“Um Utopie zu sein, brauche ich nur Körper zu sein” sprach ein französischer Philosoph 1966 in einer Radiosendung (6).

Und: “We do not have our bodied, we are our bodies” sagt Filmemacherin Trịnh Thị Minh Hà (7).

Bleiben wir beim Körper:

Alle mit einem Körper können Sex haben. Egal, wie klein, groß, feucht, hart, tief, dick, eng die Genitalien sind. Am Ende muss Sex gar nichts sein. Außer Anfassen, küssen, massieren, streicheln, lecken, reiben (8).

Etwas ganz anderes & doch ähnliches wie Sex: Sport. Schafft eine Verbindung zum Körper. Wussten Sie, dass Frauen früher Radfahren verboten wurde, weil es sie sexuell erregen könnte? (9)

Wie Margarete Stokowksi schon auch meinte in “Untenrum frei”: Sex hat mit Macht, Angst, Scham, Gewohnheit, Spaß & Tabus zu tun (10).

“Jeder bestimmt über sich selbst, jeder regiert sich selbst” (11).

Macht. Kommt vom germanischen mahti für „Machen, Können, Vermögen“‘(12).

Welche Macht hat Lust über uns?

Denn Sex ist ein Grundbedürfnis.

Eine Frau unter dem Publikum sagt:

„Ich mache alles, außer was mir keine Lust bereitet“.

Das ist schön und gut. Aber bleiben wir beim Wort “Vermögen” (=Geld). Sex und Geld sind miteinander verbunden, schreibt Emilia Roig. Wir denken über beides oft nach, sprechen aber selten darüber (genau wie über Sex Toys…). Geld ist dabei auch Energie und Macht (13).

Kalt und rational, sei Geld. Der Gegensatz zur Liebe. Erst 1969 wurden Frauen in Deutschland für voll geschäftsfähig erklärt (14).

Interessanterweise war 1970 der Durchbruch von Sex-Shops und der Verkauf von Sexspielzeug stieg exponentiell, angeführt von Frauen. 1974 wurde in New York City das erste Geschäft in den USA gegründet, welches sich des sexuellen Vergnügens und der Gesundheit von Frauen widmet (15). Ende der 19070er war auch mitten in der sexuellen Revolution (16).

Kommen wir zum Wort Wahrheit. Kommt vom mittel-althochdeutschen wārheit und bedeutet unter anderem Erkenntnis (17).

Eine Person in der Diskussion meinte, Wahrheit kommt von „Wahrnehmung“.

Tja: Es gibt viele Wahrheiten.

Können wir was wahrnehmen, was wir nicht wissen?

Wer bestimmt, was wir wissen dürfen?

Denn: Die Wahrheit ist ein Machtinstrument.

Medien konstruieren unsere Realität und dass bewirkt, dass die Dinge in unserer gemeinsamen sozialen Wirklichkeit erst sichtbar & real werden, wenn sie medial repräsentiert werden. “Medien sind immer im Kontext von Macht und Machtverhältnissen zu denken”, schreibt Kommunikationswissenschaftlerin Johanna Dorer in ihrem Aufsatz “Diskurs, Medien und Identität” (18).

Wie sehr werden Sex Toys medial repräsntiert? In welchen Medien? Wie, wie oft & wann?

Eine Wahrheit ist: Wir sind umgeben von Sex, Nacktheit & Sexspielzeug auf Plakaten. Hat aber mit echtem Sex oft wenig zu tun (19).

Sonst hätte ich auch nicht das Bedürfnis & die Notwendigkeit, einen Aufklärungs-Blog über (Nachhaltiges) Sexspielzeug zu machen.

Bleiben wir beim Thema Sexspielzeug:

Wir sind in den 1.000er Zahlen (Mitarbeiter*innen/Firma)
Der deutsche Umsatz geht in die 100erten von Mio. (Euro/Firma)
Weltweit jährlich geschätzt ca. 15 Milliarden Dollar (20)
Bei drei von vier der bekanntesten Erotik-Shops in Deutschland ist der Frauenanteil der Kundschaft mindestens 70% (21)
Meine Schätzungen kommen auf ca. 37 Mio. Kund*innen insgesamt (22)
Weiblicher Anteil = 70% → kommen wir ca. auf 26 Millionen Frauen
→ umgerechnet 60% der Frauen in Deutschland
Für Österreich kommen wir auf ca. 2,8 Mio. Frauen (es leben etwas mehr Frauen in Ö. als Männer 2024 (23))
ca. 60% der Frauen besitzen mind. 1 Sexspielzeug (24) → = das entspricht ca. mind. 2,8 Mio. Stück Sex Toys in Österreich (die Dunkelziffer ist vermutlich höher, da auch Männer, diverse Menschen & Transpersonen Sexspielzeug besitzen (!))

6 von 10 Frauen sind oder waren bereits Kundin eines (Online)-Erotik-Shops → = mehr als die Hälfte der Frauen

Das nenne ich Macht!

Du kannst etwas erst begreifen,

wenn du es begriffen hast.

“Der Mensch tut letztendlich alles aus Eigennutzen.”, sagt eine teilnehmende Person schlussendlich in der Runde.

Ich schließe ab mit den Worten:

Alle haben das Recht auf ein gutes Sex-Leben.

Dazu kann Masturbation gehören:

Sie ist Teil des eigenen Wissens über sich selbst.

Und: Wissen ist Macht (24).

In diesem Sinne:

Masturbation ist Macht.
Das ist Macht auch nur im Einzelnen.
Ich gebe mir selbst Macht,
ich übe selbst Macht aus.
Und gebe mir Wahrheit über mich selbst.
Beim Sex. Für den Sex. Mit oder ohne Sex Toy.
Für mich. Für dich. Für euch.

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Quellen:

(1) Veronica Roth. Die Bestimmung - Tödliche Wahrheit (2012). S.6

(2) Spektrum (o.J.b). Sexualität. Zugriff zuletzt am 14.04.2024 unter https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/sexualitaet/14152 (Öffnet in neuem Fenster)

(3) Emilia Roig. Das Ende der Ehe (2023). S.216

(4) Ebda. S.218f

(5) Ebda. S.122

(6 & 7) Şeyda Kurt. Radikale Zärtlichkeit (2023). S.200f

(8) Emilia Roig. Das Ende der Ehe (2023). S.202

(9) Ebda. S.243

(10) Margarete Stokowski. Untenrum frei (2019). S.10

(11) Ebda. S.15