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Über das Atmen und Yoga

Einatmen, Ausatmen.

Wir können gar nicht anders. Wir werden dazu gezwungen, nach Luft zu schnappen, sobald sie die Schnur kappen, die uns zum Teil eines anderen Organismus gemacht hat, und wir werden gezwungen, die Luft wieder herzugeben, wenn unser Körper irgendwann zu einem größeren Organismus zurückkehrt.

Aber dazwischen gibt es Milliarden von Atemzügen.

Wenn wir wach sind natürlich, aber auch wenn wir schlafen, und unser Geist irgendwo anders spazieren geht.

Schnelle Atemzüge gibt es, so flach und hastig wie ein kranker Schmetterling, wenn wir aufgeregt sind.

Langsame, schwere gibt es, wenn wir uns in die Wärme und Geborgenheit fallen lassen, die für jeden anders aussieht.

Einatmen, Ausatmen.

Mein Atem ist ein kleiner Verräter. Manchmal fühle ich nur, dass ich etwas fühle, aber ich weiß nicht genau was. Dann verrät er es mir, durch die Art wie er sich verändert.

Im Lauf der Jahre habe gelernt, ihn zu lesen und zu verstehen.

Manchmal gerät er aber auch einfach so außer Kontrolle und jagt mit mir davon, und ich schaffe es kaum ihn wieder einzufangen.

Manchmal will ich gar nicht fühlen, was ich fühle, aber mein Atem zwingt mich dazu.

Manchmal halte ich ihn einfach an, so aus Trotz.

Aber das geht natürlich nie lange gut.

Erst seitdem ich Yoga mache, ist mein Atem auch mein Freund.

Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist, hätte ich bereits viel früher damit angefangen.

Yoga war für mich lange Zeit entweder ein steiniger spiritueller Weg zu Erleuchtung, oder einer gepflastert mit bunten Leggings, Detoxing und Dauerlächeln.

Keines von beidem war verlockend.

Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen und auch ganz woanders, und wie oft treffe ich inzwischen auf Menschen in bunten Leggings, die sich so ein bisschen winden und sagen, naja, Yoga, also ich hätte nie gedacht, dass das was für mich ist... und dann nicken wir verständnisvoll und atmen ein bisschen wissend zusammen.

Ein und aus.

Das mit dem Dauerlächeln und mir, das wird wohl nichts mehr in diesem Leben.

Aber ein glücklicher Atem, einer, wie eine gleitende Schwalbe im Sommerabendhimmel, der ist auch schon viel wert.

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Kategorie Trotzigschön

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