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Triathlonpost: Glaubensfragen

Weiter im Takt! Und damit ein freundliches Hallo nach der kurzen Sendepause. Da schreibt man mal eine Woche keine Triathlonpost und schon passiert was in der Szene. Es gibt also keine Zeit zu verlieren. Viel Spaß beim Lesen!

  • Von 0 auf T100: Konnte das Top-Rennen in Miami halten, was die PTO versprochen hat?

  • So Gott will: Wenn die Religion über eine WM-Teilnahme entscheidet

  • Athletik-Boost: Wie Laura Philipp nach dem nächsten Level strebt

Auf einer Skala von 0 bis T100: Wie hoch ist die Fallhöhe?

Die T100 Tour ist eröffnet! Mit dem ersten Rennen am vergangenen Wochenende in Miami ist ein Anfang gemacht worden. Vor dem Wettkampf gab es in Sachen Erwartungshaltung eigentlich keinen Spielraum mehr nach oben. Die Professional Triathletes Organisation (PTO) hatte im Vorfeld ordentlich auf den Putz gehauen und keine Chance ungenutzt gelassen, um klar zu machen, dass es um Nichts weniger geht, als den Triathlonsport komplett zu verändern, auf ein nie dagewesenes Niveau zu heben und die Zukunft neu zu definieren.

Meine erste Reaktion am späten Samstagabend: Bitte lasst das nicht die Zukunft des Triathlons sein!

Sportlich betrachtet

Es muss nicht darüber diskutiert werden, dass sowohl das Männer-, als auch das Frauenrennen wirklich alles zu bieten hatte, was zu einem Weltklasse-Wettkampf dazugehört.

India Lee als Überraschungssiegerin, Lucy Charles-Barclay als geschlagene Hawaii-Championesse oder Kat Matthews als tragische Heldin. Magnus Ditlev wird für sein mutiges Auf- und Reintreten belohnt, während Sam Long mit einer sensationellen Aufholjagd in die Herzen der Fans stürmt und Alistair Brownlee am Ende leider wieder mit leeren Händen dasteht. Das ist der Stoff, aus dem sensationelle Rennen gemacht sind.

In Sachen Dramaturgie scheinen die eigenwilligen Distanzen über 2.000 Meter Schwimmen, 80 Kilometer Radfahren und 18 Kilometer Laufen also eine ziemlich exzellente Wahl gewesen zu sein: Es passiert viel, lässt viel Platz für Unvorhersehbares und nur wenig Raum für großes Taktieren. Neu oder überraschend kommt das jedoch nicht. An das 100-Kilometer-Format konnte man sich durch die bisherigen PTO-Rennen in den letzten Jahren bereits gewöhnen.

Medial betrachtet

Wer sich ein Abo von Discovery+ gönnt, konnte am Samstagabend auf Eurosport2 einschalten und dürfte mit froher Erwartungshaltung vor dem Bildschirm gesessen sein. An dieser Stelle gibt es gute und schlechte Nachrichten für all diejenigen, die nicht dazugehören. Die guten: Eine sehenswerte Übertragung, die auch noch kostenpflichtig ist, sieht anders aus. Die schlechten: Es wäre so schön gewesen, wenn es sich gelohnt hätte und der Triathlon wirklich in ein ganz neues Licht gerückt worden wäre.

Die PTO kam zum wiederholten Male nach Miami, um auf dem Homestead Speedway ein Rennen auszutragen und es live zu senden. Wobei das stimmt heute genauso wenig wie in der Vergangenheit, denn Miami Downtown oder Miami Beach liegen eine gute Autostunde entfernt von dem Austragungsort der T100 “Miami”. Ich erinnere mich noch gut daran, als der Aufschrei in der Szene groß war, nachdem der sogenannte Ironman New York ähnlich weit außerhalb der klangvollen Gastgeber Stadt ausgetragen wurde. Die Unkenrufe auf Ironman lagen damals irgendwo zwischen Augenwischerei und Frechheit.

So gesehen ist das eine starke mediale Leistung der PTO: Im Falle der T100 “Miami” interessiert das nämlich scheinbar niemanden.

Aber zurück zum Thema und zur Live-Übertragung, die leider den Anschein machte, als habe man aus den Vorjahren nichts gelernt. Das Geschehen auf der Strecke war damals unübersichtlich abgebildet und so war es auch dieses Mal wieder. Die eingeblendeten Splitzeiten der Top-10 waren zwar nett, aber machten es in der Kombination kaum besser.

Dass die Besten der Besten an der Startlinie stehen und um viel Geld kämpfen, sorgt nicht automatisch für eine Live-Übertragung, die beim Anschauen Spaß macht, interessant ist oder für Begeisterung sorgt. Natürlich sind die Athleten eine wichtige Zutat, aber eben längst nicht alles - und hier wurde es verpasst, wirklich etwas besser oder neu oder anders zu machen, wie es ja nunmal das angepriesene Vorhaben ist.

Wenn man die PTO in ihrer Kommunikation und in ihren Zielen richtig versteht, geht es ihr ja auch gar nicht darum, die Triathlonszene zu begeistern, als viel mehr ein größeres Publikum zu erreichen und den Sport über die eigenen Grenzen hinaus bekannt zu machen. Das klingt nach einem fulminanten Unterfangen, das mich persönlich überhaupt nicht anspricht. Wenn es aber das erklärte Ziel der PTO ist, dann bin ich zusätzlich skeptisch, ob das mit einer derartigen Aufbereitung und Darstellung erreicht werden kann.

Aber klar: Wenn sich schon die Triathlon-Community nicht begeistern lässt, dann bestimmt der Otto-Normalo.

Ich stelle mir bereits nach dem ersten Rennen die Frage, wie oft so ein künstlicher Kraftakt möglich ist, um jedes mal wieder Spannung und Vorfreude zu erzeugen? Kann es überhaupt funktionieren, acht weitere Male “das nächste Highlight” auszurufen und anzupreisen? Wie lange wird die Kommunikation von der Szene für wahr genommen, sollten Wunsch und Wirklichkeit der PTO weiterhin so weit auseinander liegen wie in Miami? Was ist eigentlich die interessante Story, die sich - abgesehen vom Athleten-Ranking - als roter Faden durch die T100 Tour zieht und mich als Fan begeistern soll?

Persönlich betrachtet

Könnte es sein, dass da oben schon ein bisschen persönliche Betrachtung dabei gewesen ist? Ja, ein bisschen gefärbt ist die Sichtweise auf die mediale Darstellung und Live-Übertragung sicherlich. Aber das ist es ja auch, was ich zu Gesicht bekommt, um mir eine Meinung bilden zu können. Nehme ich das, was (und wie) die PTO selbst zur T100 kommuniziert und das, was am Ende bei mir zuhause auf dem Bildschirm ankommt, dann passt da noch relativ wenig zueinander. Als Fan und Insider bekomme ich bei der T100 sportliche Weltklasse gepaart mit - gemessen daran, was die PTO zu verkaufen versucht - medialem Mittelmaß.

Wie gesagt. Als Fan freue ich mich natürlich darüber, dass überhaupt etwas passiert und ich mir sogar noch Bewegtbild dazu anschauen kann (selbst dann, wenn im Frauenrennen stellenweise ein Nachtsichtgerät geholfen hätte). Es ist super, dass es die T100 gibt. Allen voran für die Profis, die sich dadurch wirtschaftlich besser stellen können. Dass die PTO mit der T100 allerdings das schafft, was zuvor auch noch niemandem im Triathlon gelungen ist - nämlich den Sport größer zu machen als er eigentlich ist - sehe ich nicht. Und wenn doch, warum?

Was mir am meisten fehlt, ist irgendeine Art von “Beziehung” zur T100, etwas Emotionales, Ehrliches und Mitreißendes. Allerdings ist es mit den Rennen der PTO seit Anfang an gleich: sie wirken irgendwie plastisch. Steril. Wie ein Fremdkörper, der seinen Platz noch sucht, sich dafür aber ein bisschen zu sehr anstrengen muss, weil er auf natürlichem Wege nirgendwo ankommt. Und hier wird es meiner Meinung nach widersprüchlich. Denn wenn die PTO den Sport größer machen will, dann braucht es eine Begeisterungsfähigkeit, die von der rein sportlichen Finesse entkoppelt ist. Mal ehrlich: Menschen, die mit Triathlon erstmal nichts zu tun haben und irgendwie begeistert werden müssen, können die zweifelsfrei beeindruckenden Leistungen der Athleten doch ohnehin nicht einordnen. Was uns Triathlonfans und -insider begeistert, verstehen Zuschauer ohne fachlichen Hintergrund wahrscheinlich gar nicht. Was aber für Begeisterung sorgt, ist, wenn etwas Außergewöhnliches geschieht und die Stimmung mitreißend ist. Siehe Solarer Berg oder Alpe d’Huez, vielleicht kennt jemand auch noch die Bilder von der Marathonstrecke des Ironman Frankfurt von vor einigen Jahren, als dort unfassbare Menschenmassen standen. Wenn beim Zuschauen Funken aus dem Bildschirm sprühen, dann kreiert das Aufmerksamkeit und weckt Begehrlichkeit. Bisweilen ist bei der PTO davon aber keine Spur und nichts zu spüren.

Es ist also doch noch Luft nach oben. Und spannend wird es allemal, wie es mit der T100 Tour im Laufe der Saison weitergeht. Natürlich schauen wir alle hin. Und natürlich ist es so schön einfach, von zuhause den Besserwisser zu spielen - auch dafür ist so eine Triathlonsaison doch da. Schön, dass es wieder rund geht!

Erst die Religion, dann der Triathlon

Als ich einen Artikel auf triathlete.com gelesen habe, musste ich dran denken, dass mir Triathlon-Coach Björn Geesmann bei einer Tasse Kaffee auf Hawaii schon davon erzählt hatte. Zu der Zeit war er noch Trainer der amerikanischen Profi-Athletin Jocelyn McCauley, die auch auf Hawaii am Start war.

Wir philosophierten ein bisschen über die Unterschiede der WM-Rennen auf Hawaii und in Nizza und Björn meinte: “Ja, der Wochentag.” Logischerweise konnte ich damit spontan nicht viel anfangen, aber Björn klärte mich auf: “Jocelyn wird auf keinen Fall in Nizza starten, wenn sie sich qualifizieren sollte. Sie macht keine Rennen, die sonntags stattfinden.” Meine Fragezeichen über dem Kopf wurden dadurch nicht kleiner. “Wegen ihrer Religion”, vervollständigte Björn.”

Jocelyn McCauley ist gläubige Mormonin. Im Mormonismus ist der Sonntag ein vorgeschriebener Ruhetag. Also: Keine Wettkämpfe am Sonntag. Ironman WM hin oder her.

Ein Aspekt, den ich in 17 Jahren Triathlon bisher tatsächlich so ganz und gar nicht auf dem Schirm hatte. Aber klar: Wenn Glaube und Überzeugung im Leben eine Rolle spielen, warum sollte für sowas wie Triathlon eine Ausnahme gemacht werden?

Passend dazu ist da noch die Geschichte von Miriam Cole. Sie qualifizierte sich 2010 für die Ironman WM auf Hawaii. Bei der Slot-Vergabe ging ein Traum für sie in Erfüllung. Sie bezahlte den Startplatz, nur um später beim Blick in den Kalender festzustellen, dass eine Teilnahme für sie unmöglich sein würde. Das Rennen fiel auf Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag, der als strenger Ruhe- und Fastentag abgehalten wird. Sie selbst sagt: “Triathlon ist nicht meine Religion. Selbst für jemanden, der so kompetitiv ist wie ich, ist Triathlon einfach nur ein Sport. Ein Hobby. All die Werte, die ich versucht habe, an meine Kinder weiterzugeben, immer an seinen Überzeugungen festzuhalten, auch wenn es hart ist, wären vollkommen bedeutungslos geworden, hätte ich Kona über Jom Kippur gestellt.”

Ironman erstattete Miriam ihre Startgebühren. Seitdem konnte sie sich weitere acht Mal für Hawaii qualifizieren - fünf Mal davon konnte sie letztendlich teilnehmen. Sie sieht es pragmatisch: “Die Sonne geht jeden Tag neu auf und einen Ironman kann man ständig irgendwo machen.”

Einen anderen schönen Satz über die Bedeutung des Triathlonsports im eigenen Leben hat der amerikanischer Prediger Troy Rogers gesagt, der ähnlich wie McCauley keine Rennen sonntags bestreitet: “Ich habe mit Triathlon begonnen, um mein Leben - das was am wichtigsten ist - noch besser zu machen, und nicht, um den Sport zum Wichtigsten im Leben werden zu lassen.”

Ich selbst habe mit Religion nichts am Hut. Gleichzeitig finde ich es bemerkenswert, mit welcher Konsequenz Menschen an ihrem Glauben und Überzeugungen festhalten. Ebenso erfrischend scheint mir die Sicht auf den Triathlonsport, die sich für sie daraus ergibt. In diesem Punkt, könnte sich manch ein verbissener Triathlonhund sicher eine Scheibe abschneiden.

Next-Level-Laura: Der Athletik-Boost

Nach so viel Text kommt jetzt noch was zum Anschauen. Das neueste YouTube-Video von Laura Philipp lohnt sich wirklich. Es gibt spannende und intensive Einblicke in ihre Trainingsroutinen, die weit über Schwimmen, Radfahren und Laufen hinausgehen. Im Fokus stehen speziell ihr Athletik- und Neuro-Athletiktraining.

Wer sehen möchte, worauf es (unter anderem) ankommt, um die letzten Reserven wachzukitzeln, der dürfte mit dem Video Spaß haben:

https://www.youtube.com/watch?v=F8gJsvfl9bs (Öffnet in neuem Fenster)

Für heute war es das mit der Triathlonpost! Das Schreiben hat Spaß gemacht, das Lesen hoffentlich auch. Wenn Du Lust haben solltest, noch ein bisschen weiter zu surfen: Schau’ Dich gerne mal auf bockisbude.de (Öffnet in neuem Fenster) um und verschaffe Dir einen Überblick, was gerade so läuft und geht. Nächste Woche steht nämlich schon die ausgebuchte Premiere des BREAKOUT bevor. Schon seit Wochen freue ich mich auf die Tage mit den Teilnehmern, die gemeinsam mit Pilates-Trainerin Lena Hollmann, Sebi Kienle und mir einen Ausflug aus dem Alltag wagen wollen, um persönlich weiterzukommen.

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Wenn Du Rückfragen, Feedback oder Kritik zum Newsletter, den Podcasts, Events oder anderen Projekten hast, dann melde Dich gerne per Mail unter folgender Adresse bei mir: niclas@bockisbude.de (Öffnet in neuem Fenster)

Bis nächste Woche!
Bocki

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