Haben Bakterien Sex?
Mikrobenzirkus-Kolumne im Mai 2024
Liebe Leserinnen und Leser,
widmen wir uns doch in der heutigen Mai-Kolumne einmal dem delikaten Thema der Fortpflanzung bei Mikroben? Diese durchaus berechtigte Frage bekomme ich von Schülerinnen und Schülern oft gestellt…
Und in paar Neuigkeiten vom Schreibtisch und Lesungstermine habe ich auch noch für euch…
Habt ihr auch schon einmal gefragt, was eine „alleinstehende“ Bakterie eigentlich so den ganzen Tag lang tut? Sie ist vor allem damit beschäftigt, genügend Energie und Materie zu sammeln, um sich immer wieder durch Teilung zu verdoppeln. Fortpflanzung ist das Lieblingsthema der Winzlinge: Mikroorganismen sind unglaublich vermehrungsfreudig, und das bringt ihnen große Vorteile bei der Eroberung neuer Lebensräume.
Aus einer Escherichia coli-Zelle (kennt ihr sicher aus dem Schwimmbad im Sommer) können unter Idealbedingungen innerhalb von 20 Minuten zwei Zellen werden. Die Rekordhalter unter den Mikroben bringen in knapp zehn Minuten eine neue Generation von Nachkommen hervor. Dazu gehört auch Clostridium perfringens, der unangenehme Erreger des Wundbrandes. Bei ausreichenden Nährstoffzufuhr ist eine Bakterienzelle in der Lage, an einem einzigen Tag 280 Milliarden Nachkommen zu produzieren, berichtet der belgische Biochemiker und Nobelpreisträger Christian Duve. Eine menschliche Zelle ist dagegen langsam wie eine Schnecke – sie schafft in der gleichen Zeit gerade mal eine Zellteilung.
Niemand ist perfekt, auch nicht Bakterien, und so passiert bei einer von einer Million Zellteilungen auch einmal eine „Fehlproduktion“ – eine sogenannte Mutante. Oft hat diese Zelle einfach Pech gehabt – Experimente gehen nicht immer gut aus. Aber manchmal, wenn die Bakterien mit einem nützlichen Vorzug ausgestattet sind, beispielsweise einen neuen Nährstoff verwerten zu können, geschieht etwas anderes, was ihnen in der Evolution einen unglaublichen Vorteil verschafft: Die Bakterien können diese Informationen und Fähigkeiten untereinander austauschen, von Zelle zu Zelle, und sogar über Artgrenzen hinweg werden diese Stückchen genetischer Information übertragen. Ein bisschen so wie beim Austauschen von Pokémon-Karten.
Dass Bakterien auf diese Art auch Sex haben können, ist seit etwa 70 Jahren bekannt – wenn wir den Begriff „Sex“ weit genug fassen. 2001 haben amerikanische Forschende Bakterienzellen mit Hamsterzellen in flagranti erwischt: Die Bakterien hatten Teile ihres Erbguts auf die Tierzellen übertragen, indem sie Eigenschaften über den sogenannten „horizontalen Gentransfer“ austauschten.
Illustration: Isabell Klett
Viele Bakterien enthalten neben ihrem herkömmlichen ringförmigen Chromosom noch weitere kleine DNA-Ringe, die „Plasmide“ genannt werden. Darauf befinden sich häufig Anlagen für Fähigkeiten, die unter besonderen Umweltbedingungen Vorteile bieten – zum Beispiel für Antibiotika-Resistenzen. Um diese Eigenschaften weitergeben zu können, haben Bakterien eine ganz clevere Technik entwickelt: Beim Kontakt mit einer anderen Bakterienzelle können sie das Plasmid verdoppeln, einen schlauchartigen Fortsatz – die „Sex-Pili“ (ja das heißt wirklich so) – bilden und darüber die Plasmid-DNA übertragen. Dieser „rohrpostartige“ Vorgang heißt auch ganz unromantisch „Konjugation“.
So können Bakterien Daten austauschen und schwimmen damit sozusagen in einer Art gemeinsamen Genpool. Jeder Anpassungsvorteil, der gerade sinnvoll erscheint, kann sich überallhin ausbreiten.
Stellt euch das in der Bakterienrealität einmal so vor: Ihr steht vor einem großen Fluss und bräuchtet ein Paar Flügel, um ihn zu überqueren. Dann fragt ihr schnell mal bei der entfernten Verwandtschaft an, und zack! Könntet ihr fliegen oder grün leuchten oder sogar Fotosynthese betreiben.
Damit sind die Bakterien aus genetischer Sicht ein kommunizierender Riesenorganismus – winzig klein, sehr schnell und damit unbesiegbar.
Die Sonntagsfrage aus dem Mikrobenzirkus
…hatte ich für euch hier auch einige Male gepostet. Ihr findet sie demnächst aber nur noch auf meinen Social Media-Profilen als Community-Aktion z.B. auf Instagram Sonntagsfrage (Öffnet in neuem Fenster) und könnt dort gern miträtseln.
Update vom Schreibzimmer im Garten
Aktuell stecke tief in der Recherche für ein neues „mikrobielles“ Sachbuch für einen Vorschlag an meine Literaturagentur, eine neue Idee für ein Buchprojekt gemeinsam mit einer befreundeten Fotografin reift - und ein gemeinsames Thriller-Exposé mit Spannung & Wissenschaft wieder im erprobten Duo mit Kathrin Lange ist gerade in der Verlagsprüfung.
Drückt mal bitte für alle Projekte fest die Daumen!
Lesungen und Vorträge - Wo könnt ihr mich 2024 treffen?
Lesung anlässlich LeseFlair in Braunschweig
Floßlesung aus „TOXIN“ auf der Oker
18.8., 18 Uhr Lesung anlässlich LeseFlair, , Autorinnenduo Kathrin Lange & Susanne Thiele
Tickets (Öffnet in neuem Fenster)
Bakteriopolis: Die verborgene Welt der Mikroben
Lesungen/ Vorträge im Rahmenprogramm der Wanderausstellung
Diese einzigartige Wanderausstellung, koordiniert von der Professur für Allgemeine Mikrobiologie der TU Dresden, bietet einen faszinierenden Einblick in die Welt der Bakterien. ( DFG-gefördert): Experimente, Informationen und Bastelmöglichkeiten bieten euch einen Zugang zum Thema Bakterien für Jung und Alt, von Kindergärten zu Schulklassen, und jedem und jeder Interessierten. Partizipative Forschung über leicht zugängliche Wissenschaftskommunikation! Lasst euch begeistern!
Ich freue mich sehr, denn ich darf im Rahmenprogramm zur Wanderausstellung mehrere Lesungen/interaktive Vorträge zu den Themen aus meinem Sachbuch „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke“ halten.
Alle Infos unter dem Link (Öffnet in neuem Fenster):
Bisherige geplante Orte & Termine sind:
Dresden, 23.08.24. , Leipzig (Termin folgt), weitere folgen…
Meine Schreib-Workshops:
Nature Writing an der Oker:
15./16.6. in Braunschweig, Literaturzentrum Raabehaus
Writing Nature – Thema Wasser: Kommt mit mir raus in die Natur zum Schreiben!
Ich starte in diesem Jahr eine besondere Workshop-Reihe zum Schreiben über Naturthemen: passend zum „Themenjahr Wasser“ der Region erkunden wir „Oker-Orte“. Wir schreiben darüber, was für uns in Schwingung gerät, was uns berührt, Beobachtungen, Erinnerungen, Wissenschaft, Fiktion, Poesie oder Prosa – wir übersetzen unser persönliches „Naturgespräch“ in Texte. Als Kursleiterin und Biologin gebe ich euch Exkursionsbegleitung und Wissensinput sowie Anregungen, wie wir die äußere und unsere innere Natur zur Sprache bringen können. Die Anmeldung ist offen und die Platzzahl begrenzt: Link zu allen Infos (Öffnet in neuem Fenster)
Weitere Tipps & Termine zum Einstieg ins Schreiben über Natur- und Wissenschaftsthemen & Community-Treffen:
Meldet euch auch gern bei meinem Schreibnewsletter „Let me edutain you!” an. Dort wird es auch Tipps zum Nature Writing und weitere Termine für Seminare geben inklusive den monatlichen Treffen per Zoom. Hier geht es zum Link: Let me edutain you | Die Sachbuchwerkstatt (Öffnet in neuem Fenster)
Wissenschaft trifft Thriller: Wie der Weg von der Idee zur Story glückt
10.11.-12.11.24 Bundesakademie Wolfenbüttel
Autorinnenduo Kathrin Lange Susanne Thiele
Das Beste aus zwei Welten: Spannende Rätsel und wissenschaftliche Geheimnisse – wenn Forschung und Fiktion verschmelzen, entsteht Nervenkitzel. Wir lassen euch hinter die Kulissen der Entstehung unserer Science-Thriller „Probe 12“ und „Toxin“ in einer Ko-Autorinnenschaft blicken.
Alle Infos und Anmeldung (Öffnet in neuem Fenster)
Das war es schon wieder für den Mai!
Ich sende euch herzliche Grüße aus dem Mikrobenzirkus
Susanne
Schreibt mir gerne! Habt ihr Feedback für mich wie Susanne Kester.
“Ich finde es immer wieder toll, wie spannend du über Viren und Bakterien schreibst.”
(Dankeschön, dafür, liebe Susanne)
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