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Routinen: Werkzeug für das Gute Leben oder Hype?

Bevor ich mit der versprochenen (Öffnet in neuem Fenster) Beschreibung meiner eigenen Routinen beginne, möchte ich hier kurz auf eine mir immer Mal wieder begegnende Kritik an Routinen als Teil des anhaltenden Selbstoptimierungshypes eingehen (zuletzt habe ich so eine Kritik hier (Öffnet in neuem Fenster) gelesen).

In einer Welt, die von Produktivitäts-Apps und Morning-Routine-Influencern dominiert wird, ist es leicht, Routinen als weiteres Symptom unserer gleichzeitig kollektiven und individualistischen Optimierungsbesessenheit abzutun. Die Kritik ist nicht völlig unberechtigt: Der boomende Selbstoptimierungsmarkt hat die Praxis der bewussten Gewohnheitsbildung in ein Werkzeug der Effizienzsteigerung verwandelt.

Jedoch denke ich, dass eine solche undifferenzierte Kritik an Routinen einen entscheidenden Punkt ausblendet: Die fundamentale Unterscheidung zwischen Routinen als Mittel der Leistungsoptimierung und Routinen als Praxis der Lebensgestaltung. Diese Unterscheidung mag subtil erscheinen, ist aber entscheidend.

Was ich oft bei der Kritik an der Popularität von Routinen vermisse, ist diese nuanciertere Perspektive: Routinen sind nicht inhärent gut oder schlecht. Ihre Wirkung hängt davon ab, wie und warum wir sie in unser Leben integrieren und welche Bedeutung wir ihnen zuschreiben.

Routinen sind außerdem natürlich auch nicht ein alleiniges Phänomen der Moderne sondern sind historisch schon lange wichtiges Element bewusster Lebensgestaltung. Von den Philosophen der Antike bis zu den monastischen Traditionen verschiedener Religionen und Kulturen wurden bewusste Alltagspraktiken nicht primär als Werkzeuge der Selbstoptimierung verstanden, sondern als Weg zur Kultivierung eines reflektierten, ethischen Lebens. Diese Perspektive auf Routinen und Gewohnheiten scheint mir auch heute besonders relevant.

Der Wert einer Routine liegt nicht in ihrer Effizienz, sondern in ihrer Fähigkeit, Räume für das zu schaffen, was uns wirklich wichtig ist. Eine morgendliche Meditationspraxis muss uns nicht produktiver machen – aber sie kann uns helfen, unsere Gedanken zu ordnen und präsenter durch den Tag zu gehen. Eine regelmäßige Sportroutine muss nicht in persönlichen Bestleistungen resultieren – sie kann ein Weg sein, unsere Verbindung zu unserem Körper zu stärken und unsere langfristige Gesundheit in den Mittelpunkt zu rücken.

Achtsam gewählte Gewohnheiten können uns helfen, das zu kultivieren, was uns wirklich wichtig ist. Was für uns einen Teil des Guten Lebens ausmacht. Und dazu müssen wir uns zwangsläufig mit der Frage beschäftigen, was es eigentlich ist, das Gute Leben.

Über diese Frage nachzudenken und eine bewusste Einstellung dazu zu entwickeln, sollte ein wesentlicher Bestandteil eines reflektierten Lebens sein.

Kategorie Alltag