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2.4.2024 - Heute ist Welt-Autismus-Tag

Hallo und herzlich willkommen bei #spektrum - barriere (frei).

Ich bin Konstanze, Jahrgang 83, Ehefrau eines großartigen Mannes, Mama von zwei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS), seit 2017 freiberufliche Journalistin, Texterin und Webdesignerin bei www.textezumabheben.de (Öffnet in neuem Fenster) und seit 2024 Ihre Blog-Autorin & Podcasterin von #autismus - barriere (frei). Ich stehe für einen liebevollen, ehrlichen, möglichst barrierefreien und informativen Blog und Podcast über wissenswerte Fakten rund um die Themen Autismus, Neurodiversität, Inklusion und Gesellschaft.

Heute ist Welt-Autismus-Tag

Heute ist Welt-Autismus-Tag, auch bekannt als Welt-Autismus-Bewusstseinstag sowie im internationalen Sprachgebrauch als WORLD-AUTISM-AWARENESS-DAY. Der Welt-Autismus-Tag wurde 2007 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen und am 2. April 2008 erstmals begangen. Idee und Umsetzung stammen von der UN-Generalversammlung und entstanden aus dem Wunsch, das Bewusstsein für Autismus zu stärken, die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum zu unterstützen und generell mehr Sichtbarkeit und Aufklärung in Bezug auf ASS zu bewirken.

Was ist das Wichtigste in Bezug auf die Außenwirkung?

Aus meiner Sicht ist einer der wichtigsten Faktoren hinsichtlich der Außenwirkung, der Gesellschaft zu verdeutlichen, dass Menschen im Autismus-Spektrum im Speziellen bzw. Menschen im Spektrum der Neurodiversität im Allgemeinen längst keine Minderheit mehr sind. Das waren sie vermutlich nie. Durch den Wandel der Zeit (Fortschritte von Digitalisierung, Medizin, Diagnosemöglichkeiten und Erziehungspraktiken) werden jedoch vermehrt zuverlässige Diagnosen überhaupt ermöglicht.

Die Entwicklung in der Kinderdiagnostik ist positiv

Im Bereich der Kinderdiagnostik sind wir in Deutschland heutzutage bereits deutlich fortschrittlicher unterwegs als noch vor 20 bis 30 Jahren. Nichtsdestotrotz werden viele Diagnosen noch immer so spät gestellt, dass Kinder und Familien zum Diagnosezeitpunkt oftmals bereits einen langen Leidensweg hinter sich haben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Beispielsweise fehlende Aufklärung, mangelndes Bewusstsein für neurodiverse Ausprägungen, eigene Ängste oder Verdrängung. Ein anderer sehr wichtiger Aspekt ist jedoch, dass wir uns sowohl im Rahmen von Neurodiversität und Autismus innerhalb eines riesigen Spektrums bewegen, das so facettenreich ist, dass jede Ausprägung individuell und einmalig vorkommt. Zwar existieren einige Überbegriffe wie Asperger-Autismus, frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, hochfunktioneller Autismus oder PDA-Profil, jedoch sind die Klassifizierungen oft schwierig. Einerseits gibt es innerhalb dieser “Überdiagnosen” wiederum unzählig viele Ausprägungen und andererseits haben einige Menschen mit Autismus-Diagnose weitere (komorbide) Erkrankungen und / oder Störungen, die die Facetten der ohnehin unterschiedlichen Ausprägungen unendlich erweitern.

Exkurs: Klassifizierung nach ICD

Diese Tatsache ist auch einer der Gründe, weshalb nach ICD-11 (Öffnet in neuem Fenster) (seit 1.1.2022 als Entwurfsfassung in Kraft, aus lizenzrechtlichen Gründen jedoch noch nicht nutzbar) nicht mehr zwischen Asperger-Syndrom, Frühkindlicher Autismus und Atypischer Autismus klassifiziert wird, sondern nur noch die Autismus-Spektrum-Störung als heterogene Diagnose diagnostiziert wird (oder werden soll). Das hat aus meiner Sicht Vorteile und Nachteile, weshalb ich der ICD-Klassifizierung einen eigenen Post widmen werde. ICD (Öffnet in neuem Fenster) bedeutet ausgeschrieben übrigens „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems” und im Deutschen vereinfacht übersetzt „Internationale Klassifikation der Krankheiten“. Aktuell (April 2024) gilt noch immer die ICD-10.

Erwachsenendiagnose: Viel Luft nach oben

Zurück zum Diagnosefortschritt in der heutigen Zeit: Insbesondere seit den späten 1990er und frühen 2000er-Jahren ist eine deutliche und ansteigende Verbesserung der Diagnosemittel zu erkennen. Das bedeutet jedoch auch, dass die heutige Elterngeneration von aktuell minderjährigen Kindern größtenteils vor dieser Zeit geboren wurde. Sprich: Die Dunkelziffer von nicht diagnostizierten Eltern ist noch immer riesig und nicht zu beziffern. Da genetische Faktoren innerhalb der Neurodiversität oftmals eine große Rolle spielen, erleben betroffene Eltern bei den Diagnosen der eigenen Kindern nicht selten einen absoluten AHA-Effekt. Und auch hier benötigt es noch viel Aufklärung und Wissen.

Aufklärung, Sichtbarkeit und gesellschaftliche Inklusion sind wichtig, um zu verstehen, dass Autismus und Neurodiversität alle angeht und nicht nur eine Minderheit der Bevölkerung.

Welche Ziele verfolgt der WORLD-AUTISM-AWARENESS-DAY ganz konkret:

  1. Globale Initiativen und Veranstaltungen: Diese finden jährlich statt, um weltweit über Autismus aufzuklären.

  2. Light-it-up-blue: Viele Unternehmen und Institutionen beleuchten Schaufenster, Büros und Gebäude am 2.4. eines jeden Jahres blau, um auf Autismus-Spektrum-Störungen aufmerksam zu machen.

  3. Inklusion aufbauen und Barrieren abbauen: Sichtbarkeit und Aufklärung sollen Barrieren verringern und das Bewusstsein für Autismus stärken.

  4. Vielfalt und Hilfsbedürftigkeit: Es ist wichtig zu verstehen, dass das Autismus-Spektrum extrem vielfältig ist. Genauso vielfältig ist auch die Hilfsbedürftigkeit von Autisten*innen. Während einige Autisten*innen ohne Behinderungsgrad auskommen, haben andere einen Schwerbehindertenstatus, der Ihnen die Teilhabe am öffentlichen Leben erleichtert oder gar ermöglicht. Viele Autisten*innen haben Pflegegrade. Diese reichen von Pflegegrad 1 bis 5, je nach Ausprägung. So kann es sein, dass Sie einen Nachmittag mit einer oder einem Autisten*in verbringen, ohne jegliche Anzeichen einer Diagnose wahrzunehmen. Zuhause aber ist derselbe oder dieselbe Autist*in für eine gewisse Zeit (Minuten bis Tage) nicht mehr in der Lage, beispielsweise zu Essen, zu Trinken, zu Sprechen oder sich um die eigene Körperhygiene zu kümmern.

  5. Frühzeitige Diagnosen: Um Leidensdruck zu mindern sowie Therapie und Teilhabe zu fördern.

  6. Technologische Hilfsmittel: Apps und Software-Programme ermöglichen Teilhabe und mindern Barrieren.

  7. Kosten und Lebensunterhalt: Die wirtschaftlichen Aspekte von Familien mit Autismus-Spektrum-Störungen sind nicht zu vernachlässigen. Erhöhter Pflegebedarf für Angehörige, die eigene Erwerbsminderung, benötigte Hilfsmittel sowie Spezialkleidung für die besonderen sensorischen Bedürfnisse stellen eine enorme Herausforderung für Betroffene dar.

  8. Rechtliche Rahmenbedingungen und das deutsche Grundgesetz: Viele Länder haben rechtliche Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderungen festgelegt. In Deutschland regelt das Grundgesetz in Artikel 3, Satz 2: “Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.” Hierbei handelt es sich nicht nur um ein Gebot, sondern auch um ein BenachteiligungsVERBOT. Diese Ergänzung trat am 15. November 1994 in Kraft.
    So viel zur Theorie. In der Praxis ist die Umsetzung leider auch 30 Jahre später oftmals noch deutlich schwieriger.

  9. Akzeptanz: Wichtig für alle Menschen mit Autismus ist, dass sie einfach so akzeptiert werden, wie sie sind. Ohne komisch angeguckt zu werden, ohne in eine Schublade gesteckt zu werden und ohne Fragen und Unverständnis. Schwierig? JA, und deshalb brauchen wir Aufklärung.

Gibt es Kritiken und Kontroverse?

Natürlich gibt es, wie für fast alle Themen, Kritiken am Welt-Autismus-Tag:

  1. Vorurteile: Einige fürchten die Förderung von Schubladen-Denken und Vorurteilen, was der Welt-Autismus-Tag eigentlich abbauen soll.

  2. Repräsentanz: Viele Autisten*innen mit ihren besonderen Facetten fühlen sich falsch oder nicht ausreichend repräsentiert.

  3. Fokus: Der Fokus ist stark auf Defizite und Einschränkungen ausgerichtet. Aber Autisten*innen bringen viele Stärken mit sich, die ebenfalls Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit verdienen.

  4. Wertschätzung: Autismus ist KEINE Krankheit, sondern eine Andersartigkeit des menschlichen Gehirns. Hier wird Akzeptanz, Wertschätzung und Unterstützung gefordert.

  5. Alltag: Menschen und Familien mit Autismus-Spektrum-Störung benötigen Unterstützung, Akzeptanz und Verständnis. Nicht nur am 2. April, sondern JEDEN einzelnen Tag im Jahr.

Wie ist meine persönliche Meinung zum Welt-Autismus-Tag?

Ich verstehe die Kontroverse, aber ich finde die Idee eines Welt-Austimus-Tages gut. Wir brauchen Aufklärung und wir brauchen Unterstützung. Das steht außer Frage. Aber es ist noch viel zu tun. Wenn alle mithelfen, mehr ÜBER Autismus reden, mehr MIT Autisten*innen reden und weniger Berührungsängste haben, dann können wir gemeinsam als Gesellschaft noch besser zusammenwachsen. Daher ist meine Meinung: Lieber MIT Welt-Autismus-Tag, auch wenn vielleicht nicht jede Kommunikation dazu hilfreich und fördernd ist, aber der 2. April bringt Aufklärung und Verständnis in Bewegung. Und das schätze ich sehr.

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Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diesen Artikel bis zum Ende zu lesen. Wenn Sie Fragen haben, kontaktieren Sie mich gerne. Wenn Sie über neue Artikel informiert werden möchten, folgen Sie meinem Kanal und / abonnieren meinen Newsletter.

Ihre Konstanze

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Kategorie Autismuslexikon

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