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Und jetzt: Gefühl!

 

Ob man sich irgendwann an die Einsamkeit gewöhnt, die im Dezember gratis verteilt wird, wie ein Werbezettel für alte Teppiche auf den Petrischalen entleert wurden, klebt sie im Briefkasten, infiziert jedes, das nicht schnell genug betrunken ist.

Die Inkubationszeit dauert bis zur Zeit der kollektiven Hysterie, am 23. so lange kann man tun, als sei nichts, alles normal, aber.

Dann, irgendwann, erwischt es jeden. Die jung sind, können in den Keller fliehen und gamen, oder in Clubs, oder man verabredet sich und geht in ein Fast Food, isst Fettzungen, betrinkt sich, und schläft zwei Tage auf dem Sofa, auf Chips und Aschenbechern, nun, es raucht ja keiner mehr, also ohne Aschenbecher.

 

(jetzt läuft ein Weihnachtssong. Last Christmas oder so was)

 

Schau nur, es schneit. Es schneit wirklich an Heiligabend. Die Flocken, wieso machen die keinen Lärm,  die sind doch außergewöhnlich  groß, als ob sie die Stadt unter Wasser setzen würden, die Flocken wie  helles,  warmes Wasser  durch das sich langsam rudernd, als würde die Welt gleich stehenbleiben , Menschen bewegen, mit roten Gesichtern, und kleine Kinder , die seit Tagen nicht mehr ruhig schlafen können, wegen des Schnees, wegen Weihnachten , wegen des Snowboards, das sie so gerne hätten und Angst haben, das sie einen miesen Schlitten bekommen.

Gleich ist Heiligabend. Was für ein altes Wort, eines, das es gar nicht mehr geben sollte, es gibt doch so wenig, was heilig ist. Dieser Abend vielleicht schon. Dieser furchtbare Abend.

(Schneekugel, Kinder sehen hinter einem Fenster mit Eisblumen in eine verschneite Landschaft, Rentiere, Schlitten, ein paar Betrunkene fallen über einen Gartenzaun und bleiben da hängen)

 

Er hatte das nie gefeiert. Das Weihnachten. Kein Baum, keine Geschenke, keine Cola, kein Jesus. Das war nur sehr kurz interessant für sich selbst, zu sagen: Weihnachten: nein, das machen wir nicht. Aus Gründen, atheistischen, religiösen, anarchistischen ist ja egal.

Er hatte alles versucht.  Bei Freunden war er gewesen und alle hatten getan, als sei es ein Abend wie jeder, hatten gelärmt gegen etwas Fahles an, dann Mikado, Fondue, kotzen.

Und dann war er gegangen, von den Freunden, allein durch die Straßen und hatte in die Häuser gesehen, die Lichter gesehen, und wollte gar nicht mehr laufen, sich nicht mehr bewegen, so müde war ihm.

Und verreist war er in heiße Länder, hatte Touristen belächelt, die Plastikbäume in den Sand steckten, doch auch da kam die Nacht und ein Sehnen, nach was nur.

Und er hatte sie doch genau studiert, die Abschreckung, die Menschen, die in Panik waren, was sollen wir nur konsumieren, in der Zeit da Shopping als Hobby galt und kaufen einen satt machte, die Lücken füllte, die Werbefilme hinterlassen hatten, die Weihnachten immer mit einsamen Leuten zu tun hatten, die immens allein waren zu Musik, und dann kamen die Enkel und Nachbarn und Opa war tot, aber er bekam diesen Saugroboter auf die klamme Brust gedrückt und dann gings wieder. Und danach. Essen, noch mehr Essen, fettiges Essen, das keines mag, wegen des Stresses und dann halt streiten. Und nie, nie ist das Weihnachten so wie in den Filmen, die Grund dafür sind das Menschen blöde Einfamilienhäuser im Nirgendwo kaufen, und Truthahn essen und dann sitzen sie da und warten auf den Filmmoment wo alle lachen und der Hund macht Kunststücke und sie sagen ich liebe dich Daddy, aber Daddy ist tot und hat einen Saugroboter auf der Brust,

So wird das doch nie,

Es sind immer nur überheizte Wohnungen mit zu vielen Leuten, die man sich schnell wegjunkt, und Liebe gibt es nicht.

 

Doch es half ihm nichts, zu wissen wie es zum Weihnachtsmann kam., und was PR ist, und das die wenigsten an einen Gott glauben, an welchen auch immer, das half nicht. Es ist der Abend, die Nacht, die heilig ist und alle so nostalgisch macht, sich sehnen lässt nach einer Zeit, die es nie gab, in der alle Kinder waren, die verdammt nochmal eine vernünftige Familie haben wollen. Mit einem vernünftigen Gott, an den sie tatsächlich glauben, der alles in eine Ordnung bringen würde, und einem properen Baum, gäbe es auch. Er könnte rausgehen, in einen Club gehen, wo all die Einsamen gegen die Traurigkeit antanzen, antrinken, er könnte sich in ihnen sehen, könnte sehen, wie er in einem Club steht und nichts auf Feste gibt, und Tradition, und all dieses Söder Zeug. Aber es würde nicht helfen, nichts hilft, in dieser verdammten Nacht. Wie würde das nur enden, denn irgendwann weiss man, das es nichts mehr wird mit der Erzeugung einer eignen Familie, und auf die Verabredung zu Fast Food hat man keine Lust mehr, die Eltern sind tot, dann wacht man auf, ist noch nicht ganz alt, aber auch wirklich nicht mehr jung, und allein, mit den Chips auf dem Sofa, und blöden  Filmen, und abends gibt es Champagner mit dem sitzt man in seiner Wohnung, falls die einem nicht gekündigt wurde, und hat Angst auf die Straße zu gehen, weil es glatt ist, weil jeder Sturz ein Bruch sein könnte, und eine Lungenentzündung, und da ist auch nichts zum Hingehen, alles geschlossen, und da sind keine Kinder, die kommen, woher auch, man hatte ja nie welche, das war auch gut so. Aber es ist schwer, mit der Dunkelheit da draußen und dem Alleinsein, aber vielleicht ist man ja in einem Heim. Da kann es nett sein, mit den anderen, bei der Weihnachtfeier, und Kinder kommen und singen Lieder, immer diese Lieder, meine Güte wie lange dauert, dass noch, bis man richtig alt sein würde.

 

(kleiner Hund, ein wenig abgemagert, sitzt an einer zugefrorenen Pfütze, betrachtet sich, eine Träne)

 

Die Glocken, jetzt geht das los.  Die Katholiken greifen an, er möchte die Idioten belächeln, die in die Kirche gehen, sich ein Märchen anhören in schlecht geheiztem Gemäuer. Aber er schließt nur die Augen und hört den Glocken zu. Jeder Schlag hallt in ihm, bis er schreien möchte, weglaufen vor diesen Glocken, den sie werden immer lauter und dann ist Ruhe, und er weiß, was jetzt passiert, in tausend Wohnungen. Was soll passieren. Kinder fallen über die Geschenke her, reißen das Papier auf, die Geschenke auf, kaputt, das Essen ist angebrannt, vielleicht brennt später auch noch die Gardine. Aber was passiert, in seiner Vorstellung ist Heimat. Zu wissen, wo man hingehört. Ist Ruhe. Und wenn es auch nur die Idee von diesen Dingen ist. Er kann noch nicht mal die Idee haben. Es geht vorbei, es ist nicht schlimm. Er wird etwas essen, zu Bett gehen. Morgen ist der erste Weihnachtstag und alles schläft, satt von Liebe, vom Braten, von der Erschöpfung, egal warum, kein Mensch ist morgen auf der Straße.    Freunde werden ihn fragen, irgendwann, wenn sie sich wieder der Welt zuwenden, wie war es denn an Weihnachten. Und er wird lächeln und sagen, weißt du, ich bin froh, dass ich den ganzen Zirkus nicht mitmachen muss. Ich habe Filme geschaut, mir Zeug geschenkt, viel geschlafen, ich habe mich gepflegt, mir ging es gut, danke. Und sie werden neidisch sein. Klar, werden sie neidisch sein, nach all der Hektik, die sie hatten. Daheim, mit Menschen, die vielleicht langweilig waren, aber irgendwie doch da, vorhanden, gegen die Angst sich aufzulösen in der Zeit der Lügen, und der Kriege.

Ja und

nichts hilft, gegen das leise Gefühl der Tonlosigkeit an Weihnachten, an diesen Tagen an denen

niemand allein sein sollte. Weil es ist, wie allein auf der Welt zu sein.

 

 

 PS. Eine Hand wäscht die andere, ihr bekommt den Text geschenkt, und könnt ein bisschen für mich und eure Zukunft, sowie für die Weltherrschaft der besten Partei arbeiten, das wäre mein Jahresendwunsch.

PS2. Ich werde gütig regieren

 

https://www.die-partei.de/europawahl-2024/ (Öffnet in neuem Fenster)

 

Ein gutes Alles Allen!

 

 

 

 

 

Kategorie Sehr unterhaltsame Texte

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