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Stille.

Wie das Schreiben mich immer wieder findet und über die Frage, wie wir das Schweigen unserer Kreativität aushalten können.

In den letzten Wochen fühlte es sich an, als wäre mir meine Kreativität abhandengekommen. Das Einzige, was ich seit Dezember wirklich regelmäßig und zuverlässig schrieb, war dieser Blog. Dahinter steckt glücklicherweise auch ein gewisser Druck, denn ich habe dir jeden Sonntag ein frisches Update versprochen. Dafür bin ich mehr als dankbar, denn der Gedanke, dass tatsächlich jemand liest, was ich schreibe und sich dabei eventuell irgendwie digital abgeholt fühlt oder wenigstens Unterhaltung in meinen Zeilen findet, ist wohl die beste Motivation, die ich mir vorstellen kann. Auch wenn ich mich die ganze Woche über nicht danach fühle, von meiner aktuellen Lage zu berichten - was habe ich schon zu erzählen, wenn ich nicht einmal schreibe? - wenn der Beitrag am späten Samstagabend mit sorgfältig ausgewähltem Zitat oder Song und Titelbild in der Warteschleife für die sonntägliche Newsletter-Post liegt, dann fühlt es sich immer wieder richtig an. Dann spüre ich die Verbundenheit mit meinem Schreiben plötzlich wieder. Eventuell liegt das auch an dem therapeutischen Charakter, den das Schreiben dieses Blogs für mich hat, denn ganz ehrlich: Mit meinen Freund:innen spreche ich selten über meine Phasen, in denen ich nicht schreibe, keinen kreativen Gedanken zustande bringe und am großen Ganzen zweifle. Das ist mir höchst unangenehm, ich bin doch schließlich die Autorin in der Runde! Dass solche Momente aber zum Schriftsteller:innendasein dazugehören und eine Notwendigkeit sind, muss ich mir selbst immer wieder erklären und ich weiß, dass viele, wenn nicht alle von euch, das auch noch das ein oder andere Mal hören oder lesen müssen, bis sie es glauben. Zwischen unseren Zeilen und all den Worten möchte unser Leben schließlich auch gelebt werden. Und das ist von Zeit zu Zeit schon Anstrengung genug, oder?

Nachdem ich mir nun meinen kreativen Winterschlaf gegönnt habe, sucht mich das Schreiben ganz heimlich, still und leise ganz von selbst auf. Völlig unaufgeregt schenkt es mir seit einigen Tagen immer wieder einen winzigen Gedanken, den ich „für später“ notiere oder schickt mir eine Nachricht von anderen kreativen Menschen, die mein schreibendes Ich genau ins Herz trifft. Und auf einmal, ohne jede Anstrengung ist es wieder da, mein Schreiben. Es hat nicht vorher angerufen und gefragt, ob es vorbeikommen darf, vermutlich hätte ich das Gespräch nicht einmal angenommen. Nein, es hat mich völlig überrumpelt und so saß ich am Freitagnachmittag an meinem Laptop und tippte an der Story für den nächsten Literaturwettbewerb, die bereits vor Monaten in der „Nicht-gut-genug-Schublade“ verschwand und dort eingehüllt in meiner Angst verharren musste. Ich traue mich, sie zu überarbeiten und so zu gestalten, dass ich sie stolz teilen und mit leuchtenden Augen darüber sprechen möchte. Über manche Geschichten muss man einfach ein wenig länger schlafen. Auch beim Schreiben gibt es nicht immer nur die Liebe auf den ersten Blick und man muss sich aneinander gewöhnen, bevor man die Schönheit der Idee erkennt.

Es gibt diese Momente, in denen selbst bei den leidenschaftlichsten Autor:innen das Schreiben einfach gerade nicht an der Reihe ist. Ist es nicht völlig natürlich, dass man im Leben Prioritäten setzt? Bei allen anderen Dingen scheint das selbstverständlich zu sein: Wer gerade im Job eingespannt ist, stellt das Hobby hintenan. Wer normalerweise täglich Sport macht und eine Erkältung auskuriert, handelt vernünftig. Ein:e Schriftsteller:in, die eine Weile nicht schreibt, weil die Kreativität schweigt? Mit so wenig Disziplin wird das aber nichts mit dem Bestseller! Lassen wir uns nicht weiter von unserem inneren Kritiker anbrüllen und geben uns verdammt noch einst eine Pause, lüften unser Inneres kräftig durch und bereiten unserer Kreativität einen herzlichen Empfang, sobald sie wieder anklopft.

Wer sich immer wieder hinsetzt und sowohl am Laptop als auch mit Notizbuch oder Schreibmaschine nicht den kleinsten Satz zustande bringt, sich nicht zu Schreibimpulsen aufraffen kann und am liebsten einfach nur lesen möchte, der darf diese Schreibstille akzeptieren, sein Buch lesen und sich dabei gut fühlen. Und damit geht nicht gleich der Titel „Schriftsteller:in“ verloren. Man darf das Schreiben nicht als einen 10-Kilometer-Lauf verstehen, für den man trainiert und bei dem man irgendwann ins Ziel läuft. Ein:e Schriftsteller:in wird niemals fertig werden mit dem Schreiben und es gibt keine Zielgerade, auf die wir uns zubewegen. Das Schreiben als Begleiter zu verstehen, ist für mich ein recht heilsamer Gedanke, was diese Zielstrebigkeit angeht. Es ist keine Aufgabe, sondern ein Teil von mir, der mal mehr und mal weniger präsent ist und mit mir gemeinsam durchs Leben geht. Das verläuft nun mal nicht linear und das ist auch gut so. Es gibt diesen Spruch: „No rain, no flowers“, den du sicher schon mehr als einmal gehört oder gelesen hast. Und auch wenn es ein wenig abgedroschen klingt: „Kein Winterschlaf, kein Erwachen“. Ich bin schon mehrmals durch diese schreibarmen Phasen gegangen und jedes Mal fühlte es sich währenddessen furchtbar aussichtslos an und die Zweifel saßen auf meiner Brust wie der Troll aus Harry Potter, der triumphierend mit den letzten Fetzen meiner Hoffnung in der Luft herumwedelt. Obwohl ich weiß, dass mein Schreiben immer wieder zu mir findet, durchlebe ich diese Verlustangst wieder und wieder. Was, wenn meine Kreativität diesmal nicht zurückkehrt? Dann wäre mein größter Zufluchtsort einfach weg und ich weiß überhaupt nicht, wer ich sein soll ohne meine Worte.

Bevor ich all diese zermürbenden Gedanken zu Ende denken kann, meldet sich meine Kreativität. Genau zur richtigen Zeit. Ist das Zufall, dass mich genau in diesem Moment eine Nachricht ereilt von einer Autorin, die sich mit mir austauschen möchte - von Autorin zu Autorin? Spricht mich wirklich zufällig jemand auf den Literaturwettbewerb an, den ich schon fast wieder von meiner Liste streichen wollte, weil ich mich nicht für gut genug halte? Das Kompliment zu meinen „inspirierenden“ Instagram-Posts erreicht mich rein zufällig jetzt? Und wie habe ich nochmal die Spotify-Playlist entdeckt, die mich seit einer Woche begleitet und beim Schreiben in einen nie dagewesenen Flow versetzt? Aus spiritueller Sicht könnte ich natürlich sagen: „Das Universum regelt die Sache eben wieder einmal für mich“. Etwas nüchterner betrachtet erkläre ich es damit, dass ich einfach Offenheit signalisiere, wenn ich bereit für die Weiterfahrt auf dem Autorinnenweg bin und mich mit den „richtigen“ Menschen umgebe, die mir einen sanften Schubs geben, wenn ich ihn brauche und auch annehmen kann.

Stille auszuhalten ist wohl eine der größten Hürden, die wir zu meistern lernen müssen. Müssen wir? Nunja, es kann hilfreich sein, würde ich sagen. Denn wer die Stille so lange aushält, bis es wirklich ruhig wird, der kann in sich hineinhorchen und diese Erfahrung kann Angst machen, aber auch sehr heilsam sein, nicht nur in Bezug auf unser Schreiben. Wenn dir das schwerfällt und du dich noch nicht ganz in die Stille traust, dann bist du damit nicht alleine und es ist völlig in Ordnung, sich langsam heranzutasten. Vielleicht findest du ja auch ein wenig Halt in der oben verlinkten Playlist, die für mich aktuell ein absoluter Gamechanger ist. Ob das so bleibt und wie es mit dem Mut in Sachen Schubladen-Story aussieht, bleibt abzuwarten…

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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