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Vielleicht.

Über die Schwere von „vielleicht“, die schlussendliche Leichtigkeit eines klaren „Ja“ oder „Nein“ und kleine Erfolge.

Während der letzten Tage habe ich mich viel mit Wörtern beschäftigt, Wörtern verschiedenster Kategorien. Ich blätterte im „Lexikon der schönen Wörter“ und entdeckte das ein oder andere tatsächlich fast vergessene Lieblingswort im „Buch der fast vergessenen Wörter“. Wie herrlich sie sich schubladisieren lassen, diese Aneinanderreihungen von Buchstaben, nicht wahr? Vor einiger Zeit las ich in einem Beitrag auf Instagram, dass das traurigste aller Wörter wohl das kleine Wort fast sein muss. Ich dachte darüber nach und ließ diese Behauptung einen Moment lang wirken. Innerhalb kürzester Zeit war ich überzeugt: Nichts ist so traurig, wie ein fast. Haarscharf vorbei am Ziel, an der großen Liebe, am perfekten Notendurchschnitt, der Bestzeit, der Traumwohnung. Ist es nicht noch viel schmerzhafter und tragischer, etwas fast erreicht zu haben als von Beginn an meilenweit davon entfernt gewesen zu sein? Ich habe das Gefühl, je weiter weg man sich von solch einem Ziel befindet, desto leichter kann man verkraften, es niemals zu erreichen. Doch wenn es zum Greifen nah ist, man schon den warmen Atem der erfüllten Sehnsucht spürt und dann doch nicht nah genug herankommt… Ob sich diese Theorie wirklich auf alles übertragen lässt? Ich bin mir nicht sicher. Schließlich wäre ich mit dem zweiten Platz in einem Literaturwettbewerb nicht unglücklich, selbst wenn Platz 1 nur einen halben Punkt entfernt gewesen wäre.

Nun sprachen wir über das angeblich traurigste Wort und ich frage mich, was denn dann das glücklichste sein soll? Diese Antwort konnte ich bisher nicht finden, dafür eine Reihe schöner und fast vergessener Wörter (in diesem Fall scheint es ein durchaus positives fast zu sein!).

Seit heute steht auf meiner Liste der traurigen Wörter auch das vielleicht. Es segelte in Form eines Liedes in meine Gedanken. Dieses Lied stammt von einem Künstler aus meiner früheren Wahlheimat Nürnberg, den ich schon seit, sagen wir recht lange, kenne, und öffnete eine riesige Kiste mit Erinnerungen an die „alten Zeiten“. Doch nicht nur deshalb trifft dieses Stück ins Schwarze, hört es euch am besten selbst an:

Es handelt von den vielen Dingen, die man vielleicht irgendwann machen wollte, aber dann ist plötzlich dieses Irgendwann da und man hat keines der Vielleichts umgesetzt. Und irgendwie ist aus all den Vielleichts ein Nein geworden, ganz heimlich, still und leise.

Denke ich genauer darüber nach, dann entdecke ich die Schwere in all diesen Vielleichts. Sie fühlen sich für mich selten gut an, weil sie immer eine Ungewissheit mit sich tragen. Und auch wenn ich ganz klar kein Mensch bin, der immer für alles einen Plan braucht, fühlt sich Klarheit am Ende immer leichter an. Der Weg zu einem Ja oder Nein kostet mich in der Regel deutlich mehr Überwindung, als einfach zu sagen: vielleicht. Doch in dem Moment, in dem ich es ausspreche, fühlt sich das Ja oder Nein viel wohliger an, als dieses vielleicht, das dann weiter in meinen Gedanken hängt und so schnell auch nicht verschwindet. Irgendwann meldet es sich wieder und sagt mir, welche Dinge ich an ein Vielleicht verloren habe. Irgendwie ist es doch auch unfair gegenüber all diesen Dingen, die man vielleicht mal tun wollte, man selbst möchte ja auch nicht das Vielleicht von jemandem sein, oder? Ich jedenfalls bevorzuge es, ein klares Ja oder Nein zu sein.

Das Ganze fühlt sich für mich jetzt nach recht schwerer Kost an, und das am Sonntagmorgen! Zeit für eine kleine Erfolgsgeschichte, oder?

Es begann mit einem „Vielleicht sollte ich da auch einfach mal mitmachen“. Ich hatte, soweit ich mich erinnere, bereits das Montagswort von @prosa_ist_innen auf Instagram erwähnt. Monatelang verfolgte ich die Beiträge der anderen, die sich an diesem Format beteiligen und traute mich nicht, meine Zeilen zu teilen und ebenfalls kreativ sichtbar zu werden. „Vielleicht beim nächsten Wort …“ So ging es Wochen, Monate. Und irgendwann war auf einmal irgendwann und ich traute mich, einem Schreibimpuls zu folgen und ihn öffentlich zu kommentieren zwischen all den anderen Schreibenden, die ich natürlich für viel kompetenter hielt als mich. Es stellte sich heraus, dass ich in eine absolut wohlwollende und supportive Schreib-Community stolperte. Von da an konnte ich es kaum erwarten, dass ein neues Wort erscheint und ich meine Zeilen dazu tippen und teilen konnte, es wurde eine lieb gewonnene Gewohnheit und großartige Fingerübung für zwischendurch. Und nun erscheine ich mit einer dieser Miniaturen in einem Newsletter, den ihr hier übrigens abonnieren könnt:

Natürlich ist es „nur“ eine Miniatur in einem Newsletter und kein Buchvertrag beim großen Verlag, aber es geht mir darum zu zeigen, dass wenn man das ein oder andere Mal, das vielleicht weglässt und einfach macht, dann können dabei wunderbare kleine und große Dinge passieren. Und mal im Ernst: Ob man wegen einer kleinen oder einer großen Sache ein Lächeln im Gesicht hat, ist doch egal!

Möglicherweise bin ich im Moment auch einfach sehr empfänglich für diese Gedanken der (fast?) verpassten Gelegenheiten, weil ich selbst mal wieder in einem Umbruch stecke, der aus sehr vielen Möglichkeiten besteht und auch in meinem Umfeld die ein oder andere Situation der Neu-Orientierung stattfindet. Erst vor ein paar Tagen fragte ich eine Freundin, was sie denn mit ihrem Leben anfangen würde, wenn alles egal wäre, sie sich keine Sorgen um finanzielle Verpflichtungen oder Ähnliches machen müsste. Und sie kam sofort ins Schwärmen von ihrem Traumjob, der in meinen Ohren durchaus solide klang, und beendete ihre Ausführungen mit einem: „Aber es ist einfach so schwer, da hinzukommen. Naja, vielleicht mache ich ja irgendwann nochmal was Neues.“ Wie sehr ich ihr wünsche, dass sie nicht nur einmal noch etwas Neues macht..

Und dann gibt es da noch meine liebe Freundin E., die wochenlang zwischen der vermeintlich vernünftigen und der Herzensstelle (ebenfalls als Redakteurin, so wie ich, daher fieberte ich besonders mit) schwankte. Es war mir ein inneres Blumenpflücken zu beobachten, wie sie schrittweise das Vertrauen zu sich selbst fand, auf ihr Bauchgefühl zu hören und sich schlussendlich freudestrahlend für die Herzensstelle entschied, die zu Beginn ein großes Vielleicht darstellte und immer mehr zum klaren Ja wurde. Obwohl die Vernunftsstelle mit einem netten Gehalt und großspurigen Schmeicheleien um die Ecke kam, blieb sie bei der Entscheidung für sich selbst und erfüllte sich damit die Wünsche, die ihr wirklich wichtig sind. Ich bin so stolz auf sie, denn es braucht viel Mut, sich für sich zu entscheiden.

Falls du also auch seit einiger Zeit denkst: „Vielleicht könnte ich mal wieder ein paar Zeilen schreiben“, dann mach es doch jetzt. Gib deinem Schreiben ein klares Ja. Egal wie viel und was du schreibst - ich las heute erst einen kleinen Abschnitt darüber, dass ein recht bekannter und erfolgreicher Autor jeden Tag fünf Minuten über das Wetter schreibt - die Ausrede keine Ideen zu haben zieht also nicht und ich bin gespannt auf eure Wetterberichte ;)

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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