Von Arztterminen, Schmerzen & Diagnosen mit Fragezeichen
Disclaimer: Ich möchte versuchen, teile meiner Geschichte in Worte zu packen & zu teilen, weil mir die Erfahrungsberichte anderer helfen. Ich habe mich lange nicht getraut, über meine Erfahrungen zu schreiben, solange “Verdacht” vor der Diagnose stand. Jetzt steht vor einer kein Verdacht mehr und auch wenn bei beiden Hauptdiagnosen noch keine 100% Sicherheit besteht, ist der Verdacht zusammen mit den Indizien anscheinend groß genug. Die folgenden Zeilen habe ich lange in mir rumgetragen. Sie sind ein Teil, ein kleiner Ausschnitt meiner Reise die letzten Monate. Ich hab sie einfach runtergeschrieben, ohne überarbeiten, ohne Struktur oder Plan oder so. Vielleicht helfen sie dir, dich weniger allein zu fühlen (also feel hugged, wenn du dich in ihnen wiederfindest). Anywho. Here you go:
Über 25 Arzttermine, Blutabnahmen, Befundbesprechungen bei mehr als 13 unterschiedlichen Ärzten in 12 Monaten. Über 1.500€ Ausgaben für Leistungen auf Selbstzahlerbasis, extra Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel aufgrund von Mängeln,… Monatelang Ungewissheit. Monatelang ständig Schmerzen - von Kopf bis Fuß (wortwörtlich). Aufschrecken mitten in der Nacht, Zusammenkrümmen am Arbeitsplatz, vor Schmerzen mitten im Supermarktgang stehen bleiben oder gar nicht erst einschlafen können. Angst. Und Recherche. Und Arzttermin nach Arzttermin. Ich kann die Tränen nicht zählen. Die Fragen, die Unsicherheiten, die Angst, die Beschwerden (zwei DIN-A4 Seiten füllen sie mindestens aus). Und dann löst Frust irgendwann die Angst ab. Und Traurigkeit und Erschöpfung mischen sich mit Trauer, als meine Hand nur noch Rippen spürt, wo sie einst beruhigend bei Angstattacken ihren Platz fand.
9 Monate aktiver Arzttermine bis zur ersten Verdachtsdiagnose. Nochmal 3 Monate bis zum nächsten Facharzttermine. Erstmal ohne Befund. Bis ich nach 4 Wochen ohne Post den Bericht mal anfordere. Noch ein Telefonat mit meiner Ärztin. Und immer noch Unsicherheit. Oder scheinbare Sicherheit und Diagnosen?
Und jetzt sitze ich hier uns starre auf grad geschriebene Zeilen und mein Herz weiß gar nicht, was es fühlen soll, wenn es von anderen Betroffenen hört, die teilweise 25 Jahre Ärztemarathon hinter sich haben, bis eine Diagnose folgt. Frauen, die Jahrzehntelang mit Schmerzen leben und versuchen zu funktionieren, nur weil man uns eingeredet hat, die wären normal.
Vor einem Jahr wusste ich ganz genau, dass mein Körper mir irgendetwas sagen will, nach Hilfe schreit. Und ich hab irgendwann verzweifelt zurückgeschrien, weil ich ihn nicht verstand. Und ich schäme mich dafür, wie wenig ich über meinen eigenen Körper weiß. Und ich bin stolz darauf, dass ich drangeblieben bin. Weil ich recht hat, in der Deutung, dass irgendetwas nicht stimmt.
Mit einer Krankheit oder gleich zwei “quasi” diagnostiziert zu werden, bei denen bisher nicht bekannt ist, warum und wie sie entstehen und wie man sie heilen kann fühlt sich seltsam an. Zu wissen, dass man eine von Millionen ist be(un)ruhigt.
Ich erinnere mich, wie ich nach dem Bauchultraschall-Termin in der Bahn meine Tränen nicht zurückhalten konnte. Einfach nur verzweifelt geweint habe, weil mal wieder nicht gefunden wurde. Wie dasselbe Ergebnis nach der Magen-/Darmspiegelung mich beruhigte, bis die Beschwerden wieder losgingen und immer noch keine Antwort da war. Ich erinnere mich an die Angst vor bestimmten Nahrungsmitteln, weil ich nicht wusste, was was triggert. Ich erinnere mich an den eigentlichen ersten Bauchsonotermin. Nachmittags würden sie gar keine machen - hört man gerne nach ner Stunde Busfahrt. Und dass ich zu jung sei für ein Tumor. Läge bestimmt an dem Prüfungsstress und danach würden die Bauchschmerzen bestimmt verschwinden, wurde mir suggeriert. Ich erinnere mich an den HNO-Termin, bei dem mir gesagt wurde, ich solle Yoga versuchen & Stress abbauen - von einem HNO, der ganz offensichtlich seinen Stress hinter einem versuchten Lächeln versteckte. Und an den Endokrinologen-Termin, auf den ich weniger lange gewartet habe, als auf einen Termin bei meiner Hausärztin. Bei dem ich ca. 30x so lange im Wartezimmer saß, wie ich bei der Ärztin drinnen war. Wo ich nicht mal saß, bevor die klassische Ärztefrage kam. Und wo meine Antwort unterbrochen wurde mit “ja, aber was ist denn ihr Hauptproblem? Welche eine Sache?” und alles in mir schreien wollte: “Dass es so viele Beschwerden sind!” Bei dem ich die eigenartigsten “Diagnosen” bekam. Und der Bericht mir riet, zuzunehmen, da “eine Anhebung des Grundgewichts die Beschwerden der Patientin lindern könnte.” - ohne überhaupt eine Antwort, warum ich in 8 Monaten 10kg Gewicht verloren hatte.
Ich erinnere mich daran, welches Schmerzlevel es brauchte, um meine Sozial Phobie stummzuschalten. Und dass ich trotzdem daran zweifelte, ob ich grad wirklich ins Krankenhaus fahren darf. (Nachdem ich stundenlang vor Schmerzen nicht Stehen, Gehen, Sitzen konnte & mir wortwörtlich die Worte fehlten.) Und ich erinnere mich an die Abschlussprüfung vier Tage später, bei der ich mir vorkam wie in nem anderen Film.
Ich erinnere mich an meinen ersten Gyn-Termin letztes Jahr, bei dem die Frauenärztin mich quasi gar nicht erst untersuchen wollte. Und dass es 3-4 Termine & ein halbes Jahr dauerte, bis irgendwas in meiner Beschwerdeliste endlich mal bei ihr Concern auslöste.
Ich erinnere mich an den Facharzttermin, in dem die größte Hoffnung auf ne Diagnose lag. Dass meine PMS-Beschwerden so sehr kickten, dass es mir unangenehm war. Daran, dass meine Gyn-Praxis erst nach viel extra Stress und tränenreichen Anrufen die nötige Einweisung ausstellte (für einen Arzttermin, den sie mir empfohlen hatten)…Dass ich mich nicht genügend konzentrieren konnte, alle meine Beschwerden runterzurattern und ihr am liebsten einfach meine 2 Seiten hingelegt hätte. Und daran, dass während des ganzen Ultraschalls kaum mit mir geredet wurde. Und dann irgendwann die Pille angesprochen wurde. Und ich aber aufpassen müsse wegen meiner psychischen Vorerkrankungen. Und dass dann der Oberarzt dazu gerufen wurde ohne Vorwarnung, der ne Minute später vor mir stand und nochmal schallte. Selten so unangenehme Arztsituationen erlebt. Als wäre dieser Gyn-Stuhl nicht so schon unangenehm genug. Ich erinnere mich daran, wie ich gefrustet wieder nach Hause fuhr. Und irgendwann die Tränen kamen: Was mach ich jetzt?
Ich erinnere mich an einen Facharzttermin ein paar Tage später, bei dem ich endlich mal das Gefühl hatte, ernstgenommen zu werden. Und was das ehrliche Zuhören mir schon für Hoffnung gab.
Und ich erinnere mich an einen kleinen Mutausbruch. Der dazu führte, dass Fremde zu gegenseitigen Wegbegleitern wurden. Und dass eine von ihnen mit dafür sorgte, die Diagnose versteckt im Bericht zu entdecken: Adenomyose und Verdacht auf Endometriose.
Und ich merke, dass ich im letzten Jahr viel gelernt habe. Über mich selbst, meinen Körper und Arzttermine. Und über eine Erkrankung, die 10-60% aller Frauen betrifft.
Und jetzt sitze ich nach Beschwerdereichen und immer energieloseren Tagen auf meinem Bett, in dem vor einem Jahr so viele Tränen floßen. Und ich möchte mir selbst sagen: ich bin stolz auf dich. Und du hattest Recht. Und ich weiß nicht wie, aber ich bin froh, dass du geblieben bist. Und deine Gesundheit ist es wert, drum zu kämpfen.
Und es dämmert mir, dass der Kampf jetzt erst richtig anfängt. Das Ausschöpfen “konservativer Maßnahmen”. Und dass da mal wieder viele Steps anstehen, die mir extrem bevorstehen. Und ich darf mich daran erinnern, wie viele solcher steps ich schon gegangen bin. Und ich darf müde davon sein. Und ich darf weitergehen. Für mich. Für meine Gesundheit. Und für Frauen, denen es auch so geht. Die sich auch alltäglich fragen, was sie noch machen sollen. Deren Wärmflachen auch zu ihren engsten und treusten Begleitern mutierten. Auch bei 30 Grad und Sonne. Und ich darf sagen, dass das einfach echt mies scheiße ist. Und frustrierend. Und schmerzhaft (auf allen Ebenen). Und ich darf dankbar sein, dass ich nicht alleine bin.
Ich darf keine Ahnung haben, wie es grade weitergeht. Ich habe keinen Masterplan. Keine Kampfansage an die Krankheit(en) parat. Ich weiß nicht, was beruflich der nächste Move ist. Weiß nicht, wie ich mich ohne das Zimmer bei meinen Eltern grad finanziell über Wasser halten sollte (vielleicht auch, weil ich beim ALG-Antrag evtl etwas zu ehrlich war).
All i know is, I am trying. and I am tired.