Episode #55
23.11.2024: Pixel in (hauptsächlich) blau und weiß.
The Secret Society of Officially Old Millennials
Du sagst nicht, dass du nicht willst, murmelst nur, dass du zu alt bist. Du ziehst die Schultern nach oben und den Blick nach unten und ich versteh den Gedanken, aber nicht die Argumentation.
Wenn uns als Kinder jemand gefragt hätte, ab wann man alt ist, hätten für sechzig gesagt. Wahrscheinlich stimmt das nicht mal, aber für mich war Altsein gleichgesetzt mit Enkelkindern und Rente, ganz bilderbuchmäßig.
Wir sind weit entfernt von Bilderbuchwelten und nicht mal halb so alt wie sechzig. Ich hab dich auch nicht gefragt, ob wir die Nacht durchmachen wollen, sondern ob du noch Lust hast, was Trinken zu gehen. Ich bin genauso alt wie du, natürlich meine ich, dass wir spätestens um elf zuhause sein werden.
Wirklich nicht, da tut dir morgen alles weh.
Mir nicht, denke ich, denn wo du an harte Sachen denkst, träume ich von fancy Mocktails, für die ich locker doppelt so viel zahle wie mir meine Oma damals zur Disco mitgegeben hat.
Wir spielen es hervorragend, dieses Theaterstück ab Ende Zwanzig. Der Text sitzt, aber wir rattern ihn herunter wie Kleinkinder, die keine Ahnung haben, was Alter überhaupt bedeuten soll. Wir sind zu neu, zu unerfahren auf dieser mittelgroßen Bühne, auf der uns alle anstarren und eigentlich niemand zusieht und der Abschied fällt uns schwer und der Neubeginn noch mehr.
Du sagst “Ich bin zu alt” mit triefendem Bedauern und manchmal regen wir uns entweder über Jüngere auf oder eifern ihnen nach, während wir panisch über kleine Fältchen cremen.
Dabei will niemand ernsthaft nochmal siebzehn sein.
Warum können wir nicht zugeben, dass wir einen Punkt in unserem Leben erreicht haben, an dem wir uns selbst gut genug kennen, um zu wissen, dass wir lieber sterben würden, als am Freitagabend nicht auf der Couch zu liegen. Warum können wir nicht zugeben, dass wir es genießen:
zu Hause zu sein,
allein zu sein,
mit maximal einer Person einen Raum zu teilen,
in eine Fantasiewelt mit viel zu vielen Fae mit enormen Flügelspannweiten einzutauchen,
für die Welt unsichtbar zu sein, nachdem wir den ganzen Tag für andere da waren?
Warum können wir „Ich bin zu alt dafür“ nicht in einen Satz verwandeln, der mit Leichtigkeit und einem Lächeln gesprochen wird und alle jüngeren Versionen des Lebens auf etwas hinweist, das sie erst noch entdecken müssen, und diejenigen grüßt, die es bereits getan haben? Wie die Parole eines Geheimbundes.
Du hast recht, sage ich und hake mich bei dir unter.
Freitage sind für Kuscheldecken.
a million pretty pieces (Öffnet in neuem Fenster) - Nightly, Fleurie
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