Leben vorm Fenster

Stift auf Papier.

Ein ausgemalter Kreis als Aufzählungszeichen.

Dahinter?

Was Wichtiges.

Was Unentbehrliches, Dringendes.

Darunter?

Das gleiche nochmal.

Vielleicht sogar noch wichtiger.

Und darunter auch.

Bis die Liste zwanzig Punkte zählt, die ich jede Woche auf die nächste Seite übertrage und die nie kürzer wird.

Ganz gleich wie lang ich sie gelähmt anstarre.

Ganz gleich wie viele Dinge ich am Tag tue.

Die Punkte bleiben und ich denke an eine Freundin, die keine Punkte mehr malt sondern Herzchen, um sich selbst den Tag schöner zu machen.

Und ich denke an schöne Tage, Tage ohne Listen, ohne den inneren Drang von Zeile zu Zeile zu springen, Tage voll Sonne und Faulenzen und Wattebauschwolken auf himmelblauem Grund.

Wenn ich aufschaue vom Papier, fällt mein Blick durchs Fenster auf im Wind wippende Baumwipfel, in denen sich Amseln zanken.

Vielleicht sollte ich mal wieder raus gehen.

Die letzten Wochen, vielleicht auch Monate, waren eine Hetzjagd meiner eigenen Gedanken. Nie genug Zeit, immer zu viel zu tun und wie immer kommt das zu kurz, was man am liebsten tut. Ich habe lange überlegt, ob ich eine Sommerpause machen soll oder nicht, mich dagegen gesträubt, mich mit Händen und Füßen gegen jeden Zeitplan gewehrt, um dieses kleine Fensterchen aufzuhalten, in dem ich irgendetwas Bedeutendes zu Papier bringen kann, aber es war nie wirklich groß genug. Die Wahrheit ist, dass all der Druck manchmal jedes noch so schön geschriebene Wort nicht wert ist, wenn der Preis zu hoch wird. Deshalb lesen wir uns erst Ende Juli wieder, wenn mir der Wind genug um die Nase geweht ist, um guten Gewissens Neues erschaffen zu können.

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