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Ich muss nie wieder irgendetwas.

Ich musste nie irgendetwas. Sie tun alle nur so. Sie haben mir damit gedroht, mich aus ihrer Welt zu werfen, wenn ich ihren Anweisungen nicht folge. 

Jetzt sitz ich 100 Meter über der Meeresoberfläche und nippe am Wein, während ich beschließe, diesen Satz zu beginnen. 15:59. Wir schreiben Tagebuch. In Echtzeit. Und wir schreiben Geschichte. Die Geschichte. 

Also lass uns beginnen ...

Du sitzt am Meer. Du siehst hinab vom Bildschirm und kneifst die Augen zusammen. Die Sonnenstrahlen glänzen im Dunkelblau des Wassers. Neben dir aalt sich Pablo in der Sonne. Es gibt Tee und Wein. Der Himmel ist blau und aus den Handyboxen rießelt Eminem ... 

Du lässt deinen Kopf fallen - und stellst fest, dass es sich gut anfühlt, wenn du machst, was ich sage. 

Also lassen wir ein wenig Raum und atmen tief ein. Bevor wir die Geschichte spinnen. 

Was wir wissen:

1. Wir finden Muscheln am Strand und Salat auf dem Weg dorthin. 

2. Wir haben die letzten Tage so viel gegessen, dass wir keine Angst mehr vor dem Verhungern haben. 

3. Wir spüren ausschließlich positiven Druck.

4. Wir wollen. Und müssen nicht. Das sagte ich schon. 

5. Mama liebt mich. 

6. Die, die dich am meisten lieben ... ja, was will ich sagen? Und wie fühlt sich das an, wenn ich die Worte in meinem Mund herumdrehe? Nur, dass du ... weiterhin das in mir sehen kannst, was du einst zu lieben schienst. Ich spüle den bitteren Geschmack mit Wein hinunter und würde am liebsten alles wieder ausspucken. Doch ich trinke, Schluck für Schluck. Und mein Gewissen schreit mich an ...

Allzu gern würde man sagen, was die Welt von einem hören will. Oft schafft man es auch. Doch irgendwann landet man dann an dem Punkt ...

X

Vielleicht kann ich ja ein Ritter sein. Ich hab mich genug erklärt. Es geht los. Folg mir einfach. Und du wirst sehen. Was du immer sehen wolltest. 

9 Monate später ...

Man könnte das hier als Höhenflug bezeichnen. Als Träumerei abtun oder als realitätsfern belächeln. Weil ich mich nach diesem Traum ganz urplötzlich zurück in meinem deutschen Albtraum, in meinem alten Leben, wenn man es so bezeichnen will, wiederfand, wie ich einen ganzen Sommer lang (der Sommer, der der Sommer meines Lebens werden sollte), eingekauert in meiner alten Wohnung auf der Matratze auf dem Boden lag, allein mit meinem Hund erstickt und erschlagen von den mich umgebenden vier Wänden und voller Angst, einen Fuß in Welt zu setzen ... nun, ein halbes Jahr nach der Ankunft in Deutschland, finde mich endlich wieder. In diesem riesigen Scherbenhaufen, den ich hinterlassen hatte, waren die gelben Briefe und Mahnungen, die ich nicht zahlen konnte, wohl das wenigste. 

Die letzten Jahre habe ich mit einer nie verarbeiteten Trauer zu kämpfen gehabt (wir nennen das heute Depression) und nur allzu gern würde ich von dieser in der Vergangenheit schreiben. Ich konnte dies durch meine Freundin, die immer zu mir gehalten hat und stetem Betäuben meiner Gefühlswelt zwar ganz gut kaschieren, doch mein Nichtfunktionieren wurde zu einem Nichtklarkommen und dieses Nichtklarkommen wurde zu einem Nichtmehrhierseinwollen und dies wurde zu einem Verhalten, welches versuchte, mich zu töten, bis ich mich sah, als jemanden, der nicht verstehen konnte, wieso er verdammt noch mal noch immer auf dieser Erde weilt ... 

So hat es nun ein halbes Jahr gedauert, aus diesem Sog aus Reue und Abscheu vor mir selbst so ganz langsam wieder hervor zu krabbeln. Ich habe endlich das Berauschen und Betäuben hinter mir lassen können. Und musste erkennen, was für ein rießiges Loch dieses Zeug doch in deinem Inneren hinterlassen kann. 

So rießig, dass man es gar nicht wagt, in Worte zu fassen ...

Jeden Morgen erwache ich mit den Stimmen, die mich anschreien und mir sagen, dass sie (oder ich?) nicht mehr leben wollen. Es fällt schwer ihnen nicht zu verfallen. Die Augen zu öffnen, die so lange zugekniffen waren, weil sie die sogenannte Wahrheit oder die Bilder der Vergangenheit nicht sehen konnten und wollten. Ich habe Angst, am Abend einzuschlafen, weil ich mich vor dem Gefühl fürchte, dass mich übermannt, wenn ich wach werde. 

Weil auf ein Hoch wohl immer auch ein Tief folgt, ist die Furcht vor dem Glück mittlerweile größer als die Angst vor dem Leben langen Unglücklich sein ...

Ich will von meinen Träumen erzählen: Ich sehe mich der ganzen Welt von meinen Gefühlen erzählen. Ich sehe mich eins mit Ihnen sein. Ich sehe mich in der einsamen Bucht sitzen und Fische fangen. Und Brot backen ... 

Also ... bist du dabei? 

 "Mein Leben war ein einziges Drama ... doch ich glaube an Karma. Tut mir leid, was ich gesagt hab, ich liebe dich Mama." - ein deutschsprachiger Sprechgesangsartist

Kategorie Kapitel 1 - Die Bucht

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