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K

Krieg

Endlich war die Frau den Mann los. Endlich gehörte das Haus ihr. Ihr ganz allein. Jahrzehnte hatte sie verbissen auf diesen Moment hingelebt, fest entschlossen, als triumphale Siegerin dieses Stellungskrieges vom Schlachtfeld zu gehen.

Jetzt würde es beginnen, das schöne Leben.

Es war keine glückliche Ehe, von Anfang an nicht, und als der Mann dreiunddreißig war, überrollte ihn ein Zug.

Ein übersehenes Warnsignal. Betriebsunfall. Er überlebte die folgenschwere Unachtsamkeit seiner Kollegen bei der Bahn, deren Arbeiten an der Schiene er zu beaufsichtigen hatte. Überlebte irgendwie.

Man rettete ihm die Beine, die nurmehr nutzlos waren, man rettete sein Leben und doch nicht ganz. Ein Jahr lag er im Krankenhaus und wollte nicht kämpfen. Man entließ ihn im Rollstuhl in sein Haus, gab ihn der ungeliebten Frau zurück, die ihn hasste. Deren Gedanken schon seit Jahren darum kreisten, ihn loszuwerden. Wenn nur die Leute dann nicht tratschen würden. Und nun, nun, statt seiner entledigt worden zu sein, ohne die Initiative ergreifen zu müssen, kehrte er zurück. Als Krüppel. Als verbeamteter Krüppel, wenigstens, nicht ganz nutzlos. Das Staatsunternehmen, das die Bahn damals noch war und ihn glücklicherweise gerade noch rechtzeitig in den Status eines gut abgesicherten Staatsdieners gehoben hatte, zahlte pflichtschuldig und großzügig alle Umbauten an Haus, Hof und Auto und eine Pension, durch die die Frau auch weiterhin nicht würde arbeiten gehen müssen oder sonstige Einschränkungen in ihrer gewohnten Lebensführung hinnehmen musste. Außer der gewaltigsten: ihn im Haus zu haben, nun jeden Tag, den ganzen Tag.

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