Zum Hauptinhalt springen

B

Begegnung

An einem sonnigen Septembernachmittag setzte sich die Frau auf eine Bank im Grünstreifen einer stillen Allee. Ihr kleiner Sohn hatte in der benachbarten Schule Geigenunterricht, den er nicht sonderlich mochte und obwohl begabt und mit einer erstaunlich weich klingenden halben Geige vom Geigenbauer ausgestattet, zu Hause selten darauf spielte. Er liebte die Nachmittage mit seiner Mutter trotzdem, dann gehörte sie, mit der Dreiviertelstunde Unterbrechung durch den Musikunterricht, ihm. Nach der Stunde würden sie, wie jede Woche, in das Feinkostgeschäft in der Nähe gehen, er würde sich etwas aussuchen dürfen und das Abendessen bestimmen. Während er seine kleinen Stücke spielte und von dem alten Lehrer gänzlich unzutreffend für seinen Fleiß gelobt wurde, dachte der kleine Junge an den herrlichen Käse in der Vitrine des Geschäfts. Er wusste schon genau, welchen er diesmal auswählen würde und während er spielte und unaufmerksam den Anweisungen des alten Lehrers folge, malte er sich dessen Geschmack aus.

Seine Mutter hatte das Schulgebäude verlassen, in dem sie die ersten Stunden, die er in diesem Haus bekam, noch gelangweilt im Korridor vor dem Klassenraum gewartet hatte. Die schreienden Schüler auf dem Schulhof, die laut plappernde Gruppe der polnischen Mütter, deren Kinder im Raum neben ihrem Sohn Nachmittagsunterricht bekamen, um in der Sprache ihrer Eltern auch schreiben zu lernen, fielen ihr auf die Nerven und sie begann, die Umgebung des Schulgebäudes in dem fremden Stadtteil zu erkunden auf der Suche nach einem ungestörten Platz, um die letzten sonnigen Tage zu genießen, wenigstens für die Dreiviertelstunde, die der Tag ihr eine Pause schenkte.

In dem Grünstreifen lag ein Obdachloser schlafend im Gras. Seine Habseligkeiten in den üblichen karierten Plastiktaschen, die aus irgendeinem Grund Koffer genannt wurden und doch nur aus reißfestem Plastikgewebe mit Reißverschluss bestanden, und die Supermarkttüten mit dem Flaschenpfand neben sich.

Die Frau setzte sich auf eine Bank, schloss die Augen, neigte den Kopf in den Nacken, um ihr Gesicht ganz der Sonne zuzuwenden.

Plötzlich spürte sie eine Bewegung neben sich.

In meinem Club wird ein »Alphabet der Geschehnisse« durchgetanzt. Werden Sie Mitglied, sichern Sie sich einen Stammplatz!

Dankeschön! (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie Alphabet

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Raquel Erdtmann und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden