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Lützeraths Geschenk - 16.01.2023

Zwei, drei Mal wollte ich aus Lützerath schreiben und kam dann nicht ein Mal dazu.

Am Sonntag vor einer Woche eines der Häuser besetzt, zu fünft im Zimmer mit anderen Klimaschützer:innen Ohr an Ohr geschlafen. Bald 1500 Polizist:innen gegenüber gestanden, ihren Räumpanzern und ihren Bulldozern, die Räumung Lützeraths verzögert so gut es ging, später draußen auf der Straße gestanden, geweint, weil es so schnell und so brutal vor sich ging.

Daraufhin die RWE-Konzernzentrale blockiert, um klarzumachen, wer hinter der ganzen Scheiße steckt, und dann Samstag die Großdemo, der schönste Akt von Rache (Öffnet in neuem Fenster), an dem ich je teilgenommen hatte: Die Grünen sind der Klimabewegung in Lützerath in den Rücken gefallen. Vertrauen wurde gebrochen, und damit die wichtigste Vorbedingung für unser gesellschaftliches Zusammenleben verletzt.

Und all jene, die sich verraten fühlten, die wollten, dass die Kohle im Boden bleibt, sie kamen. Einen Schreiner habe ich gesprochen, eine Beamtin, mehrere Studentinnen - zehntausende liefen durch den Regen, durch die verschlammten Felder, durchbrachen Polizeiketten, um am Dorfrand Lützeraths schließlich klarzumachen: Wir wollen Klimagerechtigkeit, keine Ausreden. Die Emissionen müssen runter. Nicht irgendwann. Sondern jetzt. Ihr werdet die Rechnung nicht mehr ohne uns machen, sondern wir machen die Zukunft jetzt.

Und schaut man sich die Reaktionen der Habecks und Neubaurs gerade an, dann merkt man: Die haben das kapiert. Sie wissen jetzt, dass man sowas nicht mehr macht oder sonst den politischen Preis dafür zahlt.

Ich bin komplett durch und hatte noch keinen wirklichen Moment, um über all das in Ruhe nachzudenken. Aber eins habe ich in dieser Woche gelernt, und zwar, dass es möglich ist, etwas zu tun.

Klar:

Nur weil man Klimagerechtigkeit will, heißt das nicht, dass man sie auch bekommt.

Nur weil man für eine bessere Zukunft einsteht, heißt das nicht, dass sie auch Wirklichkeit wird.

Aber man kann für all das kämpfen, und dadurch wird das scheinbar Unmögliche plötzlich zur Möglichkeit – und das werde ich nicht vergessen, niemand, der in den vergangenen Tagen dabei war, wird das wieder vergessen.

Und das ist das Geschenk, das wir uns in Lützerath gemeinsam und gegenseitig gemacht haben. Ein Geschenk, das bleiben wird. Ein Geschenk, das wir erneuern können – jederzeit.

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