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Wir saßen bei uns im Garten am Feuer und redeten darüber, was uns in den vergangenen Wochen bewegt hat. Eine Mitbewohnerin sagte, dass sie und ihr Partner über ihre Pläne für die kommenden drei Jahre gesprochen hätten, und sie sagte: Sie hätte sich gar keine schöne Zeit ausmalen können – zu dunkel scheine ihr alles, und darüber hätte sie dann auch mit ihrem Therapeuten gesprochen.

Ich wünschte, sie müsste darüber nicht mit ihren Therapeuten sprechen. Ich wünschte, niemand müsste darüber mit einem Therapeuten sprechen. Ich wünschte, wir alle würden gemeinsam darüber sprechen – und dann etwas tun. Und das ist unser Plan für die zweite Jahreshälfte mit dem Projekt Menschlichkeit.  

Ich schäme mich oft für diese Gedanken, aber ich glaube, wir haben sie alle irgendwann einmal angesichts der Klimakatastrophe: Sollte ich Wasser und Reis im Keller lagern? Muss ich mich bewaffnen? Ist es eine gute Idee, nach Schweden auszuwandern?

Prepping ist das Wort, das wir alle kennen, und das keinen guten Ruf hat. Und trotzdem sind diese Gedanken da, entspringen diesem Gefühl der Unsicherheit, das – meiner Meinung nach – die EU-Wahlen entschieden hat. AfD und BSW versprechen den Menschen, dass alles gut ist oder gut wird. Krieg, Klima, Armut – bei all diesen Themen geht es um das eigene Sicherheitsgefühl. Fair enough, ich kenne das ja auch.

Doch was die Rechten da anbieten ist keine Sicherheit, sondern Survival of the Fittest – und dabei gehen wir alle drauf. Wahre Sicherheit finden wir nur in der Solidarität, also: Wie können wir krisenfeste Nachbarschaften organisieren?

Wir haben einen Plan: Es braucht gar nicht viel, das haben unsere Erfahrungen mit unseren Lokalen Versammlungen gezeigt.

In Nürnberg erzählte mir eine Teilnehmerin, dass sie am Tag nach der Versammlung am Gartenzaun ihren Nachbarn wiedergetroffen hätte, und er sagte: Ist ja gut, sich jetzt zu kennen, für den Fall, dass mal ein Blackout kommt, oder eine sonstige Katastrophe.

Ein Thema, das bei einer Lokalen Versammlung in Berlin von ganz allein aufkam, war: Wie können wir uns gegenseitig unterstützen?

Wir wollen uns genau darauf konzentrieren, Treffen organisieren, in denen Menschen sich kennenlernen, darüber austauschen, wovor sie Angst haben, und was sie gemeinsam tun wollen, denn Studien zeigen: Jene Menschen kommen am besten durch akute Katastrophen, die mit ihren Nachbar:innen in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe sind.

Eine andere Mitbewohnerin an dem Feuer bei uns im Garten sagte: Sie wolle wissen, wer in der Nachbarschaft welche Fähigkeiten hat, aber auch: Wer ist eigentlich ein Nazi? Das kann entscheidendes Wissen sein, wenn der Faschismus kommt – wer verfolgt, was gerade in Sonneberg passiert, weiß, wie schnell das gehen kann.

Spannend ist: Wenn ich gerade im Umkreis von der Idee erzähle, atmen die meisten tief aus, als würde der Gedanke an solche Nachbarschaftsnetze schon irgendwas in ihnen entspannen.

Aber bei manchen kommt auch die Reaktion: „Das klingt irgendwie rechts, irgendwie nach Bürgerwehren.“ Das ist ein Problem. Wenn man von Sicherheit spricht, und damit rechts klingt, dann haben die Rechten schon gewonnen. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, das müssen wir selbst organisieren, und es gibt eine Leitfrage, die hilft, zu verhindern, dass es zu einem Ego-Trip wird: Wer sind die hilfsbedürftigsten in unserer Nachbarschaft und was brauchen die? Das können alte Menschen sein, alleinerziehende Eltern und Geflüchtete. Denn wenn sie abgesichert sind, sind es auch alle anderen, die weniger brauchen.

Bleibt natürlich die Frage nach den Grenzen der Anpassung. An eine drei Grad-Welt können wir uns nicht anpassen. Wir werden immer für politische Veränderungen, für Gerechtigkeit kämpfen müssen. Deshalb treffen wir uns jetzt im Oktober schon mal für eine Bundesversammlung und dann im März wieder – wir erarbeiten ein Manifest und konkrete Forderungen an die Politik, für die wir dann auch kämpfen. Denn krisenfeste Nachbarschaft heißt auch: für politische Veränderungen sorgen.

Gerade organisiere ich eine Lokale Versammlung in einem Kiez, in dem ich gar nicht wohne, und ich freue mich darauf, dann ab Herbst meine eigene Nachbarschaft krisenfest zu machen.

Schon die Erfahrung, mit wildfremden Menschen in einem anderen Teil der Stadt zusammenzuarbeiten, ist unglaublich schön. Die Vorstellung, bald mit meinen Nachbar:innen zusammenzusitzen, sie besser kennenzulernen und dann daran zu arbeiten, dass es uns allen besser geht, macht mein Herz ganz warm, denn was macht ein Zuhause aus?

Die gesammelten Erinnerungen und die Menschen, die man um sich hat.

Was mich auch riesig freut: Ein wohlhabender Gönner hat uns ein Angebot gemacht: Er will die ersten 10.000 Euro, die bei unserem Crowdfunding eingehen, verdoppeln.

Das heißt, wir können sehr bald 20.000 Euro eingesammelt haben, die wir dringend brauchen: Um Plakate für die Treffen zu drucken, Essen einzukaufen und die Raummieten zu bezahlen. Ein Teil der Kosten für die Bundesversammlung wäre damit auch gedeckt, aus den vielen kleinen Versammlungen und Treffen würde damit eine Bewegung, die für Veränderung sorgt.

Du hast Bock, diese Art von Arbeit zu unterstützen?

Mach mit bei unserem Crowdfunding, und jeder deiner Euros wird verdoppelt:

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