Die schwierige Entscheidung für die Abstinenz (oder radikale Konsumveränderung)
Dies ist ein Artikel des Psychoaktiven Magazins - denn nicht alle Gedanken passen in eine Podcast-Folge. Das Psychoaktive Magazin für alle Steady-Mitglieder beschäftigt sich mit Fallanalysen, philosophischen Ideen und Bewertungen von aktuellen Geschehen. Natürlich immer in Bezug auf Drogen und Sucht. Alle Artikel findest du im Archiv!
Theo sitzt mir gegenüber. „Ich höre jetzt auf! Ich habe keine Lust mehr weiterzukonsumieren. Ich bin so fertig. Jetzt meine ich es wirklich ernst.“ Wir erkunden diese Gedanken in der Beratungsstunde, überlegen die nächsten Schritte. Theo verlässt das Beratungszimmer entschlossen – nur um einen Tag später seine Vorsätze doch wieder zu verwerfen.
(Alle Fallbeispiele/Namen sind fiktiv und nur aus der Praxis inspiriert.)
Solche Situationen sind im Umgang mit Betroffenen häufig. Es scheint endlich „klick“ gemacht zu haben, der Wunsch nach Veränderung ist formuliert – und doch bleibt die Umsetzung aus.
Das kann frustrierend sein - für Angehörige, für begleitendes Fachpersonal, doch am meisten für die Betroffenen selbst. Es scheint so einfach zu sein, man muss doch nur anfangen aufzuhören.
Doch die Entscheidung, sich aus dem Suchtkreislauf zu befreien und den Konsum radikal zu verändern, ist komplexer, als es von außen erscheinen mag. Dabei rede ich nicht von den neurobiologischen Hemmnissen, die das Aufrechterhalten der Abstinenz vor allem im ersten Jahr sehr erschwert, sondern von der Entscheidung selbst. In diesem Artikel möchte ich deswegen gerne mit euch die DNA dieser Entscheidung analysieren: Warum fällt sie so schwer? Und welche Konsequenzen bringt sie mit sich?

Was bedeutet es überhaupt, sich zu entscheiden?
Die Erkenntnis allein führt nicht automatisch zu einer Entscheidung. Theo hat verstanden, dass sein Konsum ihm schadet. So geht es viele Betroffenen, meist lange bevor sie den ersten ernstgemeinten Schritt aus der Sucht wagen. Sie wissen, dass der Konsum ihre Problemlage verschlimmert. Doch eine Entscheidung bedeutet mehr als diese Erkenntnis: Sie erfordert, sich auf einen Handlungsverlauf einzulassen.
Viele Menschen stehen vor Entscheidungen wie vor einem Felsspalt, über den sie theoretisch drüberspringen könnten, aber die Tiefe des Abgrunds sie dann doch verunsichert. Sie nehmen Anlauf, zögern aber im letzten Moment und bleiben lieber auf der sicheren Seite.
Die Entscheidung ist die Brücke zwischen Wünschen und Handlung!
In meiner aktuellen Lieblingslektüre “Existenzielle Psychotherapie”, auf der meine Gedanken für diesen Artikel beruht, werden fünf unterschiedliche Typen von Entscheidungen beschrieben.
Vernünftige Entscheidung. Wir wägen Für und Wider ab und entscheiden uns für die Lösung, die uns am besten erscheint. Es ist eine freie Entscheidung.
Willentliche Entscheidung. Mühsam und mit einem Gefühl innerer Anstrengung baut sich ein Willen Stück für Stück auf. Selten! Die Meisten
Ziellose Entscheidung. Wir entscheiden zufällig, von außen bestimmt, ohne selbst eine Richtung vorzugeben.
Impulsive Entscheidung. Wir wissen nicht, wie wir entscheiden sollen, und tun dies dann impulsiv. Jedoch von innen heraus.
Entscheidung auf der Grundlage eines Perspektivwechsels. Eine Entscheidung, die aufgrund einer wichtigen Erfahrung oder inneren Wandels geschieht. (Darüber haben wir schon im Artikel zum Tod und der Sucht (Öffnet in neuem Fenster) gesprochen.)
Die Entscheidung, einen Konsum radikal zu verändern, basiert meist entweder auf einem Perspektivwechsel (z.B. Erfahrung einer festen Bindung, Tod eines Freundes durch Drogenkonsum, Elternschaft etc.) oder auf einer willentlichen Entscheidung – häufig auch einer Kombination aus beiden.
Besonders das Bild der willentlichen Entscheidung – eines sich aufbäumenden, kämpfenden Willens – ist für viele Betroffene sowie Fachkräfte in der Begleitung dieses Prozesses sicher gut nachvollziehbar. Denn sie entspricht dem Anlauf vor dem Sprung, der vielleicht häufiger gemacht werden muss, bis man letzendlich für den Sprung bereit ist.
Warum fällt die Entscheidung so schwer?
Bestimme die nächste Substanzkundefolge, höre Psychoaktiv werbefrei und erhalte Zugriff auf Bonusfolgen & -artikel!
Jetzt Mitglied werden <3 (Öffnet in neuem Fenster)
Bereits Mitglied? Anmelden (Öffnet in neuem Fenster)