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Deutsche und Schweizer Medaillenhoffnungen bei der EM

Mit der EM in Tallinn steht das erste Eislauf-Topereignis im noch jungen Jahr 2025 bevor. Wir werfen einen Blick auf das, was uns erwartet. Deutschland und die Schweiz können sich berechtigte Hoffnungen auf Medaillen machen.

Hase/Volodin in der Favoritenrolle

An erster Stelle stehen hier natürlich die Paarläufer Minerva Hase/Nikita Volodin, die im Dezember erfolgreich ihren Titel im Grand Prix Finale verteidigt hatten. Dort schlugen sie ihre voraussichtlich stärksten Konkurrenten um Gold in Tallinn: Die Georgier Anastasia Metelkina/Luka Berulava und die Italiener Sara Conti/Niccolo Macii, die im Finale Dritte bzw. Vierte waren. Aber vor einem Jahr reisten Hase/Volodin ebenfalls als Favoriten zur EM und mussten sich nach einer missglückten Kür mit Platz fünf bescheiden. Conti/Macii übrigens besiegten das Berliner Paar beim Cup of China.

Hase/Volodin, die sich in Berlin mit Haupttrainer Dmitri Savin vorbereiten, sind jedoch guten Mutes. „Unser Vorbereitung auf die Europameisterschaft läuft insgesamt produktiv, alles wie immer streng nach Plan“, sagte Volodin der Pirouette. „Jetzt gerade haben wir ein kleines Camp in Berlin unter der Leitung von Dmitri Savin, der unseren Trainingsprozess voll und ganz kontrolliert.“ Wegen der Feiertage, Shows und ein paar freien Tagen hatten die WM-Dritten nicht sehr viel Trainingszeit seit der Deutschen Meisterschaft, um grundlegende Veränderungen vorzunehmen, wie Volodin anmerkt. „Aber wir arbeiten wie seit Beginn der Saison am Spagat im Twist, an der vorwärts-auswärts Todesspirale und an der Präsentation der Programme“, erläuterte er. „Natürlich laufen wir die Programme durch, schließlich steht einer der wichtigsten Wettbewerbe der Saison bevor. Wir sind in bester, kämpferischer Stimmung. In erster Linie wollen wir zeigen, wie wir laufen können, das höchste Niveau bei den Levels, Emotionen, der Hingabe an das Programm zeigen. Wir wissen, dass wir das gut können und die Ehre unseres Landes würdig verteidigen können. Wir freuen uns auf das Maximum an positiven Emotionen, auf saubere Programme und eine volle Halle. Wir sehen uns bei der EM!“

Metelkina/Berulava und Conti/Macii sind hochklassige Konkurrenten, die ganz vorne mithalten können, aber bei sauberen Leistungen dürften Hase/Volodin die Nase vorn haben, dank des „gewissen Etwas“, das sie von anderen abhebt. Denn es kommt nicht nur auf die Elemente an, sondern auch auf die Programme und die Ausstrahlung.

Zum Favoritenkreis gehören außerdem Annika Hocke/Robert Kunkel, die im Herbst von einer Fußverletzung Annikas ausgebremst wurden und bei der DM in Oberstdorf fehlten. Inzwischen hat sie sich gut erholt und das Duo hat zum Jahresanfang das Training in Bergamo voll aufgenommen. Im Interview mit dem RBB sagten die WM-Fünften, dass sie einige Dinge in ihren Programmen umgestellt hätten und sich darauf freuen, diese verbesserten Versionen zu zeigen.

Die Italiener Rebecca Ghilardi/Filippo Ambrosini haben zwar schon Silber und Bronze bei der EM gewonnen und sind insbesondere bei den Paarlauf-Elementen stark, aber ihrer Sprungschwäche ist ein großes Hindernis. Bei Maria Pavlova/Alexei Sviatchenko aus Ungarn ist es genau umgekehrt – normalerweise sind sie technisch sehr gut, bekommen aber niedrige Komponenten, obwohl sie sichtbar daran arbeiten.

Die Schweiz ist das erste Mal seit langem wieder mit einem Paar vertreten, und zwar mit Oxana Vouillamoz, die mit dem Franzosen Tom Bouvart gerade Zweite bei den Bavarian Open im Junioren-Wettbewerb wurde. Österreich schickt Sophia Schaller/Livio Mayr ins Rennen. Sie sind Ersatz für die ursprünglich nominierten Gabriella Izzo/Luc Maierhofer.

Die Titelverteidiger Lucrezia Beccari/Matteo Guarise (aus Italien) müssen wie bereits beim Grand Prix passen, da Beccari unter einem Ermüdungsbruch im Fuß litt und operiert werden musste.

Adam Siao Him Fa hofft auf Hat-Trick

Adam Siao Him Fa kämpfte die ganze erste Saisonhälfte mit einer Knöchelverletzung und konnte nicht zum Grand Prix Finale kommen, nachdem er sich beim Cup of China erneut verletzte. Doch er trainiert wieder und gilt als einer der Top-Favoriten auf Gold. Für den Franzosen wäre es der dritte Titel in Folge. Er postete auf Instagram Bilder, wie er auf einer im Grand Palais angelegten Eisbahn in Paris lief und gab sich optimistisch: „Die Wettkampf-Energie baut sich wieder auf und mein Training läuft gut. Ich kann es nicht erwarten.“

Doch die Konkurrenz schläft nicht. An erster Stelle ist hier Adams Landsmann Kevin Aymoz zu nennen, der in dieser Saison stabile Leistungen zeigt, nur im Finale in seiner heimatlichen Halle in Grenoble ging einiges daneben. Eine EM-Medaille fehlt dem künstlerischen Aymoz noch, vielleicht klappt es endlich in Tallinn. Ein paarmal war er nah dran, aber vor einem Jahr als 31. Im KP ganz weit weg. Der Südtiroler Daniel Grassl, der wegen verpasster Anti-Doping-Tests eine Saison gesperrt war, hat sich stark zurückgemeldet und konsistente Leistungen gezeigt. Sein Trumpf sind Vierfachsprünge, die aber nicht immer einwandfrei sind. Lukas Britschgi hatte wie Siao Him Fa verletzungsbedingt einen durchwachsenen Saisonstart, aber bei der Schweizer Meisterschaft beeindruckte er mit Weltklasse-Leistungen und kann ein Wörtchen mitreden, wenn es um die Medaillen geht.

Bei den Herren ist das Feld sehr dicht besetzt. Der Este Aleksandr Selevko, Zweiter in Vorjahr, konnte bisher nicht so sehr überzeugen, aber vielleicht läuft er vor heimischen Publikum wieder zu großer Form auf. Dazu kommen Deniss Vasiljevs aus Lettland, der nach seiner Hüft-OP wieder erstarkende Italiener Matteo Rizzo, der eine neue Kür einstudiert hat, Nika Egadze aus Georgien und Selevkos Bruder Mihhail.

Der frisch eingebürgerte Deutsche Meister Nikita Starostin, der Österreichische Staatsmeister Maurizio Zandron und der Schweizer Noah Bodenstein wollen ihre beste Leistung zeigen und ihre bisherigen Resultate verbessern.

Offenes Rennen bei den Damen

Das Medaillenrennen bei den Damen ist wohl das, was sich am wenigsten vorhersagen lässt. Titelverteidigerin Loena Hendrickx kommt wegen einer Knöchelverletzung nicht, aber da sie die ganze Saison noch nicht gestartet ist, wäre ohnehin unklar gewesen, in welcher Form sie ist. Wer also kommt aufs Podium? Holt Anastasia Gubanova, Zweite vor einem Jahr und Europameisterin 2023, sich den Titel zurück? Im Grand Prix verpatzte sie jeweils das KP und lag weit hinten, aber bei den Challenger Wettbewerb lief es gut für sie.

Die Schweizerin Kimmy Repond hingegen präsentierte sich sehr gut im Grand Prix und verpasste eine Medaille nur knapp. Sie hat witzigerweise exakt dieselbe Saisonbestleistung wie Gubanova – 195,91 Zähler. Die Season-Best-Liste der Europäerinnen führt mit 198,49 Punkten übrigens Lara Naki Gutmann an, die als einzige Europäerin im Herbst eine Grand Prix Medaille gewinnen konnte. Die Italienerin war nach einer Krankheit nicht in Topform bei den World University Games in ihrem Heimatland und wurde Fünfte. Aber nun hatte sie etwas mehr Zeit um fit zu werden. Nicht vergessen sollten wir Nina Pinzarrone, die vor einem Jahr Bronze bei der EM gewann und solide Leistungen im Grand Prix zeigte.

Anastasia Gubanova fühlt sich gut vorbereitet: „Meine Vorbereitung läuft nach Plan, alles ist gut“, sagte sie. „Wir arbeiten viel an der Funktionalität, laufen Programme durch und wir haben angefangen, mit einem Fallschirm (auf dem Eis) zu arbeiten“, verriet die Georgierin. „Bei der EM möchte ich zeigen, woran ich gearbeitet habe und das Eislaufen genießen.“

Für eine Überraschung gut sein könnten Lokalmatadorin Niina Petrökina und die neue Italienische Meisterin Anna Pezzetta. Die Schweizerin Livia Kaiser zog nach einer Verletzung kurzfristig zurück. Es gibt keinen Ersatz. Ekaterina Kurakova aus Polen ist eine „Wundertüte“ – man weiß nie, was man bekommt. Aber ähnlich wie Aymoz war schon nah an Medaillen dran und genauso wie er ist sie im Vorjahr im KP ausgeschieden.

Kristina Isaev vertritt Deutschland und will sich im Vergleich zum Saisonbeginn steigern. Für Österreich gehen Stefanie Pesendorfer und Flora Marie Schaller, die Schwester der Paarläuferin Sophia Schaller, an den Start. Staatsmeisterin Olga Mikutina fällt aus gesundheitlichen Gründen aus.

Charlène Guignard/Marco Fabbri zum Dritten?

Im Eistanz zeichnet sich wie in den vergangenen zwei Jahren ein Duell zwischen den Titelverteidigern Charlène Guignard/Marco Fabbri und ihren zweimaligen „Vizes“ Lilah Fear/Lewis Gibson ab. Bei ihrem bisher einzigen direkten Aufeinandertreffen im Grand Prix Finale hatten die Italiener die Nase vorn. Aber die EM ist ein neuer Wettbewerb und ein Fehler kann den Unterschied machen, wie wir im Grand Prix insbesondere im Eistanz gesehen haben. Guignard/Fabbri kommen mit einer Saisonbestleistung von 215,63 Punkten nach Tallinn, Fear/Gibson haben 210,65.

Die Italiener haben sich von ihrem Aussetzer beim Grand Prix de France erholt und neues Selbstvertrauen getankt.

„Zum ersten Mal in dieser Saison fühlen wir uns wirklich gut vorbereitet, bereit für den Wettkampf, und wissen, was wir in den Programmen im Wettkampf leisten können“, sagte Fabbri. „Wir haben einige Änderungen und Anpassungen vorgenommen, aber wir haben uns vor allem darauf konzentriert, präziser, mehr zusammen zu sein. Wir haben versucht, alles zu verfeinern, sowohl was die Choreographie als auch die Technik angeht.“

„Ehrlich gesagt, sind wir bis jetzt ziemlich entspannt“, fuhr Fabbri fort. “Wir haben gut gearbeitet, wir fühlen uns bereit und irgendwie hilft uns die Erfahrung von der Europameisterschaft im letzten Jahr sehr, entspannter in den Wettkampf zu gehen und den Druck nicht so sehr zu spüren. Wir wissen schon, was es bedeutet, einen Titel zu verteidigen und wir wissen, was wir zu tun haben.“ Fabbri erinnerte sich daran, wie stressig die EM 2023 für sie gewesen sei, als der Druck, Gold zu gewinnen sehr groß war.

Fear/Gibson wollen sich natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und träumen davon, den ersten EM-Titel für Großbritannien seit den legendären Jayne Torvill/Christopher Dean 1994 zu holen.

Spannend wird der Kampf um Bronze, denn hier sind gleich mehrere Duos im Rennen, die punktetechnisch alle nah beieinander sind. Einen leichten Vorsprung dürften Evgenia Lopareva/Geoffrey Brissaud aus Frankreich haben, die sich erstmals fürs Grand Prix Finale qualifizierten und sehr überzeugende Programme haben. Vor einem Jahr gewannen Allison Reed/Saulius Ambrulevicius getragen von einem enthusiastischen Heimpublikum in Litauen Bronze, davor gelang dies ebenso zu Hause Juulia Turkkila/Matthias Versluis aus Finnland. Aus Estland ist diesmal kein Tanzpaar dabei, also kann niemand den Heimvorteil nutzen.

Eine Medaille gewinnen oder wenigstens so nah wie möglich ans Podium herantanzen wollen Natalie Taschlerova/Filip Taschler aus Tschechien, Olivia Smart und der Dortmunder Tim Dieck für Spanien, die Wahl-Georginer Diana Davis/Gleb Smolkin und Loicia Demougeot/Theo Le Mercier aus Frankreich.

Die Deutschen Eistanz-Meister Jennifer Janse van Rensburg/Benjamin Steffan haben sich klar das Ziel gesetzt, wieder in die Top Ten zurückzukehren und so zwei Startplätze für nächstes Jahr zu sichern. Nach einem holprigen Saisonstart sind die Oberstdorfer nun im Aufwind und könnten es schaffen, wenn alles optimal läuft. Für die Schweizer EM-Debütanten Gina Zehnder/Beda Leon Sieber, die parallel auch bei den Junioren starten, geht es darum, das Finale zu erreichen.

Insgesamt sind 162 Läufer/innen und Paare aus 34 Ländern für diese 116. EM gemeldet: 34 Herren, 32 Damen, 18 Paare und 30 Eistanzduos. Tallinn empfängt die EM zum dritten Mal nach 2010 und 2022 und ist für Zagreb (Kroatien) eingesprungen, das die Meisterschaft im Sommer zurückgegeben hatte.

Zeitplan

Der EM Zeitplan ist wie folgt:

Mittwoch, 29. Januar: Paare und Damen Kurzprogramm
Donnerstag, 30. Januar: Herren Kurzprogramm, Paare Kür
Freitag, 31. Januar: Eistanz Rhythmustanz, Damen Kür
Samstag, 1. Februar: Eistanz und Herren Kür
Sonntag, 2. Februar: Schaulaufen

In Deutschland berichtet die ARD auf One z.T. live und digital in der Sportschau (Öffnet in neuem Fenster) und ARD Mediathek

 Alle Infos gibt es auf der Offiziellen Webseite (Öffnet in neuem Fenster) und der ISU Event Seite (Öffnet in neuem Fenster).

Text & Photos: Tatjana Flade

 

Kategorie Artikel

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