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Leseprobe ! Nomads 13 - Zu neuen Ufern

  • Kapitel 14

Dominics Schädel brummte. Er schlug die Augen auf und suchte vergeblich nach Orientierungspunkten. Er befand sich im Inneren einer Akkatokonstruktion. So viel war sicher. Ein enger Raum, beherrscht von fließenden, organischen Formen, wie poliertes Holz, mit unzähligen integrierten Technikelementen. Eine Rettungskapsel, wie Dominic an der Reihe von Sitzen entlang der Wände erkannte. Seltsamerweise saß niemand darin. Er lag auf dem Boden und jede Bewegung fiel ihm schwer. Es fühlte sich an, als verlöre eine Lähmung, verursacht durch ein Betäubungsmittel gerade an Wirkung.

Nur langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Er sah Mendez Gesicht und den unergründlichen Ausdruck, der darauf lag. Dominic erinnerte sich daran, dass er für einen Augenblick Todesangst hatte. Er glaubte fest daran, gerade von dem verrückten Kerl ermordet worden zu sein. Aber er war am Leben und so, wie es aussah, war der Rest der Besatzung auch nicht tot. Ein Akkato bewegte sich neben ihm und brummte verärgert. Er rappelte sich mühevoll auf und stürzte gleich darauf auf Dominic, als sich die Rettungskapsel bewegte.

„Was ist los!“, keuchte Dominic und schob den Akkato von sich weg. „Wo sind wir?“

„Wir schweben in eine Höhle hinein“, antwortete der Pferdekopf und blickte aus einer der schmalen Sichtluken.

Dominic bemerkte, wie das kleine Fahrzeug schwankte und vermisste das gewohnte Brummen der Antriebsaggregate. Die Triebwerke schwiegen und auch die Anzeigen an den Konsolen, leuchteten nicht.

„Wir haben keine Energie?“, bemerkte Dominic.

„Nein“, antwortete der Akkato mürrisch. „Haben wir nicht. Es ist das Oponischiff. Es zieht uns hienein.“

Domnics Freude kannte keine Grenzen. Eben noch verzweifelt und dem Tode geweiht, schienen sich nun alle Hoffnungen zu erfüllen. Nun standen ihnen alle Wege offen.

Draussen wurde es dunkel und die Kapsel setze auf. Dominic sah Pako, Piet, Davis und Skorsky, die vor dem kleinen Raumfahrzeug standen.

Der Akkato öffnete eine Klappe am Türrahmen und griff hinein, um einen Hebel zu betätigen. Das Bugschott bewegte sich kaum merklich. Der Pferdekopf keuchte vor Anstrengung. Es dauerte eine Ewigkeit bis die Einstegsluke offenstand. Dominic sah sich um. War ihm das Innere des Schiffes zuvor düster und dunkel vorgekommen, so schien das von feinen Gravuren geäderte Metall nun zu leuchten. In den Linien, die sich in komlexen Mustern über Wände, Böden, Streben und Decken  zogen, pulsierte weisses Licht. Es war, als schlüge irgendwo im Inneren des Schiffes ein großes Herz, das reinste Energie durch dessen Adern pumpte.

Davis grinste breit. „Wer hätte gedacht, dass diese Aktion Erfolg haben könnte.“

Dominic musste den Reflex unterdrücken, zu sagen, er hätte das immer gewusst. Aber das wäre nur dummes Geschwätz gewesen. Mehr als einmal befielen ihn Zweifel. Und wenn er ganz ehrlich war, rechntete er zu keiner Zeit mit einer Chance auf Erfolg. Es war die pure Verzweiflung gewesen, die ihn vorwärtstrieb.

„Wo ist Ellena?“, wollte Dominic wissen.

„Im Cockpit“, informierte Pako, der ein wenig besorgt wirkte. „Wir haben Sie seit Stunden nicht gesehen und wir kommen auch nicht zu ihr rein. Wir können nicht mit ihr sprechen und wissen nicht, wie es ihr geht.“

„Zumidest hat sie uns an Bord geholt“, sagte Dominic. „Das ist doch schon was.“

„Schwer zu sagen ob sie das war. Und du merkst ja, dass wir uns nicht von der Stelle rühren.“

Davis winkte ab. „Geben wir dem Mädchen Zeit. Wir sollten nichts überstürzen oder erzwingen.“

Dominic war anderer Meinung. „Wir haben genug Zeit verloren.“

Er eilte duch das Schiff und stand bald vor dem verschlossenen Schott, das ins Cockpit führte. Vergeblich suchte Dominic nach einem Schalter mit dem man die Türe öffnen konnte. Schließlich hämmerte er mit den Fäusten dagegen. Das Schott war massiv wie ein Felsen. Er wusste sofort, dass Sandra ihn nicht hören würde, so sehr er sich auch bemühte. Dominic Hoffnung, die zuvor so sehr mit Freude erfüllt hatte, begann zu schwinden. Es konnte nicht wahr sein, dass Sandra sich in der Symbiose mit dem Oponischiff verlor und das Interesse an den Menschen und ihrer Sache verlor.

Erschöpft lehnte er an der Türe und begann in trüben Gedanken zu versinken. Während er gegen die aufkommende Verzweiflung ankämpfte und eine Lösung zu finden versuchte, spürte er, wie das Metall unter seinen Handflächen warm wurde. Dominc nahm ein Kribbeln auf der Haut wahr, wie kleine elektrische Entladungen. Es war ihm nicht möglich, seine Hände von dem Metall zu lösen, die offebar eine Verbindung damit eingegangen waren. Panik keimte in Dominic auf. Er kam nicht mehr dazu, zu schreien. Als ihn die Angst überkam, verschwamm die Welt um ihn herum, zu hellen Flächen und Linien.

„Sehr gut“, hörte er eine weibliche Stimme sagen. „Ich mag starke Impulse.“

„Meine Impulse sind meine Sache!“, gab Dominic voller Angst und Zorn zurück. „Was passiert gerade?“

„Du hast das schon mal erlebt“, erklärte die Stimme. „Dieser Moment hat dein Bewustsein erweitert. Wehre dich nicht. Lass es geschehen. Ellenas Geist hat ebenfalls diese Steigerung erfahren.“

„Aber sie ist stärker als ich.“

„Stärke! Dass es immer um Stärke gehen muss. Nein. Sie ist nicht stärker. Sie geht nur besser damit um. Sie genießt es.“

„Du bist Sira.“

„Ja. Ich bin Sira.“

Die wirbelnden, leuchtenden Flächen verfestigte sich zu konkreten Formen. Dominic sah eine junge Frau, die in einem Sessel platzgenommen hatte, der zu einer monströsen Appartur gehörte, in der sich Siras Gestalt beinahe völlig verlor. Goldene Schläuche, Kabel, Rohre beherrschen das Design. Wäre da nicht das leuchten der Lichtadern gewesen, die auch hier das Metall durchzogen, wie ein feines Muster, hätte der Anblick etwas Erdrückendes, Bedrohliches gehabt. Das Gegenteil aber war der Fall. Die Szene besaß Erhabenheit und Kraft. Sie strahlte Energie und Stärke aus. Dominic meinte das Pochen eines riesigen Herzens zu hören, das die Maschine betrieb, oder sie erzeugte. Er vernahm das langsame Atmen einer gigantischen Lunge. Leben durchflutete das ganze Schiff.

„Wo ist Ellena?“, verlangte Domnic zu erfahren.

„Sie lernt.“

„Wir haben keine Zeit!“ Dominic konnte und wollte seinen Ärger nicht verbergen. „Ich kann auf diese Show verzichten.“

„Es ist nicht ganz so einfach, wie bei euren Schiffen, junger Mensch. Bei Euch setzt man sich vor das Steuer und beinflusst die Maschine mit mechanischen Bewegungen, die in elekrtische Signale verwandelt werden. Drückt hier und da einen Knopf oder betätigt einen Hebel. Wenn die Arbeit getan ist, steigt der Pilot wieder aus und geht nachhause. Hier ist das anders. Ellena wird ein Teil von mir werden. Und ich ein Teil von ihr. Was ich weiß, wird auch sie wissen. Aber das braucht seine Zeit. Andernfalls wird ihr Bewusstsein Schaden nehmen.“

Dominic sah sich um. Es gab Fenster zu beiden Seiten des Raumes. Schmal und hoch, wie die Fenster einer mittelalerlichen Kathedrale. Er sah rostrote Dunstschleier vorüberziehen, durch die das Licht entfernter Sterne schwach hindurchdrang.

Dominic drehte sich um und blickte aus einer kreisrunden Öffnung hinaus ins All. Der Anblick bedeutete eine weitere Steigerung an Wunderdingen. Er sah Proto-Planeten innerhalb einer roten Gas und Staubwolke. Ein Sternensystem, in der Entstehung. Im Zentrum strahlte eine junge Sonne, deren Licht rötlich durch den stellaren Nebel leuchtete. Direkt hinein in den Raum, in dem Sira thronte.

Dominic wendete sich zu ihr um. Sira hatte sich von ihrem Sitz erhoben und stand nun eine Armlänge von Ihm entfernt. Er erschrak, denn sie war deutlich größer als er und trug eine art Krone, mit langen, goldenen Strahlen. Sira hatte eine schimmernde Rüstung an und einen glänzenden silbernen Umhang, der bis zum Boden reicht. Ihr Gesicht war von ausserordentlicher Schönheit. Unter der Krone flossen lange weissblonde Haare auf ihre Schultern herab. Große, grüne Augen sahen voll gütigigem Mitleid auf den menschlichen Besucher herab.

„Ist das ein realer Raum?“, fragte Dominic schüchtern.

„Realität ist ein Begriff, der für mich nur noch eine vage Bdeutung hat. Ich kann ihn zwar zuordnen, aber sein Inhalt wird zunehmend diffuser für mich. Ich weiß, dass dieser Ort einmal gewesen ist. Oder noch existiert. Das kommt darauf an, wie man Zeit erlebt. So wie ihr Menschen, als einen Ablauf von Ereignissen. Oder so wie ich, die alles als ein Nebeneinander begreift.“

„Wie auch immer“, fuhr Domnic fort. „Ich bin ein Mensch und für mich und meine Freunde ist das Leben ein Fluss. Für mich sind Gespräche über das Wesen der Welt gerade ziemlich irrelevant. Ich hoffe, dass von Ellena noch genug Mensch übrig ist, um sie zu bewegen, zur Erde zurückzukehren.“

„Tapfer gesprochen mein junger Freund“, sagte Sira, wendete sich um und nahm wieder auf ihrem Thron platz. „Sie ist noch Mensch. Ebenso wie Monica Simmons.“

„Woher...?“ Dominic vollendete die Frage nicht. Es war offensichtlich, dass Sira alles über Ellena und ihre Vergangenheit wusste. Aber er wurde das Gefühl nicht los, dass mehr hinter ihren Worten steckte, als die schlichte Bezugnahme auf eine von Ellenas Bekanntschaften.

„Euch Menschen verlangt es nach Macht“, fuhr Sira fort. „Ich kenne Monicas Motive nur, durch den Spiegel von Ellenas Erinnerungen. Aber ich kann fühlen, dass Monica sehr mächtig geworden ist.“

„Du kannst sie fühlen? Jetzt?“

„Wie ich schon sagte. Jetzt ist...“

„Ja. Schon gut. Ich verstehe.“ Dominic spürte kein Verlangen, weiter über esotherische Physik belehrt zu werden. „Du kannst mit ihr in Kontakt treten?“

„Das kann ich, aber ich tue das nur sehr ungern.“

„In deinem langen Leben hast du bestimmt schon Dinge getan, die du nur ungern tun wolltest.“

„Nicht schlecht“, antwortete Sira und konnte sich ein Lächeln nicht verbieten. „Ich wünschte nur, du hättest etwas mehr Wissen. Aber gut. Lass uns keine “Zeit“ mehr verschwenden, wenn dir das so wichtig ist.“

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