Über Pressefreiheit und den Inhalt von Handtaschen.
Beginnen wir mit dem Positiven: Mit dem Blick auf das zerbrechliche Venedig, der mich bei der Rückkehr nach Venedig immer berührt.
Anlass meiner Reise war der Diskussionsabend “Freies Wort – Freies Europa?” (Öffnet in neuem Fenster) im Literaturhaus in Frankfurt, an dem ich zusammen mit dem Historiker Jan-Pieter Barbian (Öffnet in neuem Fenster) und dem Schriftsteller György Dalos (Öffnet in neuem Fenster) teilgenommen habe (moderiert hat die wunderbare Shelly Kupferberg (Öffnet in neuem Fenster)). Unsere Diskussion war der Auftakt zur Woche der Meinungsfreiheit (Öffnet in neuem Fenster), eingeladen haben der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der S. Fischer Verlags und die Stadt Frankfurt - nicht zufällig am 3. Mai. dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, (Öffnet in neuem Fenster) an dem die Reporter ohne Grenzen die jährliche Rangliste der Pressefreiheit (Öffnet in neuem Fenster) veröffentlicht. Auf der Italien um fünf Plätze zu Rang 46 abgestiegen ist, in die “problematische Zone”, zu der auch Polen, Ungarn, Bulgarien und die Ukraine gehören.
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/italien (Öffnet in neuem Fenster)Begründet wurde der Abstieg damit (Öffnet in neuem Fenster), dass in Italien viele Journalisten der Selbstzensur unterlägen: Ein freundliches Wort dafür, dass die meisten italienischen Medien vor allem die politischen Interessen ihrer Besitzer verfolgen - dank der bekannten Medienimperien Berlusconis, der Agnellis (sie kontrollieren dank ihrer Multimediagruppe GEDI die Repubblica, die Stampa, Secolo XIX, einige Lokalzeitungen wie die Nuova di Venezia, Radiosender wie Radio Capital) und auch des Lega-Abgeordneten Antonio Angelucci (Öffnet in neuem Fenster), der vom Krankenhauspförtner nicht nur zum König der Privatkliniken im Lazio aufgestiegen ist, sondern auch zum Medienmogul, dem nicht nur die rechten Tageszeitungen Libero, Il Tempo und Il Giornale gehören, sondern jetzt auch die zweitgrößte italienische Nachrichtenagentur AGI.
Deutschland stieg um einen Platz auf Rang 10 auf - und mir oblag dann die Rolle der Partypupserin, indem ich auf die Kleinigkeit aufmerksam machte, dass Journalisten, die über die Mafia in Deutschland berichten und dafür verklagt werden, stets als Verlierer aus diesen Prozessen hervorgehen. Und dass Bücher über die Mafia in Deutschland auf Geheiß deutscher Gerichte geschwärzt werden - was international Fassungslosigkeit auslöste, nicht aber in Deutschland. Auch komisch, oder?
Hintergründe dazu nachzulesen unter anderem hier (Öffnet in neuem Fenster) (habe den Artikel auf meiner Homepage veröffentlicht, weil ich nicht weiß, ob sich der Originalartikel der ZEIT (Öffnet in neuem Fenster) hinter einer Bezahlschranke befindet). Und ja, Sie sehen richtig: Um die bereits gedruckten Bücher von Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern (Öffnet in neuem Fenster) zu retten, wurden die inkriminierten Seiten per Hand mit Filzstift geschwärzt.
Es war auch kein Zufall, dass unser Treffen in Frankfurt einen Monat vor der Europawahl am 9. Juni 2024 stattfand. Die in Italien zu der in Europa einzigartigen Merkwürdigkeit geführt hat, dass hier Spitzenpolitiker wie die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die Vorsitzende der Demokratischen Partei Elly Schlein (Öffnet in neuem Fenster), der Parteivorsitzende von Forza Italia und stellvertretende Ministerpräsident Antonio Tajani (Öffnet in neuem Fenster) für die Europawahl kandidieren. Natürlich kandidieren sie ohne die Absicht, tatsächlich nach Brüssel zu gehen, das ist eine seit 2004 von Berlusconi angewandte Methode. Die Europawahl soll vor allem italienischer Stimmentest sein. So viel zum europäischen Engagement italienischer Politiker.
Antonio Tajani wirbt dabei mit dem verblichenen Berlusconi.
Hand in Hand mit einem Toten um Stimmen zu werben, gilt im abergläubischen Italien allerdings nicht unbedingt als vielversprechend.
Giorgia Meloni hingegen fordert die Italiener auf, lediglich ihren Vornamen auf den Stimmzettel zu schreiben. Auch das ist möglich in Italien.
Denn das „Stimmenprinzip“ bedeutet, dass die Gültigkeit der vom Wähler abgegebenen Stimme während der Auszählungsphase anerkannt werden muss, wenn der tatsächliche Wille des Bürgers zweifelsfrei abgeleitet werden kann.
Ein renommierter Jurist hat daraus den Schluss gezogen, (Öffnet in neuem Fenster) dass Präsidentin Meloni mit ihrer Bitte nur Giorgia genannt zu werden und so gewählt zu werden, offensichtlich auf die Reform des Ministerpräsidentenamtes verzichtet habe. Ziel sei vielmehr, die die Monarchie wieder aufleben zu lassen: Nur bei seinem Vornamen genannt zu werden, sei das exklusive Vorrecht von Päpsten, Königen und Königinnen. Und klar, da ist die Feldherrin, pardon, der Feldherr, auch nicht weit:
Klar, dass unter diesen Voraussetzungen immer weniger Italiener zur Wahl gehen. Was die Lage nicht verbessert: Schließlich regiert hier eine Regierung “durch”, die lediglich von einem Viertel der Italiener gewählt wurde. Zu dieser weiteren Merkwürdigkeit im italienischen Wahlrecht hat der in deutschen Medien so beliebte Matteo Renzi mit seiner Wahlrechtsreform “Rosatellum” gesorgt.
Zensur wird heute ja auch auf den Socials ausgeübt - ein Vorwurf, den die EU-Kommission dem Meta-Konzern (Facebook+Instagram) macht: Als ich in der SZ las, (Öffnet in neuem Fenster) dass politische Inhalte von den Algorithmen bei Facebook und Instagram gegenüber werberelevanten Inhalten benachteiligt werden, also die Influencerin mit der schicken Handtasche automatisch mehr Aufmerksamkeit als die Polit-Bloggerin bekommt, die über die bevorstehenden Wahlen redet (oder über den Ausverkauf Venedigs ), dachte ich: Das kann ich auch! Ich postete eine Handtasche vor Venedighintergrund, füllte sie mit FreeVenicefromTicket (Öffnet in neuem Fenster), kriegte ganz viele Likes und Follower und Katja Berlin (Öffnet in neuem Fenster), Königin der Torten der Wahrheit, machte daraus eine Story:
So, jetzt muss ich Schluss machen, weil ich noch ein paar Handtaschen fotografieren muss.
In diesem Sinne grüßt Sie aus Venedig Ihre Petra Reski und, nicht vergessen:
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