Pleiten, Pech und Pannen
Überraschung: Der in ein Luxuskaufhaus verwandelte Fondaco dei Tedeschi (Öffnet in neuem Fenster) schließt mit 100 Millionen Euro Verlust, die 226 Angestellten wurden entlassen, im September 2025 läuft der Mietvertrag mit Benetton aus.
Dank der Benettons war die einstige deutschen Handelsniederlassung eine Shoppingmall verhext worden, vermietet an DFS (Öffnet in neuem Fenster), den chinesischen Ableger der Luxusholding Moet Hennessy Louis Vuitton. Seither gehörte der Besuch der nunmehr chinesischen Handelsniederlassung zur obligatorischen Station im Besichtigungsprogramm chinesischer Reisegruppen. Allerdings wurden die 11 Millionen Euro Miete pro Jahr nicht mehr eingespielt, nachdem die asiatischen Touristen erst wegen Corona nicht mehr kamen und dann aufgrund der chinesischen Wirtschaftskrise weniger wurden.
Die Leser von “Als ich in den Canal Grande fiel” (Öffnet in neuem Fenster) kennen die schäbige Vorgeschichte, als das als venezianische Hauptpost genutzte Renaissancegebäude im Jahr 2008 für 53 Millionen Euro an die Benetton Group verkauft wurde, die es im Handumdrehen in ein Einkaufszentrum umwandelte. Ein Schnäppchen, denn der Marktwert des Fondaco wurde auf 124 Millionen Euro geschätzt. In fünf Jahren hatte Benetton die Investition von 53 Millionen schon wieder reingeholt.
Die Garantie, die Baugenehmigungen innerhalb eines Jahres zu erteilen, versüßte Benetton der Stadt Venedig mit einem Trinkgeld von sechs Millionen Euro. Und so waren die Umbaupläne des Architekten Rem Koolhaas von der obersten venezianischen Denkmalschützerin im Eiltempo abgenickt worden, samt einer Rolltreppe und einer Dachterrasse mit Blick auf die Stadt. Was in Venedig, wo man ohne die Genehmigung des Denkmalschutzamtes nicht einmal einen Sonnenschirm auf einer Terrasse aufspannen darf und Baugenehmigungen Jahrzehnte auf sich warten lassen, große Empörung auslöste.
Der Kulturschutzbund Italia Nostra reichte vergeblich eine Klage gegen den Umbau beim Obersten Verwaltungsgericht ein: Der Umbau würde das historische Gebäude zerstören, und den Bürgern werde öffentlicher Raum vorenthalten. Wenigstens das Erdgeschoss sollte den Venezianern vorbehalten sein, in Form eines Kindergartens und eines Kulturzentrums. Aber anders als üblich blockierte das Gericht die Arbeiten nicht – bis zum Urteil zugunsten der Benettons wurde weitergebaut. Im Frühjahr 2016 wurde der Megastore eröffnet: Das Ziel sei, »Vitalität« nach Venedig zu bringen. Der einzig verbliebene öffentliche Raum darin waren die Toiletten. Zu den von der obersten Denkmalschützerin abgesegneten Perversionen gehört auch der Renaissancebrunnen, der einst in der Mitte des Lichthofs stand und der nach den Umbauarbeiten auf Rollen gestellt wurde, um im Café im Erdgeschoss nicht immer im Weg rumzustehen. Zu sehen hier:
Die reichen und politisch bestens vernetzten Benettons konnten sich in Venedig stets die Tortenstücke aussuchen, darunter Venedigs Bahnhof samt dem Verwaltungsgebäude der Eisenbahngesellschaft und schließlich die einstige deutsche Handelsniederlassung. Nicht überraschend gilt Venedig seit Jahren auch als Benettown. Was jetzt mit dem Fondaco dei Tedeschi passiert? Wir wissen es nicht. Vielleicht ein Hotel?
Weil Elon Musk als Berater von Trump nicht ausgelastet ist, mischt er sich in die italienische Innenpolitik ein: Als Richter in Rom erneut beschieden, Migranten aus dem Abschiebelager in Albanien wieder nach Italien bringen zu lassen, weil laut EU-Recht - das über nationalem Recht steht - ein Herkunftsland nur dann als sicher eingestuft werden darf, wenn die Bedingungen dafür im gesamtem Hoheitsgebiet erfüllt sind, ließ Musk auf Twitter (Öffnet in neuem Fenster)wissen: “Diese Richter müssen gehen”. Dort wurde er stante pede von Staatspräsident Mattarella in die Schranken gewiesen (Öffnet in neuem Fenster): “Italien kann für sich selbst sorgen”: Musk solle sich nicht die Kompetenz anmaßen, anderen einem befreundeten und verbündeten Land Vorschriften zu machen.
Meloni, die seit langem eine Freundschaft mit Musk pflegt - siehe Foto - und ihn zu ihrer Fantasy-Party (Öffnet in neuem Fenster) “Atreju” einlud, dem Jugendtreffen der Fratelli d’Italia, hielt sich auffallend zurück, was natürlich auch daran liegt, dass ihre Regierung mit Tesla über die Produktion von Elektro-LKWs und -Transportern verhandelt, sowie mit Starlink, der Satellitenkonstellation von SpaceX, zur Bereitstellung von Breitband-Internetdiensten: Ein Deal, der sogleich in den Mittelpunkt einer Untersuchung geriet, bei der auch gegen Musks rechte Hand in Italien, Andrea Stroppa, ermittelt wird.
Die Pleite mit den Abschiebelagern in Albanien ist für Meloni dennoch nützlich: So kann sie ihre Anhänger davon überzeugen, dass es wie üblich die „kommunistischen“ Richter sind, die ihr bei ihrem harten Durchgreifen in der Migrationspolitik den Arm fallen.
Als ich kurz in Deutschland war, hatte ich Gelegenheit, mir auf Arte die Serie “1992/1993/1994. Eine italienische Chronik” anzusehen (by the way: in Italien konnte ich sie nicht sehen, wegen Geoblocking (Öffnet in neuem Fenster)).
https://www.arte.tv/de/videos/RC-025752/1992-1993-1994/ (Öffnet in neuem Fenster)Im kollektiven Gedächtnis Italiens sind diese Jahre - deren Auswirkungen wir bis heute spüren - eingebrannt. Und deshalb mussten sie auch in “All’italiana” (Öffnet in neuem Fenster) den ihnen gebührenden Raum einnehmen. Lachen musste ich bei diesem Hinweis ⬇️⬇️⬇️
Denn die Wirklichkeit Italiens war noch viel schlimmer, als in dieser Serie dargestellt.
Und zum Schluss noch ein Lektüretipp: Bei Beck ist soeben „Die doppelte Nacht. Eine Deutschlandreise im Jahr 1958” (Öffnet in neuem Fenster)von Carlo Levi erschienen, dem von Mussolini verbannten Autor von “Christus kam nur bis nach Eboli” (Öffnet in neuem Fenster).
Kein Essay, kein Reisebericht, sondern ein “bescheidener wahrer Roman” über das Adenauer-Deutschland, über dessen neuen Wohlstand etwas Düsteres liege, “als sei er auf Leere oder auf den Knochen von Toten gebaut”.
Im Hinblick auf Italien hingegen gab sich Levi optimistisch, den Faschismus hielt er für eine inzwischen überwundene Verirrung. Vermutlich war hier der Wunsch Vater des Gedankens: Levi gehörte zu den Gründern der antifaschistischen Widerstandsgruppe “Giustizia e Libertà” (Öffnet in neuem Fenster): Gerechtigkeit und Freiheit. Er konnte nicht ahnen, dass Berlusconi die Neofaschisten bereits 1994 salonfähig machen würde und sie im Jahr 2022 sogar die Regierung stellen würden.
In diesem Sinne grüßt Sie aus Venedig, Ihre Petra Reski
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