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Seit Wochen wird in den deutschen Medien heftig Partei für Deniz Yücel ergriffen, über den "Krieg im PEN" (Öffnet in neuem Fenster) habe ich bereits in meinem Newsletter (Öffnet in neuem Fenster) geschrieben - wobei: Dem Drohschreiben (Öffnet in neuem Fenster) von Yücel nach zu schließen, sollte ich  lieber vorsichtig sein und statt von Krieg besser von der "Spezialoperation PEN" sprechen. 

Nach einem Interview, das Deniz Yücel ("I am the president") jetzt der ZEIT (Öffnet in neuem Fenster)gegeben hat, in dem er wissen ließ, dass er kein Tätschelausländer sei (komisch, dachte immer, dass Yücel Deutscher ist, was ja auch eine Rolle gespielt hat, bei seiner Befreiung aus Erdogans Gefängnis, aber gut),  schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (Öffnet in neuem Fenster) in ihrer Rubrik "Die lieben Kollegen": »Seit Yücel an der Spitze der Schriftstellervereinigung steht, will er sie von einem etwas behäbigen Honoratiorenclub mit „Scheißgrillabenden“ zu einer „NGO auf Höhe der Zeit“ machen. Dazu hält er es offensichtlich für notwendig, den Rücktritt von Präsidiumsmitgliedern voranzutreiben und, so jedenfalls behaupten es seine Kritiker, Mitarbeiterinnen in der Geschäftsstelle so heftig anzuschreien, dass sie sich krankmelden.« Und etwas später: »Wie gut Yücel selbst dagegen Streit aushält, zeigt ein Schreiben (Öffnet in neuem Fenster), das Medienanwalt Christian Schertz in seinem Namen an mehrere PEN-Mitglieder verschickte und in dem diesen „Falschaussagen“ vorgeworfen werden, die Yücel in Zukunft „nicht hinnehmen“ werde. Was wohl Tucholsky dazu gesagt hätte?« 

Da wollte sich der SPIEGEL auch nicht lumpen (Öffnet in neuem Fenster) lassen, und weil beim Hobeln Späne fallen, fiel auch unter den Tisch, dass die Autorin selbst von der Taz kommt, was eine gewisse Beißhemmung erklärt, suboptimale Auftritte Yücels bei der Taz, etwa seine Moderation bei einer Rassismus-Diskussion (Öffnet in neuem Fenster), zu erwähnen.

Der Medienjournalist René Martens hat die Auseinandersetzung um Yücels Führungsstil als PEN-Präsident ebenfalls beleuchtet, nachzulesen hier (Öffnet in neuem Fenster). Er bemerkte, dass der Kern des von den meisten Medien vernachlässigten Problems sich möglicherweise hinter dem für die Jahrestagung vom PEN-Präsidium festgelegten Programmpunkt Nr. 20 verbirgt: "Aussprache/Abstimmung über ev. weitere Anträge zum Präsidium und zur Einsetzung eines Gremiums zur Einleitung von Ausschlussverfahren (nicht öffentlich)". 

Was soll ich sagen: Ich kann das Parteiausschlussverfahren kaum erwarten! 

Und jedes Mal, wenn ich in den Nachrichten und auf den Titelseiten der Zeitungen Bilder sehe, die aussehen wie Berlin oder Dresden 1945, denke ich: Wohl dem Land, dass sich mit solchen Yüceleien aufhalten kann. 

Letizia Battaglia (Öffnet in neuem Fenster) 1935 -2022

Was mich in dieser Woche wirklich bewegt hat, ist der Tod von Letizia Battaglia. Sie war für mich eben nicht nur die berühmte Fotografin, sondern vor allem ein Meilenstein meines Lebens in Italien: Letizia war die Mutter meiner Freundin und Fotografin Shobha (Öffnet in neuem Fenster): Beide haben meine Italiengeschichte wesentlich geprägt, weshalb ich sie in meinem Buch "Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern" (Öffnet in neuem Fenster) verewigt habe.

Wie ich in meinem Nachruf (Öffnet in neuem Fenster) schrieb, ahnte ich nicht, dass meine erste Begegnung mit Letizia im Frühling 1989 in Palermo - als sie eine atemlose Umstürzlerin war, eine Fotografin im Dienst der Revolution, ihrer Revolution - den Lauf meines Lebens verändern sollte. 

Im Dezember war ich zum letzten Mal in Palermo, um Letizia zu portaitieren. Sie können das Portrait hier nachlesen (Öffnet in neuem Fenster). An ihrem Todestag gab es in Italien keinen Fernsehsender, keine Radiostation, keine Tageszeitung ohne einen Nachruf auf Letizia. Im Rathaus von Palermo wurde ihr die letzte Ehre erwiesen, viele Mitstreiter haben sie dort gewürdigt (Öffnet in neuem Fenster), nicht zuletzt Bürgermeister Orlando (Öffnet in neuem Fenster). Ihr Sarg wurde unter großer Anteilnahme verabschiedet (Öffnet in neuem Fenster)

https://www.youtube.com/watch?v=pLQbL83ECMs (Öffnet in neuem Fenster)

Ich war oft mit Letizia zu Podiumsdiskussionen zum Thema Mafia eingeladen, in Venedig, in Amsterdam, in Köln. Was ich an ihr geschätzt habe, war ihr absoluter Wille zur Wahrheit. Wie ich es auch in meinem Portrait (Öffnet in neuem Fenster) schrieb, war ihr jeder Opportunismus, jeder Antimafia-Gemeinplatz fremd. Und daran hat sich auch nichts im hohen Alter geändert. 

Eines der wichtigsten Fotos von Letizia war eins, das sie selbst vergessen, ja eigentlich als zu banal und zu verwackelt aussortiert hatte - bis eines Tages Antimafia-Ermittler vor ihrer Tür standen, die bis nachts in ihrem Archiv suchten, um dieses Foto zu finden: Giulio Andreotti, der einem Mafiaboss die Hand zur Begrüßung reichte – was Andreotti zu leugnen versuchte, als er wegen Unterstützung der Mafia (Öffnet in neuem Fenster)vor Gericht stand und Letizias Foto zu den Beweismitteln gehörte.

Bis zuletzt sah Letizia aber nicht ein, warum sie sich in die Rolle des Denkmals ihrer selbst (Öffnet in neuem Fenster) fügen sollte. Keine Altersmilde, keine Resignation, kein Bedauern (Öffnet in neuem Fenster). Stattdessen pinkfarbene Haare, Ausstellungen und Zigaretten bis zum letzten Atemzug.

Als wir einmal in Amsterdam zu der Podiumsdiskussion eingeladen waren, wollte Letiza am Ende unbedingt noch in das Rotlichtviertel. Wir liefen durch den Regen, und Letizia warf den Mädchen in den Schaufenstern Kusshände zu und rief: "Ciao ragazze."

Sie wird uns fehlen. 

Letizia war immer bereit, sich in neue Abenteuer zu stürzen, stets war sie voller Hoffnung auf eine wie auch immer geartete Auferstehung  - deshalb passt die Erinnerung an sie so gut zu Ostern. 

So wie diese beiden Engel auf der Karfreitagsprozession von Trapani.

Frohe Osterfeiertage wünscht Ihnen aus Venedig, Ihre Petra Reski

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