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Über Schätze, Wut und die Rolle der Gesellschaft im Kinderzimmer 

(Das Audio findet ihr wie immer am Ende des Textes.)

Greta hüpft auf und ab vor Aufregung und Sophia kann es nur mit Anstrengung vermeiden nicht laut los zu quietschen. Es fühlt sich fast an wie der jährliche Moment kurz vor der Bescherung an Weihnachten, wenn das Glöckchen geklingelt hat und das beleuchtete Wohnzimmer mit dem Tannenbaum und den Geschenken darunter die Kinderaugen zum Strahlen bringt. 

Die Begeisterung ist spürbar, fast greifbar. 

Diese Momente, die ich eben beschrieben habe, sind genau so passiert. Letzten Freitag, am letzten Tag der ersten Woche nach den Ferien.
Ich habe mit den Kindern nämlich eine Schatzsuche begonnen.
Ich erkläre das kurz: 

Sophia und Greta sind ein riesen Fan von „Mira und das fliegende Haus“,  ein Podcast für Kinder. Da gehts um verschiedene Themen wie „Keiner ist zu klein um groß zu sein“ oder „Liebe ist für alle da“,  „Mein Körper gehört mir“ usw.

Dort gibt es einen sprechenden Kater, eine rappende Maus, eine Schabe namens Shannon… und viele mehr.

Ist echt cool. Mega Empfehlung für alle die es nicht kennen. Gebt einfach bei dem Podcast-Anbieter eures Vertrauens den Namen ein und dankt mir später.

Jedenfalls: Mira hat jetzt eine Schatzsuche für Kinder ins Leben gerufen.
So sind wir jetzt Piraten, die "den größten Schatz der Welt" suchen.

„Adler Schmidt“ hat also am besagten Freitag, dem grauesten Tag im November, ein Flugblatt und eine Schatzkarte vor unserem Haus abgeworfen (mit ein bisschen Hilfe von mir) und macht das nun 19 Tage lang. Jeden Tag ein Flugblatt.

Die Kinder müssen verschiedene Aufgaben erfüllen und finden am Ende  den „größten Schatz der Welt“. Spoiler-Alert: Das sind sie selbst. Aber das wissen sie natürlich noch nicht.

Die Kids sind seither, wie beschrieben, so so so mega aufgeregt und sprechen von nix anderem mehr.
 

Ich arbeite in etwa 30-35 Stunden die Woche. Reine Erwerbsarbeit, für die ich bezahlt werde. 

Dazu kommt in etwa mindestens genau soviel "Care-Arbeit" dazu. Kindererziehung, Haushalt, Wäsche, Besorgungen. Diese Arbeit ist unbezahlt, man macht sie ja aus "Liebe". 

Das ist so ein dummes Argument: Schließlich mag ich meine bezahlte Arbeit auch gerne, würde aber zu Hause bleiben, wenn ich dafür nicht bezahlt würde. Und Liebe zahlt ja nun mal leider keine Miete.
Schade eigentlich. 

Wie unfair das ist habe ich hier schon ein paar mal moniert. Wäre Carearbeit männlich dominiert, wäre sie längst selbstverständlich bezahlt, anerkannt und gewertschätzt. 

Leider sind wir alle (!) immer noch patriarchaisch geprägt: Mama macht das schon, Mama macht das gern, Mama kann das. 

Schließlich ist Mama ja auch nur in Teilzeit. 

Mama ist (Gott bewahre!) mal allein unterwegs?? (Weil sie zum Beispiel zum Zahnarzt muss oder andere angenehme Dinge in ihrer "Me-Time") Aber wo ist denn bitte das Baby? Ach klar, bei der Oma. Papa muss ja schließlich arbeiten oder hat einen harten Tag gehabt. Dann braucht er abends ja auch mal eine Pause. 

Und ich mein... das bisschen Haushalt....

Leute, ich will gar nicht erst wieder damit anfangen, dass die Woche genau 168 Stunden hat und die meisten Männer (ich spreche hier nicht von meinem!) in der als normal angesehenen Rollenverteilung davon etwa 40 Stunden arbeiten. Statistisch gesehen leisten sie dazu im Durchschnitt noch etwa 2,5 Stunden Care-Arbeit am Tag.

Die allermeisten Frauen hingegegen arbeiten etwa 25 Stunden und DAZU noch etwa 5,5 Stunden Care-Arbeit. AM TAG!!!! Und das ist nur der Durchschnitt. Im Zweifel kann so eine Carearbeit, je nach Wochentag, Anzahl und Alter der  Kinder etc pp auch gut und gerne mal 17 Stunden dauern. 

Das ist ein so genannter "Care-Arbeits-Gap von 110,6 Prozent". (Alexandra Zykunov, 'Wir sind doch alle längst gleichberechtigt").

Man braucht kein Mathe-Genie sein, um zu sehen, dass das ein bisschen unfair ist. Und ja, das ist statistisch belegt. 

Müsste Care-Arbeit bezahlt werden und würde nicht mehr uentgeltlich und nicht gewertschätzt einfach so nebenher laufen, wäre der Staat (wirtschaftlich) ruiniert. Tatsache. 

Aber wir sind ja alle längst gleichberechtigt! Ist klar. 

Okay ich merke ich schreibe mich schon wieder in Rage. War gar nicht meine Absicht. 

Wollte nur klar machen: Ich erwerbsarbeite und care-arbeite und ich trage den Mentalload (muss ich noch was besorgen, haben die Kids noch passende Winterschuhe... etc.pp.) selbst dann, wenn ich gerade nicht care-arbeite, also mit den Kids zusammen bin.

Am Sonntag waren wir schatzsuchend in den Wald gefahren und mussten nach Mut und Vertrauen suchen, um uns zu trauen eine Brücke zu überqueren.
Dafür hat Mira uns eine Mediation da gelassen, die die Kinder gehört haben.

In dieser konnten die Beiden im Kopf ihr Krafttier finden, was sie begleitet und ihnen Mut macht. Und das sollten die beiden aufmalen, sodass ich es Adler Schmidt am nächsten Tag mitgeben kann.

Außerdem haben wir schon ein Piratenschiff gebaut (bzw. die Anleitung dafür), Mira und ihren Freunden auf hoher See geholfen Gras und Steine und Eicheln nicht zu sehr zu vermissen (indem wir ihnen genau das geschickt haben) und ich bin selbst genau so gespannt wie Sophia und Greta, was noch alles passieren wird. 

Ich liebe das. Zeit mit den Mädels ist das schönste und wichtigste in meinem Leben. 

Zusammen sein. Geniessen. 

Care-Arbeit. ARBEIT. 

Ich bin etwas ratlos. 

So langsam schleicht sich sich immer mehr der Gedanke bei mir ein, dass ich mich vielleicht verrannt habe. 

Nein, es ist nicht okay, dass es gesellschaftlich anerkannt und NORMAL ist, dass wir Frauen all die Last tragen. Es muss ein Umdenken stattfinden. 

Aber trotzdem will ich die Zeit mit meinen Kindern nicht mehr als Arbeit sehen. Ich will diese Zeit nicht mehr gegenrechnen und im ständigen Kampf sein, etwas davon "loswerden" zu können, weil es sonst alles zuviel wird. 

Ja, es wird zuviel - aber ich fühle immer mehr, dass ich selbst auch dazu beitrage, wenn ich das für mich als Arbeit definiere (wenn ich zum Beispiel zusammen mit den Mädchen Kekse für den nächsten Basar in der Sportgruppe backen muss). 

Trage ich dazu bei, dass sich diese gesellschaftliche Ansicht weiter fortsetzt, der Gender-Pay-Gap bestehen bleibt und Frauen in Altersarmut enden, wenn ich nicht immer wieder darauf aufmerksam mache UND mich selbst so verhalte? 

Oder ist es eher verwerflich, dass ich Zeit mit meienn Kids als Arbeit aufrechne und froh bin, auch mal für mich zu sein, zum Beispiel um wütende Texte dagegegen zu schreiben? 

-

Keine Ahnung. 

-

Wisst ihr, vielleicht kann aber auch all das parallel existieren. Vielleicht kann ich mich glechzeitig über den gesellschaftlichen Missstand ärgern und gleichzeitig die Kinder geniessen? Vielleicht - nein ganz sicher - kann ich die Beiden über alle Maßen lieben aber trotzdem gern mal allein sein? 

Eventuell ist es am Ende die Dualität, die uns retten wird. Schließlich sprechen wir hier über nichts weniger als unser Leben. Und das Glück darin, was auf dem Spiel steht. Schließlich haben wir alle nur eine bestimmte Zeit und jeder Tag hat für jeden von uns nur 24 Stunden. 

Man kann leider sicherlich durch mentale Arbeit nicht das gesamtgesellschaftliche Problem lösen, aber doch ganz sicher die Perspektive, die man darauf hat. Und die hat ja schließlich maßgeblichen Einfluss. 

"Mama, weisst du? Ich glaube der größte Schatz der Welt ist Liebe", mutmaßt mein Kind mitten in der Nacht, weil sie nicht schlafen kann vor Aufregung, was Adler Schmidt uns am nächsten Tag bringen wird. 

Ich bin sicher, dass sie Recht hat. 

Der größte Schatz ist Liebe. Und die Kinder sind pure Liebe. Auch wenn ich damit nicht meine Miete bezahlen kann. 

Wie seht ihr das? Ich freue mich über eure Nachrichten. 

Nur Liebe für euch!  

Quellenangaben und Empfehlungen: 

  •  Alexandra Zykunov, "Wir sind doch alle längst gleichberechtigt" 

  • "Mira und das fliegende Haus", @mira.unddasfliegendehaus

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